Zusammenfassung
Gerade die aktuelle Situation im Bereich Energie zeigt, dass viele Verbraucherinnen und Verbraucher hier überdurchschnittlichen Beratungs- und auch Vertretungsbedarf haben. Rechtsanwälte, die im Energierecht auf Verbraucherseite tätig sind, berichten, trotz guter Verdienstmöglichkeiten, von einem akuten Mangel an Energierechtsspezialisten und eigener Überlastung. Eine Fachanwaltschaft in diesem Bereich besteht zudem bisher nicht und die Errichtung einer solchen ist in absehbarer Zeit ebenfalls nicht zu erwarten. Dies eröffnet den Markt für Spezialisten.
I. Einleitung
Liest man den durch die Wissenschaft regelmäßig veröffentlichten STAR-Report zur Situation der deutschen Anwaltschaft, ergibt sich, dass der sog. Allgemeinanwalt vielerorts inzwischen ausgedient haben dürfte. Dieses Kanzleimodell trägt sich wirtschaftlich nämlich kaum noch. Die in der Vergangenheit gut funktionierende Quersubventionierung von finanziell wenig attraktiven Mandaten in einem Rechtsgebiet mittels gut dotierter Mandate in einem anderen hat aufgrund steigender Spezialisierung in der Anwaltschaft stark abgenommen. Das rechtssuchende Publikum wendet sich heute gezielt für eine konkrete Rechtsfrage gerne an den jeweiligen Fachanwalt bzw. einen Spezialisten. Das Internet macht diese Suche inzwischen noch leichter. Die Empfehlung aus dem Freundes- oder Bekanntenkreis hat hingegen meist ausgedient.
Umso wichtiger ist die Wahl des Rechtsgebiets, in dem man seine berufliche Zukunft finden möchte. Dabei wird insbesondere Berufsanfängern empfohlen, sich eine sog. Nische zu suchen. Eine Nische wird dabei als ein Rechtsgebiet angesehen, welches nicht von etablierten Kanzleien vollständig besetzt ist und zudem Entwicklungspotenzial betreffend Umfang und Verdienstmöglichkeiten aufweist.
Tatsächlich gibt es diese Nischen, eine davon ist das Energierecht auf Verbraucherseite.
II. Maßgebliches juristisches Grundlagenwissen im Energierecht
1. Energierecht ist Richterrecht
Um sich in ein neues Rechtsgebiet einzuarbeiten, wählen Juristinnen und Juristen gerne den Griff zur einschlägigen Fachliteratur bzw. den Blick in juristische Datenbanken.
Im Energierecht wird man leider mit dieser Methodik kaum fündig werden. Ein Umstand, der von im Energierecht spezialisierten Anwaltskanzleien häufig als einer derjenigen Gründe angeführt wird, warum die Zuwachsraten an Kolleginnen und Kollegen in diesem Rechtsgebiet bisher stets überschaubar geblieben sind. Soweit es tatsächlich vereinzelte Standardwerke gibt (etwa: Hempel/Franke, Recht der Energie- und Wasserwirtschaft – Praktiker-Kommentar zum deutschen und europäischen Energierecht), sind diese entweder nicht auf dem neuesten Stand und/oder interpretieren die einschlägigen gesetzlichen Vorschriften des Energierechtes rein aus Versorgersicht.
Juristische Datenbanken bieten Energierechtsthemen meist ausschließlich in Zusatzmodulen an, deren Inhalt oft nur wenige Spezialfragen behandelt. Einen zumindest besseren Überblick bieten die einschlägigen Zeitschriften wie beispielsweise die RdE-Recht der Energiewirtschaft oder die ZNER-Neue Zeitschrift für Energierecht.
Für die Erlangung aktuellen Wissens hilft hingen häufig der kollegiale Austausch. Gerade die auf Verbraucherseite tätigen Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte sind gut vernetzt und tauschen sich rege und gerne aus. In dieses Netzwerk integriert sind die Energierechtsabteilungen von Verbraucherzentralen sowie von Verbraucherschutzorganisationen wie dem Bund der Energieverbraucher e.V. Wer sich daher auf das Energierecht spezialisieren möchte, ist gut beraten, diese Anlaufstellen unbedingt zu nutzen.
Die ungewöhnliche Offenheit im kollegialen Austausch mag damit zusammenhängen, dass es im Bereich der Verbraucherberatung praktisch kein Konkurrenzdenken gibt. Man teilt, was man weiß, mit anderen. Dies ist kein Selbstzweck, denn man erhält auch wieder selbst Hinweise auf rechtliche Bewertungen, die im Energierecht bundesweit zu beobachten sind.
Außerdem möchte man aus Erfahrung der letzten Jahre vermeiden, dass für die Verbraucher ungeeignete Entscheidungen dem Bundesgerichtshof in letzter Instanz unterbreitet werden, was allen auf Verbraucherseite Beteiligten im Endergebnis schaden kann.
Wichtig ist in diesem Zusammenhang, dass viele potenzielle Mandanten, noch mehr als in anderen Rechtsgebieten, sich intensiv selbst fachlich mit ihrem jeweiligen Anliegen beschäftigen.
Nicht selten mag es vorkommen, dass ein Mandant mit einer Gerichtsentscheidung aufwartet, die der Rechtsanwältin/dem Rechtanwalt selbst völlig unbekannt ist, die aber für den vorliegenden Fall durchaus Relevanz besitzen kann. Meist handelt es sich um unveröffentlichte Entscheidungen, die in den „interessierten und vernetzten Kreisen der Energieverbraucher” geteilt wurden. Hier empfiehlt sich – mit dem Hinweis auf die fehlende Veröffentlichung – die eigene Unkenntnis einzugestehen und die Zusendung der Entscheidung zu erbitten. Im Energierecht ist dies nichts, womit man hinter dem Berg halten muss, um ein etwaiges Regressverfahren zu vermeiden. Vielmehr schmeichelt es den meisten Mandanten in „unserem Fall” auch der ...