Zunächst ist der BGH davon ausgegangen, dass alle vorgerichtlich entstandenen Geschäftsgebühren, die im Wege objektiver Klagehäufung in einem einzigen gerichtlichen Verfahren verfolgt wurden, anteilig auf die Verfahrensgebühr anzurechnen sind. Es ist somit nicht eine einheitliche Geschäftsgebühr aus den addierten Gegenstandswerten zu bilden, die anteilig auf die Verfahrensgebühr anzurechnen wäre (BGH AGS 2017,170 = RVGreport 2017, 220 [Hansens]). Die – letzteres vorsehende – Neuregelung des § 15a Abs. 2 S. 2 RVG war hier gem. § 60 Abs. 1 S. 1 RVG im Fall des BGH nicht anwendbar, da der unbedingte Auftrag zur Erledigung derselben Angelegenheit vor dem Inkrafttreten der Gesetzesänderung am 1.1.2021 erteilt worden ist.
Wie die Anrechnung durchzuführen ist, ist in der Rechtsprechung umstritten.
Nach Auffassung des I. Zivilsenats des BGH (AGS 2017, 170 = RVGreport 2017, 220 [Hansens]) sind alle entstandenen Geschäftsgebühren in der tatsächlichen Höhe anteilig auf die Verfahrensgebühr anzurechnen. Nach anderer Auffassung, die sich an dem Wortlaut der Vorbem. 3 Abs. 4 S. 5 VV RVG a.F. orientiert, erfolgt die Anrechnung jeweils nur nach dem Wert des Gegenstandes, der in das gerichtliche Verfahren übergegangen ist (so OLG Koblenz AGS 2009,167 m. Anm. N. Schneider = JurBüro 2009, 304; Gerold/Schmidt/Müller-Rabe, RVG, a.a.O., Vorbem. 3 VV RVG, Rn 319; N. Schneider/Volpert/N. Schneider, AnwKomm RVG, 9. Aufl. 2021., Vorbem. 3 VV RVG, Rn 242, 244; Hartung/Schons/Enders/Schons, RVG, 3. Aufl. 2017, Vorbem. 3 VV RVG, Rn 166 f.; Tomson, NJW 2007, 267, 269).
Der VI. Zivilsenat des BGH hat diesen Streit in seiner aktuellen Entscheidung nicht entschieden. Auch bei Anwendung der zuletzt genannten Auffassung würde nämlich die Verfahrensgebühr i.H.v. 725,40 EUR durch die Anrechnung der Geschäftsgebühren vollständig aufgezehrt. Hierzu hat der BGH die entsprechenden Anrechnungsbeträge in einer Tabelle zusammengestellt. Danach beläuft sich die Summe der nach dem in das gerichtliche Verfahren übergegangenen Gegenstandswerte und der zur Hälfte anzurechnenden Geschäftsgebühren auf 780 EUR.
A |
B |
C |
eingeklagter Betrag |
1,3 Geschäftsgebühr nachdem ins gerichtliche Verfahren übergegangen Gegenstandswert |
0,65 Geschäftsgebühr nach dem ins gerichtliche Verfahren übergegangen Gegenstandswert |
805,20 EUR |
104,00 EUR |
52,00 EUR |
124,00 EUR |
58,50 EUR |
29,25 EUR |
140,25 EUR |
58,50 EUR |
29,25 EUR |
169,50 EUR |
58,50 EUR |
29,25 EUR |
169,50 EUR |
58,50 EUR |
29,25 EUR |
805,20 EUR |
104,00 EUR |
52,00 EUR |
480,20 EUR |
58,50 EUR |
29,25 EUR |
281,30 EUR |
58,50 EUR |
29,25 EUR |
679,10 EUR |
104,00 EUR |
52,00 EUR |
347,60 EUR |
58,50 EUR |
29,25 EUR |
347,60 EUR |
58,50 EUR |
29,25 EUR |
281,30 EUR |
58,50 EUR |
29,25 EUR |
347,60 EUR |
58,50 EUR |
29,25 EUR |
805,20 EUR |
104,00 EUR |
52,00 EUR |
546,50 EUR |
104,00 EUR |
52,00 EUR |
413,90 EUR |
58,50 EUR |
29,25 EUR |
480,20 EUR |
58,50 EUR |
29,25 EUR |
413,90 EUR |
58,50 EUR |
29,25 EUR |
805,20 EUR |
104,00 EUR |
52,00 EUR |
281,30 EUR |
58,50 EUR |
29,25 EUR |
169,50 EUR |
58,50 EUR |
29,25 EUR |
281,30 EUR |
58,50 EUR |
29,25 EUR |
Summe |
Summe |
Summe |
9.175,35 EUR |
1.560,00 EUR |
780,00 EUR |