Die Entscheidung des Anwaltssenats ist in ihrer Anwendung des anwaltlichen Berufsrechts überzeugend und im Ergebnis begrüßenswert.
Insbesondere ist die Bejahung der Statthaftigkeit der Anfechtungsklage für die Rechtsanwaltschaft positiv und wird wohl zukünftig die Möglichkeit für frühzeitige rechtliche Klärung berufsrechtlich relevanten Verhaltens schaffen können. Der Rechtsanwalt kann sich bereits im Vorfeld geplanter Aktivitäten, die womöglich einen Verstoß gegen das anwaltliche Berufsrecht darstellen, an die Rechtsanwaltskammer wenden und eine förmliche Entscheidung erbitten. Stellt die Rechtsanwaltskammer in ihrem Bescheid sodann einen Berufsrechtsverstoß fest und verbindet diesen mit der Aufforderung eines Unterlassens, kann der Rechtsanwalt auch gegen diese förmliche Entscheidung vorgehen. Dem Anwaltssenat ist zuzustimmen, dass es für die rechtliche Beurteilung des Vorliegens eines Verwaltungsaktes, der mit einem Handlungsverbot versehen ist, nicht darauf ankommen kann, ob es sich um vergangenes oder künftiges Verhalten des Rechtsanwalts handelt. Vielmehr muss maßgeblich sein, dass der Bescheid bereits dadurch, dass er ein Handlungsverbot enthält, in die Rechte des betroffenen Rechtsanwalts eingreift.
Was die Entscheidung dennoch etwas vermissen lässt, ist eine feine Differenzierung zwischen den einzelnen Tatbestandsmerkmalen des § 43b BRAO. Die Tatbestandsmerkmale der Berufsbezogenheit und der Sachlichkeit hätten von dem Anwaltssenat noch etwas deutlicher herausgearbeitet werden können. Nichts desto trotz ist dem Anwaltssenat in seiner Rechtsauffassung zuzustimmen, dass vorliegend die beabsichtigte Werbung des Rechtsanwalts mit § 43b BRAO, § 6 BORA nicht zu vereinbaren ist.
Der Anwaltssenat verkennt in seiner Entscheidung – entgegen der Ansicht einiger Kritiker – nicht die Rechtsprechung des BVerfG zur Zulässigkeit einer Schockwerbung, die in einem Konflikt zur Menschenwürde stand (sog. Bennetton-Entscheidung BVerfG NJW 2001, 591 ff.). Die Entscheidung des BVerfG zwingt gerade nicht zu einer anderen Rechtsauffassung. Ebenso hängt die Beurteilung der Zulässigkeit der streitgegenständlichen Werbemaßnahme nicht von bloßen Geschmacksfragen ab.
Vielmehr stehen – anders als in dem vom BVerfG zu entscheiden Fall – nicht nur die Gemeinwohlbelange der Menschenwürde der streitgegenständlichen Werbemaßnahme gegenüber, sondern vielmehr ebenso die Belange, die sich aus dem besonderen Berufstand des Rechtsanwalts ergeben. Der Gesetzgeber der BRAO geht davon aus, dass die unabhängige, kollisionsfreie, eigenverantwortliche, gewissenhafte, sorgfältige und verschwiegene Tätigkeit des Rechtsanwalts als unabhängiges Organ der Rechtspflege eine Einschränkung hinsichtlich seiner Werbemöglichkeiten rechtfertigt. Wegen der damit verbundenen Einschränkung der Berufsausübungsfreiheit i.S.v. Art. 12 GG und der Meinungsfreiheit des Art. 5 GG kann richtigerweise lediglich gemeinwohlschädliche Werbung, die geeignet ist, die Funktionsfähigkeit der Steuer- und Rechtspflege sowie die Interessen der Rechtsuchenden zu beeinträchtigen, verfassungskonform untersagt werden. Diese vom BVerfG aufgestellten Maßstäbe hat der Anwaltssenat in seiner Entscheidung hinreichend gewürdigt. Nicht der gute Geschmack führte zu der Beurteilung der Unzulässigkeit der streitgegenständlichen Werbemaßnahmen, sondern vielmehr die schützenswerte Funktion des Rechtsanwalts in dem System der Rechtspflege.
Den streitgegenständlichen Werbemaßnahmen stehen die Persönlichkeitsrechte des auf dem Bild klar erkennbaren entblößten Kindes und die Menschenwürde aller Opfer einer elterlichen Züchtigung bzw. häuslichen Gewalt gegenüber. Für sich genommen reicht dies in Anlehnung an die oben genannte Rechtsprechung des BVerfG noch nicht für eine gerechtfertigte Einschränkung der Berufsfreiheit und Meinungsäußerung. Hinzukommt jedoch – und dieser Aspekt ist nicht zu vernachlässigen –, dass durch die streitgegenständlichen Abbildungen eine erhebliche Gefahr des Verlustes des Ansehens und Vertrauens in die Rechtsanwaltschaft gegeben ist. Die anwaltliche Schockwerbung geht auch durch die starke Sexualisierung und Ironisierung über eine sozialkritische Diskussion hinaus bzw. verfehlt diesen Zweck gänzlich. Da dem Mandatsverhältnis ein besonderes Vertrauen immanent ist, ist es gleichwohl eine wichtige Aufgabe, das Ansehen des Rechtsanwalts in der Gesellschaft zu wahren. Derartige Schockwerbung eines Rechtsanwalts als unabhängiges Organ der Rechtspflege schadet diesem Ansehen, da das rechtsuchende Publikum den Eindruck erhält, der Rechtsanwalt müsse nahezu alles machen, um Mandate zu akquirieren. § 43b BRAO soll das Vertrauen der Rechtsuchenden auch in die Seriosität und auch Neutralität des Rechtsanwalts schützen.
Zudem ist die durch die § 43b BRAO eingeschränkte Werbefreiheit nicht unverhältnismäßig, da dem Rechtsanwalt nicht schlechthin die sozialkritische Werbung und das Hinweisen beispielsweise auf das Züchtigungsverbot untersagt werden. Der Anwaltssenat stellt zu Recht klar, dass ...