Die Erinnerung nach § 766 ZPO ist der in dem Zwangsvollstreckungsverfahren mit Abstand am häufigsten vorkommende Rechtsbehelf. Sie ist statthaft gegen das gesamte vollstreckungsrelevante Verhalten des Gerichtsvollziehers (= Vollstreckungsmaßnahmen, Amtsverweigerung und unrichtige Kostenansätze; vgl. Zöller/Stöber, a.a.O., § 766 Rn 2, 14–19) sowie gegen alle Zwangsvollstreckungsmaßnahmen des Vollstreckungsgerichts (= Richter oder Rechtspfleger). Es handelt sich um einen Rechtsbehelf, der zu einer Überprüfung der Sache in derselben Instanz führt.
Hinweis:
Die Erinnerung gem. § 766 ZPO findet nicht statt, wenn der Gerichtsvollzieher außerhalb des Zwangsvollstreckungsverfahrens zuständig und tätig ist, wie z.B. bei öffentlicher Versteigerung (Pfandverkauf, § 1235 Abs. 1 BGB; OLG Nürnberg MDR 2014, 165; auch in den Fällen der §§ 383 Abs. 3, 559, 1233 BGB), bei freihändigem Verkauf, bei der Zustellung (§ 192 ZPO; OLG Hamm Rpfleger 2011, 93) sowie bei Wegnahmen gem. § 35 Abs. 4 FamFG durch den Gerichtsvollzieher (Walker in Schuschke/Walker, Vollstreckung und vorläufiger Rechtsschutz, 6. Aufl. 2016, § 766 Rn 18).
Problematisch ist die Abgrenzung der Vollstreckungserinnerung zur sofortigen Beschwerde gem. § 793 ZPO, die gegen die Entscheidungen des Richters (§ 793 ZPO) und die Entscheidungen des Rechtspflegers (§ 11 Abs. 1 RPflG i.V.m. § 793 ZPO) gegeben ist. Beide Rechtsbehelfe schließen sich gegenseitig aus. Während die sofortige Beschwerde sich gegen Entscheidungen richtet, ist die Vollstreckungserinnerung gegen Vollstreckungsmaßnahmen (Art und Weise der Zwangsvollstreckung) gegeben. Für die Statthaftigkeit des einen oder anderen Rechtsbehelfs ist demnach die Unterscheidung und Abgrenzung von Entscheidung und Vollstreckungsmaßnahme von entscheidender Bedeutung.
Nach h.M. (Zöller/Stöber, a.a.O., § 766 Rn 2 m.w.N.) richtet sich diese Abgrenzung nach der tatsächlichen und nicht nach der gesetzlich vorgesehenen bzw. verfahrensrechtlich richtigen Art des Zustandekommens des Beschlusses. Danach handelt es sich immer um eine Entscheidung i.S.v. § 793 ZPO bzw. § 11 Abs. 1 RPflG, wenn der Beschluss unter tatsächlicher und rechtlicher Würdigung des beiderseitigen Vorbringens, also unter Abwägung der für und gegen den Antrag sprechenden Gründe, zustande kommt. Das ist der Fall, wenn das Gericht den Beschluss erst nach Anhörung des Gegners erlassen (Sächsisches OVG DÖV 2014, 764; OLG Frankfurt JurBüro 1992, 568; OLG Köln Rpfleger 1991, 360; Gottwald, a.a.O., § 766 Rn 3) oder einen Antrag der Beteiligten zurückgewiesen hat (OLG Koblenz NJW-RR 1986, 679). Erlässt der Rechtspfleger also einen Pfändungs- und Überweisungsbeschluss ohne vorherige Anhörung des Schuldners, so steht dem Schuldner gegen diesen Beschluss die Erinnerung gem. § 766 ZPO zu. Wurde der Pfändungs- und Überweisungsbeschluss dagegen vom Rechtspfleger erst nach vorheriger Anhörung des Schuldners antragsgemäß erlassen, so kann der Schuldner gegen diesen Beschluss sofortige Beschwerde gem. § 793 ZPO, § 11 Abs. 1 RPflG einlegen. Weist der Rechtspfleger des Vollstreckungsgerichts einen Antrag auf Erlass eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses ohne Anhörung des Schuldners ab, ist die sofortige Beschwerde nach den § 793 ZPO, § 11 Abs. 1 RPflG gegeben. Zwar handelt es sich hier um ein "einseitiges" Verfahren in dem die Argumente der Gegenseite (des Schuldners) nicht berücksichtigt werden. Maßgeblich für die Annahme einer Entscheidung soll indes sein, dass der Gläubiger als der einzige von dem ablehnenden Beschluss Betroffene vorher angehört worden ist (Walker in Schuschke/Walker, a.a.O., § 766 Rn 6–10 m.w.N.).