Die Karnevalssession 2017 strebt dem Höhepunkt entgegen. Noch bis Aschermittwoch wird in Sälen und ab Weiberfastnacht auch auf den Straßen gefeiert, getanzt und gelacht. Doch überbordende Ausgelassenheit endet mitunter auch vor Gericht – ein Überblick zeigt, mit welchen Fällen sich Rechtsanwälte und Richter schon beschäftigen mussten.
Das Abschneiden der Krawatte an Weiberfastnacht, am Tag, an dem die Frauen das Regiment übernehmen, gehört im Rheinland zu den üblichsten Bräuchen. Doch durfte eine Reisebüroangestellte in Essen einem "äußerst eleganten Kunden", wie es im Tatbestand heißt, den Schlips abschneiden? Nein, so die klare Antwort des Amtsgerichts Essen (Urt. v. 3.2.1988 – 20 C 691/87). Die Angestellte des Reisebüros habe vorsätzlich das Eigentum des Kunden zerstört. Auch wenn das Schlipsabschneiden an Weiberfastnacht Brauch sei, dürfe auf die Einwilligung des Kunden zum Eingriff (oder besser: Übergriff) auf sein Eigentum nicht verzichtet werden. Wer einen unerlaubten sexuellen Übergriff begeht, darf auch im Karneval keine Strafmilderung erwarten, urteilte das Landgericht Bonn (Kölnische Rundschau vom 24.2.2012, S. 38).
Auf den Kölner Straßen wuchs an Karneval von Jahr zu Jahr das Scherbenmeer, eine echte Gefahr für viele Jecken. Das OVG Münster (Beschl. v. 9.11.2010 – 5 B 1475 und 1476/10) bestätigte ein zeitlich beschränktes Glasverbot in den Feierzonen des Kölner Straßenkarnevals und hat den Einwänden von Kioskbesitzern eine Absage erteilt, die um ihr Geschäft fürchteten. Trinken könne man an diesen Tagen auch aus Plastikbechern. Diese Entscheidung hat sich in den vergangenen Jahren sehr bewährt.
Viel Verständnis zeigen Richter bei Veranstaltungen: Wer hier zu Fall kommt, muss schon sehr genau begründen, weshalb er den Veranstalter haftbar machen will. Wer bei einer karnevalistischen Massenveranstaltung auf der Treppe in einem Pulk von Leuten stürzt, kann laut OLG Köln nicht auf Schadensersatz hoffen (Urt. v. 28.6.2002 – 19 U 7/02). Auch ist nicht haftbar, wer als Besucher einer Karnevalsveranstaltung versehentlich ein Glas umstößt, welches zerbricht und daraufhin einen anderen verletzt (OLG Düsseldorf, Urt. v. 17.8.2001 – 22 U 26/01).
Und gewisse Lärmbelästigungen bei Karnevalsveranstaltungen sind – auch auf öffentlichen Plätzen – hinzunehmen, meinte das VG Köln (Beschl. v. 10.2.2012 – 13 L 139/12) und bestätigte damit die Ausnahmegenehmigung der Stadt Lohmar vom Landesimmissionsschutzgesetz.
Doch Karneval ist auch ein Geschäft: Redner und Musikgruppen leben oft von den wenigen Wochen im Jahr. Das OLG Köln (Urt. v. 28.5.2010 – 6 U 9/10) entschied, dass der Werbeslogan "Karneval ohne Kostüme ist wie Bläck ohne Fööss" ohne die Einwilligung der Kölner Band eine unbefugte Werbung mit der Ausnutzung eines bekannten Namens darstellt. Und den Verkauf (nicht das Verschenken) von Karnevalsorden durch einen Karnevalsverein sieht das FG Köln als gewerbliche Tätigkeit an, die zu steuerpflichtigen Umsätzen führt (Urt. v. 18.4.2012 – 13 K 1075/08). Veranstaltet ein gemeinnütziger Karnevalsverein in der Woche zwischen Weiberfastnacht und Aschermittwoch eine Kostüm- und Tanzparty mit typischer Karnevalsmusik, karnevalistischen Tanzdarbietungen und weiteren Elementen klassischer Karnevalssitzungen, so handelt es sich um einen sog. Zweckbetrieb zur Förderung des "traditionellen Brauchtums". Die Gewinne aus diesen Veranstaltungen sind von der Körperschaftsteuer befreit. Für die Umsätze ist nur der ermäßigte Umsatzsteuersatz von 7 % zu zahlen, entschied das FG Köln (Urt. v. 20.8.2015 – 10 K 3553/13).
Wer beschließt, in einem Dreigestirn oder als Karnevalsprinz aktiv zu sein, muss die meisten Kosten seiner Regentschaft selber tragen. Das entsprechende Festkomitee ist nicht verpflichtet, seiner "Tollität" eine Spendenquittung auszustellen (LG Bonn, Urt. v. 1.2.2011 – 8 S 248/10).
Eindeutig ist die Rechtsprechung zu Verletzungen durch "Wurfmaterial" während der Karnevalsumzüge. Wer sich an einen Zugweg, bei dem mit Gegenständen – von der Kamelle bis zur Pralinenschachtel – geworfen wird, in "Wurfweite" positioniert, muss sowohl damit rechnen, dass ihn ein solches "Wurfgeschoss" einmal unangenehm hart treffen, als auch – im unglücklichsten Fall – verletzen kann. In dieses Risiko willigt der Betreffende durch sein Zuschauen ein. Dies gilt nicht nur für die üblichen Kamelle, die – wie in einem Fall des LG Trier – bei einem Zuschauer zum Verlust eines Zahnes führten (Urt. v. 7.2.1995 – 1 S 150/94), sondern auch – so das AG Aachen (Urt. v. 10.11.2005 – 13 C 250/05) – für eine Pralinenschachtel, die eine Platzwunde verursachte. Auch eine Augenverletzung durch eine 17 Gramm leichte Schokowaffel führt – so das AG Köln (Urt. v. 7.1.2011 – 123 C 254/10) – nicht zu einer Haftung der Zugverantwortlichen. Gleiches gilt für eine geworfene Tulpe, so das AG Eschweiler (Urt. v. 3.1.1986 – 6 C 599/85), wobei es aus der Sicht des Gerichts keine Rolle spielte, ob die Tulpe "steif gefroren" (so der Kläger) oder eher "schlapp und welk" (so der Bekl...