I. Vorbemerkung
Der deutsche Zivilprozess ist auf Streitigkeiten zwischen zwei Parteien (oder zwei Gruppen) angelegt. Hat eine der Parteien eine Streitigkeit mit einem Dritten, der nicht zur gegnerischen Gruppe gehört, muss grundsätzlich ein gesonderter Prozess geführt werden. Dies gilt auch dann, wenn es eigentlich um dieselbe Sache geht. Ausnahmen hierzu bilden die sog. Drittwiderklagen. Sie umfassen (Wider-)Klagen gegen Dritte bzw. Klagen Dritter gegen den Kläger. Erstere können als sog. streitgenössische (oder parteierweiternde) Drittwiderklagen oder als isolierte Drittwiderklagen vorkommen. Dabei stellt die streitgenössische Drittwiderklage eine Verschmelzung einer Streitgenossenschaft mit einer Widerklage dar. Als Vorteil einer Drittwiderklage gilt, dass die Gerichts- und Anwaltskosten wegen der Degression der Streitwerte geringer sind als bei der Einreichung von zwei getrennten Verfahren. Außerdem können Beweise im selben Verfahren eingebracht und somit widerstreitende Entscheidungen vermieden werden.
II. Streitgenössische Drittwiderklage
Die Rechtsfigur der streitgenössischen Drittwiderklage ist allgemein anerkannt. Allerdings sind die konkreten Voraussetzungen teilweise streitig. Während die Literatur bei der Zulässigkeit allein auf §§ 59, 60 ZPO abstellt, müssen nach der Rechtsprechung zusätzlich dazu die Anforderungen des § 33 ZPO (besonderer Gerichtsstand der Widerklage) erfüllt sein. Auch muss die Drittwiderklage sachdienlich sein bzw. der Widerbeklagte muss in die Änderung einwilligen (vgl. § 263 ZPO). Damit ergeben sich nachfolgende Voraussetzungen:
1. Voraussetzungen
Die streitgenössische Drittwiderklage ist zulässig, wenn neben den Voraussetzungen der Widerklage gegen den Kläger die Voraussetzungen der Streitgenossenschaft und der nachträglichen Parteierweiterung gegeben sind. Die Erhebung der Widerklage setzt ihrerseits grundsätzlich voraus, dass die Widerklage in der 1. Instanz anhängig gemacht wird.
Hinweis:
Eine Erhebung in der Berufungsinstanz ist gem. § 530 ZPO nur bei Zustimmung oder Sachdienlichkeit möglich. In der Revisionsinstanz ist die Erhebung einer Widerklage gem. § 561 ZPO grundsätzlich unzulässig.
Es muss weiterhin eine Rechtsgemeinschaft hinsichtlich des Streitgegenstands oder der Berechtigung oder Verpflichtung aus demselben tatsächlichen und rechtlichen Grund (§ 59 ZPO) gegeben sein. Zudem müssen gleichartige und auf einem im Wesentlichen gleichartigen tatsächlichen und rechtlichen Grund beruhende Ansprüche oder Verpflichtungen den Gegenstand des Rechtsstreits bilden (§ 60 ZPO). Bei Vorliegen dieser Voraussetzungen ist auch die nötige Konnexität gegeben.
a) Besonderer Gerichtsstand (§ 33 ZPO)
aa) Rechtsprechung: Konnexität
Konnexität i.S.v. § 33 ZPO stellt eine besondere Sachurteilsvoraussetzung dar: Sie fordert, dass sich Anspruch und Gegenanspruch aus demselben rechtlichen Verhältnis ergeben und ihnen ein innerlich zusammengehörendes Lebensverhältnis zugrunde liegt. Es muss also ein Zusammenhang mit dem Streitgegenstand der Klage oder mit den Verteidigungsmitteln bestehen. Wenn zwischen Klage und (Dritt-)Widerklage ein innerlich zusammengehöriges einheitliches Lebensverhältnis besteht, das es als gegen Treu und Glauben verstoßend erscheinen ließe, wenn der eine Anspruch ohne Rücksicht auf den anderen geltend gemacht und verwirklicht werden könnte, liegt Konnexität vor (vgl. BGHZ 47, 164 zum Zurückbehaltungsrecht).
Bei fehlender Konnexität ist die (Dritt-)Widerklage nach herrschender Rechtsprechung unzulässig (BGH NJW 1964, 44, 45; NJW 1975, 1228).
Praxishinweis:
Die Konnexität kann auch daraus folgen, dass sich der erforderliche Zusammenhang aus dem Verteidigungsvorbringen des Beklagten ergibt, etwa aus einer Aufrechnung. Fehlende Konnexität bei Vorliegen der örtlichen Zuständigkeit wird gem. § 295 Abs. 1 ZPO durch rügelose Einlassung des (Dritt-)Widerbeklagten geheilt.
bb) Literatur: örtliche Zuständigkeit
Nach überwiegender Auffassung in der Lehre betrifft die Vorschrift des § 33 ZPO (nur) die örtliche Zuständigkeit des angerufenen Gerichts; sie soll nicht die besondere Zulässigkeitsvoraussetzung des Sachzusammenhangs regeln (Stein/Jonas/Roth, § 33 Rn 2, 13; MüKo-ZPO/Patzine, 5. Aufl. 2016, Bd. 1, § 33 Rn 2; Zöller/Vollkommer, ZPO, 31. Aufl. 2016, § 33 Rn 3). Besteht kein Sachzusammenhang i.S.v. § 33 Abs. 1 ZPO, kann der Zuständigkeitsmangel durch rügelose Einlassung gem. § 39 ZPO geheilt werden (Musielak/Voit/Heinrich, ZPO, 13. Aufl. 2016, § 33 Rn 3). Danach ist die inkonnexe (Dritt-)Widerklage nur dann unzulässig, wenn sie an einem örtlich unzuständigen Gericht erhoben wird (Smid/Hartmann, in: Wieczorek/Schütze, ZPO, 4. Aufl. 2015, § 33 Rn 4).
Hinweis:
Der Unterschied beider Meinungen zu § 33 ZPO ist in der Praxis nicht sehr bedeutsam. Einerseits wird der Zulässigkeitsmangel, der sich auf Grundlage der Meinung der Rechtsprechung bei Erhebung einer nicht konnexen Widerklage ergibt, als heilbar angesehen (§ 295 ZPO); andererseits wird nach der Literatur § 39 ZPO angewandt (MüKo-ZPO/Patzine, a.a.O., § 33 Rn 2).
b) Örtliche Zuständigkeit
Die örtliche Zuständigkeit ergibt sich entweder
- aus dem Vorliegen eines allgemeinen oder besonderen Gerichtsstands des Drittwiderbeklagten bei dem G...