I. Kindschaftsrecht und Elternschaft
1. Elterliche Sorge
a) Entzug des Sorgerechts gem. § 1666 BGB
Eine räumliche Trennung des Kindes von seinen Eltern gegen deren Willen stellt den stärksten Eingriff in das Elterngrundrecht dar, der nur unter strikter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes erfolgen darf. Art. 6 Abs. 3 GG erlaubt diesen Eingriff nur unter der strengen Voraussetzung, dass das elterliche Fehlverhalten ein solches Ausmaß erreicht, dass das Kind bei den Eltern in seinem körperlichen geistigen oder seelischen Wohl nachhaltig gefährdet wäre. Eine solche Gefährdung des Kindes ist dann anzunehmen, wenn bei ihm ein Schaden eingetreten ist oder sich eine erhebliche Gefährdung mit ziemlicher Sicherheit voraussehen lässt (vgl. BVerfG FamRZ 1982,567; 2014, 1435; 2015, 112 2017, 425).
Das BVerfG (FamRZ 2018, 1084 m. Anm. Socha = FuR 2018, 414 m. Hinw. Soyka = FamRB 2018, 310 m. Hinw. Giers) stellt klar, dass bei Anordnung der Trennung eines Kindes von den Eltern die hierzu erforderliche Kindeswohlgefährdung hinreichend dargelegt ist, wenn bei dem betroffenen Kind erhebliche, typischerweise aus verschiedenen Formen der Vernachlässigung resultierende Schäden aufgezeigt werden. Wenn bereits hinreichende Anhaltspunkte für das Vorliegen einer gegenwärtigen nur durch einen vorläufigen Sorgerechtsentzug abwendbaren Kindeswohlgefährdung bestehen, können Gerichte im Eilverfahren entscheiden, ohne zuvor ein Sachverständigengutachten und weitere ärztliche Stellungnahmen einzuholen.
b) Bestellung des Vormunds bei Sorgerechtsentzug
Ist die Trennung eines Kindes von den Eltern wegen Gefährdung des Kindeswohls durch unzureichende Pflege und Erziehung gegeben, ist auch die Auswahl des Vormunds gem. § 1779 BGB am grundrechtlichen Schutzanspruch des Kindes zu messen. Durch die Bestellung eines ungeeigneten Vormunds wird der Staat diesem Anspruch nicht gerecht (BVerfG FamRZ 2018, 1092).
Hinweis:
Wenn Mutter und Kind die sich als Einzelvormund anbietende Person ablehnen, ist es verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, wenn das Familiengericht einen Amtsv- anstelle eines Einzelvormunds auswählt.
c) Veröffentlichung von Kinderfotos
Nach § 1687 Abs. 1 S. 1 BGB ist bei Ausübung des gemeinsamen Sorgerechts getrenntlebender Eltern in Angelegenheiten von erheblicher Bedeutung das gegenseitige Einvernehmen erforderlich. Hierzu zählt nach einer Entscheidung des OLG Oldenburg (FamRZ 2018, 1517 = NJW 2018, 3261 = FuR 2018, 477 m. Hinw. Seier = FamRB 2018, 479 m. Hinw. Clausius) die Veröffentlichung des Fotos des Kindes auf einer kommerziellen Zwecken dienenden Internetseite. Angelegenheiten von erheblicher Bedeutung sind in Abgrenzung zu Angelegenheiten des täglichen Lebens solche, die in aller Regel erhebliche Auswirkungen auf die Entwicklung des Kindes haben können und in ihren Folgen nur mit einigem Aufwand zu beseitigen sind, zu beachten ist hierbei die soziale Bedeutung des Entscheidungsgegenstands.
d) Übertragung der Entscheidungsbefugnis in Einzelangelegenheiten
Gemäß § 1628 BGB ist auf Antrag einem Elternteil die Entscheidung in einer einzelnen Angelegenheit zu übertragen, wenn die Kindeseltern sich nicht einigen können. Der Eingriff in die gemeinsame elterliche Sorge ist begrenzt. Das Gericht entscheidet nicht selbst über die Angelegenheit, sondern überträgt die Entscheidung dem Elternteil, der unter Berücksichtigung der tatsächlichen Gegebenheiten und Möglichkeiten am ehesten geeignet ist, eine am Kindeswohl ausgerichtete Entscheidung zu treffen (vgl. BVerfG FamRZ 2003, 511; BGH FamRZ 2017, 1057).
Hinweis:
Wenn eine Bewahrung des gegenwärtigen Zustands als die bessere Konfliktlösung erscheint, genügt es, den Antrag zurückzuweisen (BGH FamRZ 2018, 1512 = NJW 2018, 2962).
aa) Besuch eines Kindergartens
Das OLG Hamm (NJW 2018, 3031) hat bei einer fehlenden Einigungsbereitschaft der Eltern über den Besuch des Kindergartens unter Abwägung der Umstände des Einzelfalls der Mutter die Entscheidungsbefugnis übertragen. Das Kind besuchte entsprechend der erstinstanzlichen Entscheidung bereits über ein Jahr den von der Mutter gewählten Kindergarten. Hinsichtlich der von den Kindeseltern jeweils bevorzugten Kindergärten ergab sich für das Gericht keine Präferenz. Der vom Vater gewünschte Kindergarten lag zwar örtlich günstiger, jedoch wurde als entscheidend erachtet, dass der Wechsel eines Kindergartens nach Eingewöhnung des Kindes in einen Kindergarten regelmäßig nicht dem Kindeswohl entspricht.
bb) Beauftragung eines Rechtsanwalts im Kindschaftsverfahren
Der BGH (FamRZ 2018, 1512 = NJW 2018, 2962) hat den Antrag eines Elternteils, ihm die Entscheidungsbefugnis zur Beauftragung eines Rechtsanwalts für ein Umgangsverfahren zu übertragen, zurückgewiesen. Im Kindschaftsverfahren erfordert das Kindeswohl eine eigenständige Beauftragung eines Rechtsanwalts für das Kind nicht, wenn vom Familiengericht bereits ein Verfahrensbeistand bestellt worden ist, und dieser aufgrund der ihm zustehenden Befugnisse in der Lage ist, die Rechte und Interessen des Kindes geltend zu machen. Das Kindeswohl ist im Verfahren vor dem Hintergrund des Konflikts der Eltern durch einen geeigneten Verfahrensbeistand besser gewährleistet, so dass das Familiengericht im Rahmen von § 1628 BGB den bestehenden Zustand belassen kann.
e) Wechselmodell
Die paritätische Betreuung eines Kindes getrennt lebender Elternteile stell...