Die außergerichtliche Regulierung eines Verkehrsunfallschadens nimmt in der anwaltlichen Praxis – je nach Zuschnitt der Anwaltskanzlei – einen großen Raum ein. Deshalb sollen nachfolgend die Grundsätze für den Anfall der hierdurch ausgelösten Anwaltsvergütung und für deren Erstattungsfähigkeit nach materiellem Recht wiedergegeben werden.
1. Anwaltsvergütung
Welche Vergütung der mit der außergerichtlichen Schadensregulierung beauftragte Anwalt gegenüber seinem Mandanten abrechnen kann, richtet sich nach dem ihm erteilten Auftrag.
a) Vertretungsauftrag
Im Regelfall wird dies ein auf außergerichtliche Anwaltstätigkeit gerichteter Vertretungsauftrag sein, sodass die Vergütung nach Teil 2 Abschnitt 3 VV RVG abzurechnen ist und dem Anwalt dann eine Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 VV RVG anfällt.
Bei einem durchschnittlichen Verkehrsunfall ist die Berechnung einer 1,3 Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 VV RVG nicht unbillig. Diese Schwellengebühr ist nämlich die Regelgebühr für durchschnittliche Fälle (BGH RVGreport 2013, 185 [Hansens] = zfs 2013, 288 mit Anm. Hansens = AGS 2013, 111). Im Durchschnittsfall kann der Rechtsanwalt diese Schwellengebühr nicht mit der Begründung auf eine 1,5 Geschäftsgebühr anheben, eine Überprüfung seiner Gebührenbestimmung sei nicht zulässig, weil er sich mit der Überschreitung der Regelgebühr noch innerhalb der üblicherweise einzuräumenden Toleranzgrenze von 20 % befinde (BGH a.a.O.; BGH RVGreport 2012, 375 [Ders.] = zfs 2012, 584 mit Anm. Hansens = AGS 2012, 373; a.A. noch BGH RVGreport 2011, 136 [Ders.] = zfs 2011, 465 mit Anm. Hansens = AGS 2011, 120 mit Anm. Schons; s. auch Hansens AnwBl 2011, 567).
b) Unbedingter Prozessauftrag
Der Mandant kann seinem Rechtsanwalt aber auch einen unbedingten Prozessauftrag mit der Maßgabe erteilen, zunächst eine außergerichtliche Verkehrsunfallschadensregulierung zu versuchen. In diesem Fall berechnen sich die Anwaltsgebühren ausweislich der Vorbem. 3 Abs. 1 S. 1 VV RVG nach Teil 3 VV RVG. Der Rechtsanwalt erhält also auch dann, wenn er auf einen solchen Auftrag hin kein gerichtliches Verfahren betreibt, eine 0,8 Verfahrensgebühr nach Nr. 3101 Nr. 1 VV RVG. Führt der Anwalt daneben Besprechungen zur Vermeidung des gerichtlichen Verfahrens, kann ihm nach Vorbem. 3 Abs. 3 S. 3 Nr. 2 VV RVG daneben noch die 1,2 Terminsgebühr nach Nr. 3104 VV RVG anfallen.
2. Gegenstandswert
Der für die Abrechnung mit dem Mandanten maßgebliche Gegenstandswert bestimmt sich danach, welche Ansprüche der Anwalt für seinen Mandanten geltend machen bzw. abwehren soll. Dieser Gegenstandswert ist meist geringer als der für die Kostenerstattung maßgebliche Gegenstandswert (s. unter II 5).
3. Materiell-rechtlicher Kostenerstattungsanspruch
Nach der ständigen Rechtsprechung des BGH umfasst der dem Geschädigten gem. § 249 Abs. 2 S. 1 BGB zustehende Schadensersatzanspruch aus einem Verkehrsunfall grds. auch den Ersatz der durch das Schadensereignis erforderlich gewordenen Rechtsverfolgungskosten (BGH RVGreport 2017, 424 [Hansens] = zfs 2017, 646 mit Anm. Hansens = AGS 2017, 365; BGH RVGreport 2006, 236 [Ders.] = zfs 2006, 448 = AGS 2006, 256; BGH NJW 2005, 1112; BGH RVGreport 2015, 384 [Ders.] = zfs 2015, 585 mit Anm. Hansens = AGS 2015, 514; BGH RVGreport 2020, 65 [Ders.]). Dabei hat der Schädiger allerdings nicht schlechthin alle durch das Schadensereignis adäquat verursachten Rechtsanwaltskosten zu ersetzen, sondern nur diejenigen, die aus Sicht des Geschädigten zur Wahrnehmung seiner Rechte erforderlich und zweckmäßig waren. Dabei ist nach der Rechtsprechung des BGH nach dem Grundsatz der subjektbezogenen Schadensbetrachtung auch Rücksicht auf die spezielle Situation des Geschädigten zu nehmen (BGH RVGreport 2012, 305 [Hansens] = AGS 2012, 595; BGH RVGreport 2020, 65 [Ders.]).
An die Voraussetzungen des materiell-rechtlichen Kostenerstattungsanspruchs sind keine überzogenen Anforderungen zu stellen. Vielmehr kommt es darauf an, wie sich die voraussichtliche Abwicklung des Schadensfalls aus der Sicht des Geschädigten darstellt. Die sich hieraus ergebenden Auswirkungen hat der BGH in seinem Urt. v. 29.10.2019 (RVGreport 2020, 65 [Ders.]) zusammengefasst.
a) Einfach gelagerte Fälle
In einfach gelagerten Fällen kann der Geschädigte nach Auffassung des BGH den Schaden grds. selbst geltend machen. In einem solchen Fall sei die sofortige Einschaltung eines Rechtsanwalts nur unter besonderen Voraussetzungen als erforderlich anzusehen. Dies kann gegeben sein, wenn der Geschädigte aus Mangel an geschäftlicher Gewandtheit oder aus sonstigen Gründen wie Krankheit oder Abwesenheit nicht in der Lage ist, den Schaden selbst anzumelden (BGH RVGreport 2007, 470 [Hansens] = AnwBl 2007, 547; BGH RVGreport 2015, 384 [Ders.] = zfs 2015, 585 mit Anm. Hansens = AGS 2015, 541). Ein einfacher Fall kann nach Auffassung des BGH dann vorliegen, wenn die Verantwortlichkeit für den Schaden und damit die Haftung von vornherein nach Grund und Höhe derartig klar ist, dass aus Sicht des Geschädigten kein vernünftiger Zweifel daran bestehen kann, dass der Schädiger oder dessen Haftpflichtversicherer ohne Weiteres seiner Ersatzpflicht nachkommen kann. In diesen Fällen sei die Hinzuziehung ei...