a) Allgemeines
§ 25 Abs. 1 S. 1 StPO a.F. sah bislang vor, dass Befangenheitsanträge, deren Gründe vor oder bis zu Beginn der Hauptverhandlung entstanden und bekannt geworden waren, erst bis zum Beginn der Vernehmung des ersten Angeklagten über seine persönlichen Verhältnisse gestellt werden mussten. Eine Pflicht, bereits bekannte Ablehnungsgesuche unverzüglich schon vor Beginn der Hauptverhandlung anzubringen, bestand nicht. Das ist für einige Verfahren geändert worden.
b) Sachlicher Anwendungsbereich
Die neue Regelung in § 25 Abs. 1 S. 2 StPO sieht vor, dass in Verfahren, in denen die Besetzung nach § 222a Abs. 1 S. 2 StPO vor Beginn der Hauptverhandlung mitgeteilt worden ist, Befangenheitsgründe, die dem Ablehnungsberechtigten vor Beginn der Hauptverhandlung bekannt geworden sind, nunmehr unverzüglich anzubringen sind.
Hinweise:
Da die sog. Besetzungsmitteilung nach § 222a StPO nur in erstinstanzlichen Verfahren vor dem LG und dem OLG erforderlich ist, gilt dieser frühzeitige Ablehnungszeitpunkt also grds. nur für dieses Verfahren. In allen anderen Verfahren, z.B. beim AG, bleibt es also bei der Regelung des § 25 Abs. 1 S. 1 StPO (dazu Burhoff, Handbuch für die strafrechtliche Hauptverhandlung, 9. Aufl. 2019, Rn 160 ff. [im Folgenden kurz: Burhoff, HV]).
Für die Unverzüglichkeit i.e.S. (§ 121 BGB) haben sich keine Änderungen ergeben. Es gilt das bei Burhoff, HV, Rn 168 ff. m.w.N. Ausgeführte weiterhin.
c) "Unverzüglichkeitsfrist"
Nach der Gesetzesbegründung (vgl. dazu BT-Drucks 19/14747, S. 22) beginnt die Frist für die unverzügliche Anbringung mit Zustellung der Besetzungsmitteilung des § 222a StPO an den jeweiligen Ablehnungsberechtigten.
Hinweis:
Das bedeutet, dass der Verteidiger ab Erhalt der Besetzungsmitteilung nach § 222a StPO nun nicht mehr nur die ordnungsgemäße Besetzung des Gerichts prüfen muss, sondern auch (frühzeitig), ob bei Gerichtsmitgliedern ggf. Befangenheitsgründe vorliegen. Ein "Vorhaben", das für auswärtige Verteidiger, wenn überhaupt, nur schwer zu erfüllen/erledigen sein wird.
Auf dieser Grundlage ergibt sich folgende Stufenfolge für einen Ablehnungsantrag (so auch BT-Drucks 19/14747, S. 22):
- Stufe 1: War der Befangenheitsgrund gegen den Richter vor Mitteilung der Besetzung bekannt, ist das Befangenheitsgesuch unverzüglich nach Zustellung der Besetzungsmitteilung anzubringen. Denn dann steht fest, dass der potenziell befangene Richter mit dem Verfahren befasst ist. Zuwarten mit der Ablehnung ist nicht möglich (vgl. dazu BT-Drucks 19/14747, S. 22).
- Stufe 2: Ist der potenzielle Befangenheitsgrund erst aus Anlass der Überprüfung der Besetzung innerhalb der Wochenfrist für die Besetzungsrüge bekannt geworden, muss das Befangenheitsgesuch unverzüglich gestellt werden, und zwar (auch) "entweder innerhalb der Wochenfrist oder jedenfalls sehr kurzfristig nach deren Ablauf" (vgl. dazu BT-Drucks 19/14747, S. 22).
- Stufe 3: Entsteht der Befangenheitsgrund gegen einen Richter erst nach dem Ablauf der Wochenfrist des § 222b Abs. 1 S. 1 StPO oder wird er erst danach bekannt, muss das Befangenheitsgesuch ebenfalls unverzüglich angebracht werden. § 25 Abs. 2 S. 1 StPO formuliert ausdrücklich mit "Im Übrigen...". Das bedeutet, dass regelmäßig nicht bis zum Beginn der Hauptverhandlung gewartet werden darf (vgl. dazu BT-Drucks 19/14747, S. 22).
Hinweis:
Durch eine Ergänzung in § 26 Abs. 2 S. 1 StPO ist klargestellt, dass – ebenso wie bei den unverzüglich anzubringenden Gesuchen nach § 25 Abs. 2 StPO – bei den unverzüglich anzubringenden Befangenheitsgesuchen im Fall der Mitteilung der Besetzung nach § 222a Abs. 1 S. 2 StPO, die § 25 Abs. 1 S. 2 StPO jetzt vorsieht, die Voraussetzungen des rechtzeitigen Vorbringens, also die "Unverzüglichkeit", glaubhaft zu machen sind.