a) Allgemeines
Das Regelungsgefüge des Ablehnungsverfahrens in § 29 StPO ist grundlegend geändert worden. § 29 enthält jetzt folgende Regelungen (wegen der Einzelh. s. II 3 b ff.):
b) Grundsatz: Keine aufschiebbaren Handlungen (§ 29 Abs. 1 StPO)
In § 29 Abs. 1 StPO ist ausdrücklich normiert, dass – wie früher schon in § 29 Abs. 1 S. 1 StPO – dem abgelehnten Richter die Vornahme aufschiebbarer Handlungen verboten ist. Das ist in Übereinstimmung mit dem früheren Recht auch weiterhin verboten. An der Begrifflichkeit "unaufschiebbare Handlung" hat sich durch die Änderungen nichts geändert. Gemeint sind solche Handlungen, die wegen ihrer Dringlichkeit nicht warten können (BGHSt 48, 264; BGH NStZ 2002, 429; Burhoff, HV, Rn 142 m.w.N.).
Hinweis:
Zum alten Recht bestand Streit, ob die Teilnahme des Richters an und/oder der Beginn der Hauptverhandlung "unaufschiebbar" war (Burhoff, HV, Rn 142 f. m.w.N.). Diese Streitfrage hat sich durch die Neuregelung erledigt. Denn in § 29 Abs. 2 S. 1 StPO ist jetzt ausdrücklich bestimmt, dass die Durchführung der Hauptverhandlung keinen Aufschub gestattet und sie bis zur Entscheidung über das Ablehnungsgesuch unter Mitwirkung des abgelehnten Richters stattfindet (vgl. sogleich II 3 c).
Diese Regelung gilt für alle Ablehnungsanträge. Es wird nicht mehr zwischen solchen in der Hauptverhandlung und solchen, die kurz vor der Hauptverhandlung gestellt worden sind (vgl. § 29 Abs. 1 S. 2 StPO a.F. [dazu Burhoff, HV, Rn 147 f. m.w.N.]), unterschieden (BT-Drucks 19/14747, S. 23).
c) Teilnahme des abgelehnten Richters an der Hauptverhandlung (§ 29 Abs. 2 StPO)
In § 29 Abs. 2 S. 1 StPO ist jetzt die ausdrückliche Regelung enthalten, dass die richterliche Teilnahme an der Hauptverhandlung als unaufschiebbar gilt und der abgelehnte Richter an ihr zunächst – bis zur Entscheidung über das Ablehnungsgesuch – ohne Einschränkungen mitwirken darf. Die Geltung dieser (Neu-)Regelung ist unbeschränkt. Sie gilt also für die Mitwirkung des abgelehnten Richters an der Hauptverhandlung unabhängig davon, ob diese im Zeitpunkt der Anbringung des Ablehnungsgesuchs bereits begonnen hatte (vgl. dazu BT-Drucks 19/14747, S. 23). Damit erfasst sie insb. auch den im früheren Recht in § 29 Abs. 1 S. 2 StPO geregelten Fall, dass der Vorsitzende oder das Gericht bereits vor Beginn der Hauptverhandlung abgelehnt worden ist (Burhoff, HV, Rn 147 ff. m.w.N.).
Der Gesetzgeber geht mit der Neuregelung davon aus, dass die Durchführung der Hauptverhandlung grds. keinen Aufschub gestattet (BT-Drucks 19/14747, S. 23). Das dürfte dazu führen, dass auch Handlungen außerhalb der Hauptverhandlung, die unmittelbar der Förderung der Durchführung der Hauptverhandlung dienen, wie z.B. Ladung von Zeugen und/oder Sachverständigen, unaufschiebbar sind. Aus § 29 Abs. 2 S. 1 StPO folgt aber nicht, dass eine noch nicht anberaumte Hauptverhandlung zu terminieren oder eine bereits anberaumte, aber noch nicht begonnene Hauptverhandlung unter Mitwirkung des abgelehnten Richters tatsächlich durchzuführen ist.
Hinweis:
Die Entscheidung, auch in diesen Fällen eine/die Hauptverhandlung unter Mitwirkung des abgelehnten Richters durchzuführen, ist eine Maßnahme der Verhandlungsleitung des Vorsitzenden. Im Hinblick auf § 338 Abs. 8 StPO muss der Verteidiger diese Anordnung nach § 238 Abs. 2 StPO beanstanden.
§ 29 Abs. 2 S. 2 StPO regelt die Mitwirkung des abgelehnten Richters bei Entscheidungen außerhalb der Hauptverhandlung. Hier ist die bisherige Regelung aus § 29 Abs. 3 S. 3 StPO übernommen worden: Entscheidungen, die auch außerhalb der Hauptverhandlung ergehen können, dürfen weiterhin nur dann unter Mitwirkung des abgelehnten Richters getroffen werden, wenn sie keinen Aufschub gestatten.
Hinweis:
Für Handlungen eines abgelehnten Richters während einer Unterbrechung der Hauptverhandlung gilt § 29 Abs. 1 StPO unmittelbar (BT-Drucks 19/14747, S. 23). Er darf daran also nur mitwirken, wenn sie keinen Aufschub gestatten.
d) Entscheidungszeitpunkt (§ 29 Abs. 3 StPO)
Um ein ausgewogenes Verhältnis zwischen den prozessökonomischen Belangen der Öffentlichkeit einerseits und den schutzwürdigen Interessen des Ablehnungsberechtigten, insb. des Angeklagten, andererseits herzustellen, geht die StPO davon aus, dass das Gericht auch künftig so zügig wie möglich über das Ablehnungsgesuch entscheiden muss/soll (vgl. dazu BT-Drucks 19/14747, S. 24). Zuwarten mit der Entscheidung über einen Ablehnungsantrag ist also nicht erlaubt.
Im Übrigen gilt: In § 29 Abs. 3 S. 1 Hs. 2 StPO a.F. war vorgesehen, dass das Gericht bis zum Beginn des übernächsten Verhandlungstags über den Befangenheitsantrag entschieden haben musste (Burhoff, HV, Rn 125 ff.). Hier sieht § 29 Abs. 3 S. 1 StPO nun aber eine "mildere" Frist vor. Die Entscheidung über das Ablehnungsgesuch muss grds. spätestens vor Ablauf von zwei Wochen erfolgen. Eine Ausnahme von der Zweiwochenfrist ist in § 29 Abs. 3 S. 3 StPO enthalten. Danach kann – insoweit in Übereinstimmung mit dem früheren Recht – über das Ablehnungsgesuch auch noch am übernächsten Hauptverhandlungstag nach Fristbeginn entschieden werden (zur Begründung s. BT-Drucks 19/14747, S. 24).
Der Fristbeginn für die Entscheidung über das Ablehnungsgesuch ist in § 29 Abs...