Änderungen im Überblick:
- Normen: §§ 219, 244, 245 StPO
Regelungsgehalt:
- Legaldefinition des Begriffs des Beweisantrags
- Systematisierung der Ablehnungsgründe
- Neuregelung des Ablehnungsgrundes "Prozessverschleppung"
- Verteidigerstrategie: Antragstellung, Verfahrensrüge?
1. Neuregelung
Einige der wesentlichen Änderungen sind durch das Gesetz im Beweisantragsrecht in den §§ 219, 244, 245 StPO vorgenommen worden. Mit diesen Änderungen hat der Gesetzgeber nicht nur das Beweisantragsrecht insgesamt systematisiert, sondern es soll Gerichten der Umgang mit missbräuchlich gestellten Beweisanträgen erleichtert werden; gerade diese Änderungen sollen der Verfahrensvereinfachung und Verfahrensbeschleunigung dienen (vgl. dazu BT-Drucks 19/14747, S. 16 ff.).
Hinweis:
Diese Änderungen gelten über § 71 OWiG auch im Bußgeldverfahren.
Das Gesetz hat folgende Änderungen vorgenommen:
Hinweis:
Weitere Änderungen sind nicht erfolgt. Insbesondere sind § 244 Abs. 4 und 5 StPO und die bisherige Regelung der Fristsetzung in § 244 Abs. 6 StPO unberührt geblieben (vgl. dazu Burhoff, HV, Rn 1081 ff., 2656 ff., jeweils m.w.N).
2. Legaldefinition des Begriffs des Beweisantrags (§ 244 Abs. 3 S. 1 StPO)
a) Übernahme der Rechtsprechung des BGH
In § 244 Abs. 3 S. 1 StPO ist nun der bislang gesetzlich nicht geregelte Begriff des Beweisantrags legal bestimmt worden. Dabei ist weitgehend die in der Rechtsprechung des BGH entwickelte Begriffsbestimmung übernommen worden (vgl. Burhoff, HV, Rn 958 m.w.N.).
Hinweis:
§ 244 Abs. 3 S. 1 StPO definiert den Beweisantrag jetzt wie folgt:
"Ein Beweisantrag liegt vor, wenn der Antragsteller ernsthaft verlangt, Beweis über eine bestimmt behauptete konkrete Tatsache, die die Schuld- oder Rechtsfolgenfrage betrifft, durch ein bestimmt bezeichnetes Beweismittel zu erheben und dem Antrag zu entnehmen ist, weshalb das bezeichnete Beweismittel die behauptete Tatsache belegen können soll."
Wegen der Einzelheiten zu diesen Voraussetzungen kann – wegen der Übernahme der Rechtsprechung des BGH – verwiesen werden auf Burhoff, HV, 958 ff., und zum Inhalt eines Beweisantrags auf Burhoff, HV, Rn 1113 ff.
b) Sog. Konnexität
Die Rechtsprechung des BGH hatte bislang nicht geklärt, ob für die Annahme eines Beweisantrags das Vorliegen einer bestimmten Beweisbehauptung/Beweistatsache und das Beweismittel ausreichen oder ob ggf. noch eine dritte Voraussetzung erfüllt sein muss, nämlich die sog. Konnexität (dazu eingehend Burhoff, HV, Rn 1086 m.w.N. aus Rechtsprechung und Literatur): Gemeint ist damit, dass in den Fällen, in denen es sich nicht von selbst ergibt, der erforderliche Zusammenhang zwischen Beweismittel und Beweistatsache dargelegt werden muss (zur Kritik an dieser Rechtsprechung s. die Nachweise bei Burhoff, HV, Rn 1086 f.). Das Gesetz hat den insoweit bestehenden Streit beendet, indem es für die Annahme eines Beweisantrags verlangt, dass "dem Antrag zu entnehmen ist, weshalb das bezeichnete Beweismittel die behauptete Tatsache belegen können soll". Damit ist die Rechtsprechung des BGH zur sog. Konnexität an dieser Stelle übernommen worden.
Hinweis:
Das bedeutet bzw. hat für den Verteidiger in Zukunft zur Folge:
- Ein Beweisantrag muss den erforderlichen Zusammenhang ("Konnexität") zwischen Beweismittel und Beweistatsache erkennen lassen. In der Begründung des Beweisantrags muss also ein "nachvollziehbarer Grund" dafür angegeben werden, weshalb mit dem bezeichneten Beweismittel die Beweisbehauptung nachgewiesen werden kann.
- Der Verteidiger sollte die Konnexität aus "Gründen der Sicherheit" jetzt immer darlegen, um von vornherein kein "Einfallstor" für eine Ablehnung des Beweisantrags mit der (formellen) Begründung: Konnexität ist nicht dargelegt, zu bieten. Dem Beweisantrag muss also z.B. zu entnehmen sein, weshalb ein Zeuge die Beweisbehauptung aus eigener Wahrnehmung bestätigen können soll.
c) "Aufs Geratewohl" oder "ins Blaue hinein" gestellte Beweisanträge
Die Gesetzesbegründung (vgl. dazu BT-Drucks 19/14747, S. 34) führt im Zusammenhang mit der Einführung der Legaldefinition des Beweisantrags aus: "Ferner sollen Beweisbehauptungen ‘aufs Geratewohl’ oder ‘ins Blaue hinein’, denen es an der gebotenen Ernsthaftigkeit des Verlangens mangelt, von den Gerichten nach § 244 Abs. 3 S. 1 StPO-E nicht als Beweisanträge behandelt werden müssen." Was damit gemeint ist, ist unklar. Zutreffend ist, dass ein Beweisantrag nach der Rechtsprechung des BGH (u.a. NStZ 2011, 169 f. m.w.N.) die sichere Behauptung einer bestimmten Tatsache voraussetzt. Nach h.M. in der Rechtsprechung kann der Verteidiger aber auch dann einen Beweisantrag stellen, wenn er die von ihm behauptete Tatsache nur für möglich...