Gemäß § 11 Abs. 1 S. 1 RVG wird die gesetzliche Vergütung des Rechtsanwalts, soweit sie zu den Kosten des gerichtlichen Verfahrens gehört, auf Antrag des Rechtsanwalts oder des Auftraggebers durch das Gericht des ersten Rechtszuges festgesetzt. In der Praxis sind Vergütungsfestsetzungsanträge des Auftraggebers äußerst selten, sodass Gerichte und beteiligte Rechtsanwälte damit oft erhebliche Probleme haben. Noch viel seltener ist es, wenn die Rechtsschutzversicherung des Auftraggebers die Anwaltsvergütung gezahlt hat und sie dann – durch den Auftraggeber – das Vergütungsfestsetzungsverfahren gem. § 11 RVG betreibt. Das OLG Karlsruhe (RVGreport 2020, 456 [Hansens] = AGS 2020, 333) hat sich vor kurzem mit dieser Problematik befasst.

1. Fall des OLG Karlsruhe

Dem Kläger wurde sein Kfz während einer Urlaubsreise gestohlen. Der Kläger nahm deshalb die spätere Beklagte, seine Kaskoversicherung, in Anspruch. Diese lehnte mit Schreiben vom 13.11.2015 eine außergerichtliche Regulierung ab, da sie den Nachweis eines Diebstahls nicht als geführt angesehen hat. Hieraufhin beauftragte der Kläger die Anwaltskanzlei K mit der Wahrnehmung seiner Interessen. Kanzleiintern wurde das Mandat von Rechtsanwalt A bearbeitet. Dieser führte am 14.1.2016 ein Telefonat mit dem Mitarbeiter der Stuttgarter Niederlassung der Beklagten, F. In einem mehrere Minuten andauernden Gespräch legte Rechtsanwalt A dem Mitarbeiter die gegen die behauptete vorgetäuschte Entwendung des Fahrzeugs sprechenden Argumente und Indizien dar. Am Ende des Telefonats machte der Sachbearbeiter deutlich, dass die Beklagte bei ihrer ablehnenden Haltung bleibe und außergerichtlich keine Zahlung leisten werde. Zum Zeitpunkt dieses Telefonats hatte der Kläger der Anwaltskanzlei K bereits einen unbedingten Klageauftrag erteilt.

Unter dem 19.2.2016 erhob der durch die Anwaltskanzlei K vertretene Kläger beim LG Freiburg (Breisgau) gegen die Beklagte Klage auf Zahlung von rund 35.000 EUR nebst Zinsen und vorgerichtlichen Anwaltskosten. Nach Zustellung der Klage glich die Beklagte die Klageforderung vollständig aus und erkannte ihre Kostentragungspflicht an. Nach übereinstimmender Hauptsacheerledigungserklärung legte das LG Freiburg der Beklagten die Kosten des Rechtsstreits auf. Mit Kostenrechnungen vom 15.4.2016 rechnete die Anwaltskanzlei K die für die außergerichtliche Vertretung und im Rechtsstreit angefallenen Anwaltskosten wie folgt ab:

 
I. Außergerichtliche Vertretung  
1. 1,3 Geschäftsgebühr, Nr. 2300 VV RVG (Wert: 35.000 EUR) 1.219,40 EUR
2. Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV RVG 20,00 EUR
3. 19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV RVG + 235,49 EUR
  Summe: 1.474,89 EUR
II. Gerichtliche Vertretung  
1. 1,3 Verfahrensgebühr, Nr. 3100 VV RVG (Wert: 35.000 EUR) 1.219,40 EUR
  hiervon gem. Vorbem. 3 Abs. 4 S. 1 VV RVG anzurechnen 0,65 Geschäftsgebühr –609,70 EUR
  Rest: 609,70 EUR
2. 1,2 Terminsgebühr  
  Vorbem. 3 Abs. 3 Nr. 2, Nr. 3104 VV RVG (Wert: 35.000 EUR) 1.125,60 EUR
3. Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV RVG 20,00 EUR
4. 19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV RVG + 333,51 EUR
  Summe: 2.088,81 EUR
  insgesamt in beiden Angelegenheiten 3.563,70 EUR

In der Kostenberechnung wurden die Zahlungen der Rechtsschutzversicherung (RSV) des Klägers in Höhe des Nettobetrags von 2.994 EUR berücksichtigt.

Mit Kostenfestsetzungsantrag vom 27.4.2016 beantragte der vorsteuerabzugsberechtigte Kläger die Festsetzung der ihm entstandenen Kosten und zwar der Anwaltskosten zzgl. der gezahlten Gerichtskosten i.H.v. 441 EUR, insgesamt somit 2.196,30 EUR. Der Rechtspfleger des LG Freiburg setzte die Kosten antragsgemäß fest. Auf die sofortige Beschwerde der Beklagten hat das OLG Karlsruhe die Kosten ohne Berücksichtigung der beanspruchten Terminsgebühr auf nur 1.070,70 EUR festgesetzt.

In der Folgezeit weigerte sich die Anwaltskanzlei K, die Terminsgebühr an die Rechtsschutzversicherung des Klägers zurückzuzahlen. Hieraufhin schrieb Rechtsanwalt X den Kläger im Auftrag der Rechtsschutzversicherung an. Er erläuterte, die Rechtsschutzversicherung wolle die Frage der zutreffenden Abrechnung durch die Anwaltskanzlei K im Vergütungsfestsetzungsverfahren nach § 11 RVG bindend klären lassen. RA X wies den Kläger darauf hin, er sei aus dem Versicherungsverhältnis verpflichtet, an dem Vergütungsfestsetzungsverfahren mitzuwirken. Der Kläger sandte das beigefügte und vom ihm unterschriebene Vollmachtsformular mit dem Betreff "Vergütungsfestsetzung" an RA X zurück.

Unter dem 8.3.2019 beantragte RA X im Namen des Klägers, die der Anwaltskanzlei K für die Prozessvertretung angefallene Vergütung ohne Ansatz der beanspruchten Terminsgebühr gem. § 11 RVG festzusetzen. Die Anwaltskanzlei K ist dem Antrag entgegengetreten. Der Rechtspfleger des LG Freiburg setzte folgende Vergütung fest:

 
1. 1,3 Verfahrensgebühr, Nr. 3100 VV RVG (Wert: 35.000 EUR) 1.219,40 EUR
  gem. Vorbem. 3 Abs. 4 S. 1 VV RVG anzurechnen 0,65 Geschäftsgebühr –609,70 EUR
  Rest: 609,70 EUR
2. Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV RVG 20,00 EUR
3. 19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV RVG +119,64 ...

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