Eine Initiative, die sich eine Reform der juristischen Ausbildung auf die Fahnen geschrieben hat, hält den derzeitigen Studiengang für angehende Rechtswissenschaftler:innen samt dem sich anschließendem Referendariat für hoffnungslos veraltet. Sie hat daher jetzt eine Online-Abstimmung gestartet, an der Interessierte noch bis Mitte Juli teilnehmen können.
Die klassische Juristenausbildung habe sich seit mehr als 150 Jahren nicht wesentlich geändert, erläutert der Verein "Bündnis zur Reform der juristischen Ausbildung" die aktuelle Initiative. Der zweistufige Ausbildungsgang, bestehend aus Universitätsstudium und sich anschließender Referendarausbildung, bestehe noch heute in der schon 1869 in Preußen eingeführten Form. Einige leichte Anpassungen habe es zwar gegeben. So sei nach langjährigen Debatten in den 70er und 80er Jahren auf Grundlage einer "Experimentierklausel" die einstufige juristische Ausbildung eingeführt worden. Höhere Kosten und eine Auswertung, die keine klare Aussage enthielt, hätten jedoch dazu beigetragen, dass das Modell nach der Testphase nicht weiter angeboten wurde. Zuletzt sei 2003 der sog. Schwerpunktbereich eingeführt worden. Größere Reformen seien aber – trotz vieler Diskussionen – bislang nicht zustande gekommen.
Diese seien aber dringend nötig. Studierende litten unter dem Druck und der Stoffmenge, die immer größer werde. Zudem würde aus der Praxis bemängelt, dass das Studium hinter den Realitäten der Tätigkeiten von Juristen hinterherhinke. Ein weiteres Problem sei, dass das sog. rechtswissenschaftliche Studium selbst oft gar keinen Platz für echten wissenschaftlichen Diskurs habe und wissenschaftliches Arbeiten nur selten eine Rolle spiele.
Vorschläge, wie man die juristische Ausbildung in Zukunft gestalten könnte, gebe es allerdings genügend, erläutert der Verein. So habe er allein in den Veröffentlichungen nach dem Jahr 2000 mehr als 250 wissenschaftlich Beiträge ermittelt, die sich mit dem Thema beschäftigten. Es gebe Vorschläge von Professoren, Praktikern, studentischen Initiativen und Verbänden. Regelmäßig würden auch Umfragen durchgeführt, die die Probleme der angehenden Juristen aufzeigten. Passiert sei indes nicht viel. Die nach langen Diskussionen verabschiedete getrennte Ausweisung der Schwerpunktnote auf dem Zeugnis stehe exemplarisch für die nur kosmetischen Reformen, auf die man sich habe einigen können.
Die Initiative, die u.a. auch von Professoren und dem Deutschen Anwaltverein (DAV) unterstützt wird, will deshalb jetzt eine breite Reformdebatte anstoßen, indem sie 44 der ihrer Auffassung nach wichtigsten Reformvorschläge aus den vergangenen 20 Jahren online zur Abstimmung stellt. Auf der Webseite https://iurreform.de kann daran jeder teilnehmen, der einen "Bezug zur juristischen Ausbildung" aufweist. Hierfür sei es egal, so die Initiatoren, ob man das Studium abgebrochen habe, gegenwärtig promoviere, sich gerade auf das Examen vorbereite oder als Verfassungsrichter arbeite. Die Abstimmung hat am 17.1.2022 begonnen und soll sechs Monate, also bis zum 17.7.2022, andauern. Nach Angabe der Initiatoren soll die Teilnahme ungefähr 10–15 Minuten in Anspruch nehmen.
[Quelle: iurreform]