Das BVerfG hat die im Bremischen Hochschulzulassungsgesetz (BremHZG) vorgegebene Berechnung der Studienkapazitäten für verfassungsgemäß erklärt und damit zugleich dem OVG Bremen widersprochen, das eine Universität verpflichtet hatte, mehr Studierende aufzunehmen als nach dem Hochschulzulassungsgesetz vorgesehen. Dies verletzt laut BVerfG aber die Wissenschaftsfreiheit der Universität; es beeinträchtige sie nämlich in ihrer Gestaltungsfreiheit bei der Lehre und im Einsatz ihrer Ressourcen, so die Karlsruher Richter (BVerfG, Beschl. v. 7. 11.2022 – 1 BvR 655/17 u.a.).
Der Fall: Die betroffene Universität hatte sich mit Verfassungsbeschwerden gegen drei vom OVG Bremen im Eilverfahren gefasste Beschlüsse gewandt. Diese verpflichteten die Universität – im Unterschied zur Entscheidung der Vorinstanz –, Studienbewerber im Bachelorstudiengang Psychologie nach einem Losverfahren vorläufig zum Studium zuzulassen, weil ihre „Kapazitäten nicht erschöpft” seien, sie also mehr Studierende aufnehmen könne als geplant. Die Regelung des BremHZG, wonach die Kapazität sich an den konkret Lehrenden orientiere, sei nämlich verfassungswidrig. Die Zahl der Studienplätze sei aufgrund einer möglichen Berechnung nach der bremischen Kapazitätsverordnung (KapVO) höher als diejenige, die auf der Grundlage des BremHZG berechnet und vom Verwaltungsgericht bestätigt worden sei. Die Universität sah sich durch die Entscheidungen des OVG in ihrem Grundrecht auf Wissenschaftsfreiheit aus Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG verletzt.
Zu Recht, wie das BVerfG jetzt entschied. Das im BremHZG für die Berechnung von Studienplatzkapazitäten vorgegebene sog. konkrete Stellenprinzip stehe nicht im Widerspruch zum verfassungsrechtlichen Gebot der Kapazitätsausschöpfung, das wiederum die Interessen von Studieninteressierten, Studierenden und Lehrenden an den Hochschulen in Ausgleich bringe, befanden die Verfassungsrichter. Die jährliche Ausbildungskapazität nach § 2 Abs. 1 BremHZG berechne sich auf der Grundlage des Lehrangebots und des Ausbildungsaufwands des jeweiligen Studiengangs. Dieser Berechnung lägen objektive Kriterien zugrunde, die dazu beitrügen, Studieninteressierte fair an den Bildungschancen teilhaben zu lassen. Eine solche Kapazitätsberechnung nach dem konkreten Stellenprinzip sei mit dem verfassungsrechtlichen Gebot der erschöpfenden Kapazitätsberechnung vereinbar. Entgegen der Auffassung des OVG führe die Berechnung nach dem konkreten Stellenprinzip nicht zu einem Übergewicht der Forschungs- und Lehrfreiheit und der Ausbildungsbedürfnisse der bereits Studierenden zulasten der Studieninteressierten.
Der Anwendung der bremischen Kapazitätsverordnung, die die Ausbildungskapazitäten nach einem „abstrakten Stellenprinzip” berechnet und der das OVG im vorliegenden Fall Vorrang eingeräumt hatte, widersprachen die Karlsruher Richter. Vorrang habe das Hochschulzulassungsgesetz; die Kapazitätsverordnung, aufgrund derer sich rechnerisch mehr Stellen ergeben hätten, sei nicht unmittelbar anwendbar, sondern nur Ausgangspunkt weiterer Berechnungen. Durch die Nichtanwendung des Hochschulzulassungsgesetzes und die hierdurch ermöglichte Zulassung weiterer Studenten zum Studium habe das OVG daher im Ergebnis das in Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG verbriefte Grundrecht der Wissenschaftsfreiheit verletzt, das u.a. auch das Recht der Hochschule umfasse, über die organisatorische Sicherstellung von Lehrveranstaltungen zu entscheiden.
[Quelle: BVerfG]