Die Beschleunigung der großen Planungsvorhaben hatte die „Ampel-Koalition” bereits in ihrem Koalitionsvertrag als eines der wichtigen Vorhaben dieser Legislaturperiode hervorgehoben (vgl. auch Anwaltsmagazin ZAP 2021, 1230). Nun liegt ein entsprechender Gesetzentwurf vor (Entwurf eines Gesetzes zur Beschleunigung von verwaltungsgerichtlichen Verfahren im Infrastrukturbereich, vgl. BT-Drucks 20/5165). Damit will die Bundesregierung in Verwaltungsgerichtsverfahren zu bestimmten Infrastrukturvorhaben eine deutliche zeitliche Straffung insb. durch Änderungen in der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) erreichen. Bei der Expertenanhörung im Rechtsausschuss des Bundestags im Januar stießen die geplanten Neuregelungen aber auf teilweise vehemente Kritik.
So meldeten die Sachverständigen aus der Richterschaft grundsätzliche Zweifel an, ob sich im verwaltungsgerichtlichen Verfahren überhaupt noch eine relevante Beschleunigung erreichen lässt. Robert Seegmüller, Richter am Bundesverwaltungsgericht und Vorsitzender des Bundes Deutscher Verwaltungsrichter und Verwaltungsrichterinnen, führte in seiner Stellungnahme aus, dass in der Praxis weitestgehend Einigkeit darüber bestehe, dass die Möglichkeiten der Beschleunigung der verwaltungsgerichtlichen Verfahren nahezu ausgeschöpft seien. Die von der Bundesregierung vorgeschlagenen Änderungen führten – mit Ausnahme der Verkürzung des Instanzenwegs – „bestenfalls zu keiner Verzögerung der gerichtlichen Verfahren”, prognostizierte der Sachverständige. Ebenso sah es seine Kollegin Ulrike Bick, ebenfalls vom BVerwG. Das vom Gesetzentwurf formulierte Ziel sei insofern praxisfremd, als es die wahren Gründe für die erheblich zu lange Planungsdauer großer Infrastrukturprojekte ausblende, so Bick in ihrer schriftlichen Stellungnahme. Vielmehr bedürfe es einer besseren Ausstattung der Gerichte, insb. mehr Richter/Richterinnen und mehr wissenschaftliche Mitarbeitende.
Franziska Heß, Rechtsanwältin und stellvertretende Vorsitzende Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) Landesverband Sachsen, forderte die Abgeordneten sogar dazu auf, den Entwurf nicht weiter zu verfolgen. Die geplanten Regelungen seien nicht nur nicht hilfreich, sondern sogar schädlich, urteilte die Sachverständige. Positiver schätzte die Rechtsanwältin Prof. Ines Zenke das Vorhaben ein. Sie sah Potenzial in den geplanten Regelungen zur innerprozessualen Präklusion und Priorisierung: „Wenn man nicht losläuft, kommt man nicht an”, so die Sachverständige.
Unisono kritisch gesehen wurde von den Sachverständigen der im Entwurf vorgesehene frühere Erörterungstermin in Gerichtsverfahren zu besonders bedeutsamen Vorhaben. Bei zu priorisierenden Verfahren soll das Gericht danach innerhalb von zwei Monaten nach Eingang der Klageerwiderung einen Erörterungstermin einberufen, um eine gütliche Einigung zu erzielen bzw. eine Strukturierung des weiteren Verfahrens zu ermöglichen. Die Sachverständigen argumentierten, dass diese Regelung bei den Gerichten zu einem höheren Aufwand führen würde, ohne dass eine tatsächliche Beschleunigung zu erwarten sei. Weniger eindeutig fiel das Meinungsbild der Sachverständigen zu der vorgesehenen Einführung einer präklusionsbewehrten Klageerwiderungsfrist von zehn Wochen im Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz aus. Sehr kritisch äußerten sich hierzu v.a. die Sachverständigen aus der Richterschaft. Einer der geladenen Richter urteilte, die vorgeschlagene Regelung gehe „an der Praxis vorbei”. Sie zwinge die Beklagten zu einer kleinteiligen Erwiderung und führe zu weiterem Prüfungsaufwand bei Gericht. Zudem müsse dann, sollte ein Punkt nicht erwidert worden sein, eine eigentlich rechtmäßige Planung aufgrund der Präklusion für rechtswidrig erklärt werden.
Strittig wurde zudem die geplante Änderung zum Eilrechtsschutz in § 80c Abs. 2 VwGO diskutiert. Damit soll das Gericht bestimmte angegriffene Mängel an Verwaltungsakten außer Acht lassen können, wenn es davon ausgeht, dass der Mangel geheilt werden kann. In ihrer Stellungnahme verwies die Vertreterin des BUND auf europa- und verfassungsrechtliche Bedenken. Eine Richterin war der Auffassung, dass die Regelung überhaupt „keinen relevanten Anwendungsbereich” habe. Der Sachverständige Remo Klinger, Rechtsanwalt und Experte des Deutschen Anwaltvereins (DAV), erläuterte, dass nach seiner Einschätzung die Änderung gerade im Bereich der Windkraftanlagen „nach hinten losgehen” und den Ausbau der Windenergie in dieser Legislaturperiode sogar deutlich ausbremsen könnte. Andere Sachverständige schätzten diese Regelung zwar nicht so negativ ein, empfahlen jedoch eine Überarbeitung oder gingen davon aus, dass von ihr im Endeffekt kein spürbarer Beschleunigungseffekt ausgehen werde.
[Quelle: Bundestag]