(1) Sachrüge
Für die Begründung der Sachrüge ausreichend ist eine Formulierung, die etwa lautet: „Gerügt wird die Verletzung des sachlichen Rechts”. Die Anforderungen an diese Rüge sind damit gering, doch muss sie zumindest erhoben werden, und zwar möglichst ausdrücklich. Grundsätzlich ist es aber ausreichend, wenn ohne ausdrückliche Erhebung der Sachrüge die Ausführungen des Rechtsmittels erkennen lassen, dass der Beschwerdeführer das angefochtene Urteil wegen sachlich-rechtlicher Fehler überprüft sehen will (vgl. z.B. BGH NStZ-RR 2000, 294; OLG Bamberg zfs 2014, 55 = VRR 2013, 311; OLG Hamm VRS 100, 459). Entscheidend ist, dass der Rügewille erkennbar ist.
Der Betroffene muss die Sachrüge nicht im Einzelnen begründen. Doch können Ausführungen dazu, inwieweit und warum eine Verletzung des sachlichen Rechts vorliegt, nützlich sein. Für die Begründung muss sich der Verteidiger immer vor Augen führen, dass das Rechtsbeschwerdegericht für die Überprüfung auf die Sachrüge nur das Urteil oder den Beschluss zur Verfügung hat, ein Blick in die Akten ist ihm verwehrt.
(2) Verfahrensrüge
Für die sog. Verfahrensrüge sieht das Gesetz strenge Formvorschriften vor, die in der Praxis oft zum Scheitern einer Rechtsbeschwerde führen. Mit der Verfahrensrüge wird die Verletzung von Rechtsnormen, die den Verfahrensablauf und dessen Gestaltung betreffen, gerügt. Nach § 344 Abs. 2 S. 2 StPO i.V.m. § 79 Abs. 3 S. 1 OWiG ist zur Zulässigkeit der Verfahrensrüge erforderlich, dass „die den Mangel enthaltenden Tatsachen” so genau bezeichnet und vollständig angegeben werden, dass das Rechtsbeschwerdegericht schon anhand der Rechtsbeschwerdeschrift – also ohne Rückgriff auf die Akten – prüfen kann, ob ein Verfahrensfehler vorliegt, falls die behaupteten Tatsachen zutreffen (Burhoff/Junker, OWi, Rn 3381 ff.). Dabei ist eine Bezugnahme auf den Akteninhalt, Schriftstücke oder das Protokoll unzulässig (u.a. BGH NJW 2006, 457; OLG Koblenz VRS 68, 223).
Um einen schweren Verteidigerfehler handelt es sich, wenn der Verteidiger neben der Verfahrensrüge nicht auch zumindest (vorsorglich) die allgemeine Sachrüge erhebt (Burhoff, StV 1997, 432), selbst wenn er nur Verfahrensverstöße geltend machen will. Denn nur die Sachrüge eröffnet dem Revisionsgericht den umfassenden Zugang zum Urteil und damit ggf. auch den Zugang zu Urteilsstellen, die für die Verfahrensrüge bedeutsam sein können (st. Rspr., vgl. u.a. BGHSt 38, 302; 38, 372; BGH NStZ 1996, 145; StraFo 2008, 332; u.a. BGH, Beschl. v.26.3.2008 – 2 StR 61/08; OLG Brandenburg NStZ 1997, 612; OLG Celle StRR 2012, 424 = StV 2013, 12 [Ls.]; OLG Hamm StraFo 2001, 244; StRR 2008, 308; 2008, 346). Durch die zusätzlich erhobene Sachrüge kann somit der Tatsachenvortrag zur Verfahrensrüge um den Tatsachenstoff des Urteils ergänzt werden und das Revisionsgericht hat beides im Zusammenhang zu würdigen.
Der für die Verfahrensrüge erforderliche Tatsachenvortrag darf nicht zu ungenau und unvollständig sein. Das ist häufig bei der sog. Aufklärungsrüge der Fall (zur Begründung der Aufklärungsrüge Burhoff/Kotz/Junker, Rechtsmittel, Teil A Rn 2329). Diese darf sich nicht darauf beschränken, ganz allgemein zu rügen, die Sache sei nicht genügend aufgeklärt worden. Auch reicht es nicht aus, dass lediglich beanstandet wird, eine Ortsbesichtigung habe nicht stattgefunden. Eine ordnungsgemäß begründete Aufklärungsrüge muss vielmehr ganz bestimmte Beweisbehauptungen und die Angabe der damit verfolgten Beweisergebnisse enthalten (BGH NStZ 1984, 329). Daneben muss das Beweismittel bezeichnet werden, das das Gericht zur weiteren Wahrheitsermittlung hätte benutzen müssen. Schließlich muss dargelegt werden, warum es sich dem erkennenden Gericht hätte aufdrängen müssen, gerade in der Richtung Beweis zu erheben. Ist der Betroffene in der Hauptverhandlung durch einen Verteidiger vertreten worden, ist es auch notwendig darzulegen, warum entsprechende Beweisanträge nicht schon in der Hauptverhandlung gestellt worden sind (zu allem BGHSt 27, 250, 252; NStZ-RR 2010, 316; KG StRR 2013, 263). Wird die nach Auffassung des Betroffenen zu Unrecht erfolgte Ablehnung eines Beweisantrags gerügt, muss in der Begründung nicht nur der volle Wortlaut des Beweisantrags wiedergegeben werden, sondern auch der volle Wortlaut des Beschlusses, mit dem dieser Antrag vom Gericht abgelehnt worden ist. Anschließend muss die Begründung darlegen, warum diese Ablehnung durch das Gericht fehlerhaft gewesen ist. Nützlich, jedoch nicht unbedingt erforderlich, sind Ausführungen zu der Frage, ob die Entscheidung auch auf dem dargelegten Verfahrensmangel beruht.
In der Praxis von Bedeutung sind auch die Fälle der Einspruchsverwerfung nach § 74 OWiG wegen Ausbleibens des Betroffenen. Hier handelt es sich ebenfalls um eine Verfahrensrüge. Das bedeutet, dass i.d.R. unter Darlegung bestimmter, im Einzelnen auszuführender Tatsachen näher dargestellt werden muss, weshalb das AG das Ausbleiben nicht als unentschuldigt habe ansehen dürfen (vgl. u.a. BayObLG NStZ-RR 1997, 182; OLG Brandenburg NStZ-RR 1997, ...