Wie für alle Reisekosten ist auch bei den Fahrtkosten mit dem eigenen Kraftfahrzeug Voraussetzung, dass eine Geschäftsreise i.S.d. Vorbem. 7 Abs. 2 VV RVG vorliegt. Der früher umstrittene Begriff der Geschäftsreise war bereits durch das KostRÄndG 1994 per Legaldefinition in § 28 Abs. 1 S. 2 BRAGO geklärt worden. Diese Regelung ist unverändert in das RVG aufgenommen worden und findet sich in Vorbem. 7 Abs. 2 VV RVG. Eine Geschäftsreise liegt danach vor, wenn das Reiseziel außerhalb der politischen Gemeinde liegt, in der sich die Kanzlei oder die Wohnung des Rechtsanwalts befindet. Maßgebend ist also allein, ob der Anwalt in Erfüllung seines anwaltlichen Mandats das Gebiet der politischen Gemeinde verlassen muss.
Auf die Entfernung kommt es dabei nicht an. Der Anwalt kann daher selbst bei kürzesten Strecken Reisekosten beanspruchen, solange er dabei die Gemeindegrenze überquert, selbst wenn zwei Gemeinden nahtlos aneinandergrenzen und im selben Landkreis liegen (SG Neuruppin AGS 2011, 256). Umgekehrt kann der Anwalt bei großen Entfernungen keine Reisekosten verlangen, wenn das Ziel noch in derselben Gemeinde liegt (LG Halle AGS 2009, 60). Das gilt selbst dann, wenn das Ziel in einem anderen Gerichtsbezirk liegt, etwa bei Fahrten innerhalb von Berlin oder Hamburg (LG Berlin AGS 2008, 515 = RVGreport 2008, 268).
Hinweis:
Fahrten vom Wohnort des Anwalts zu seiner Kanzlei und zurück können niemals abgerechnet werden. Der "Weg zur Arbeit" ist allein Sache des Anwalts, selbst wenn er nur für einen Besprechungstermin mit dem Mandanten in die Kanzlei fährt.
Liegen Wohn- und Kanzleisitz auseinander, so kommt es darauf an, von wo der Anwalt losgefahren ist. Hat der Anwalt seine Wohnung am Gerichtsort und fährt er von zu Hause zum Termin, liegt keine Geschäftsreise vor, selbst wenn der Anwalt anschließend in die Kanzlei fährt. Anders dagegen, wenn er vor dem Termin in seine auswärtige Kanzlei fährt und von dort aus zum Termin. Der Anwalt, der nach §§ 27, 29 BRAO seinen Wohnsitz außerhalb des Kanzleisitzes hat, darf deshalb nicht schlechter gestellt werden. Ihm kann auch nicht vorgeschrieben werden, die Reise von zu Hause aus anzutreten. Wenn er sich entscheidet vor dem Termin am Wohnort in seine auswärtige Kanzlei zu fahren, und dort noch Arbeiten zu erledigen, so ist dies seine freie Entscheidung (OLG Düsseldorf AGS 2012, 167 = zfs 2012, 287 = NJW-RR 2012, 764 = JurBüro 2012, 299 = Rpfleger 2012, 412 = RVGreport 2012, 189 = RVGprof. 2012, 164). Erledigt der Anwalt allerdings den Termin auf dem Hinweg zu seiner Kanzlei oder auf dem Rückweg, so liegt keine Geschäftsreise vor, die er abrechnen könnte.
Unterhält der Anwalt eine Zweigstelle, so soll eine Geschäftsreise nicht vorliegen, wenn der Anwalt zu einem Ziel fährt, das innerhalb der Gemeinde liegt, in der eine Zweigstelle unterhalten wird (OLG Dresden AGS 2011, 275 = NJW 2011, 869 = Rpfleger 2011, 240 = VRR 2011, 43 = RVGreport 2011, 145; OLG Koblenz AGS 2015, 507 = MDR 2015, 860 = NJW-RR 2015, 1408 = NJW-Spezial 2015, 699 = RVGprof. 2015, 204 = FamRZ 2016, 256). Diese Auffassung ist jedoch unzutreffend. Sie steht auch im Widerspruch zur Rechtsprechung des BGH (AGS 2008, 368 = FamRZ 2008, 1241 = NJW 2008, 2122 = MDR 2008, 829 = Rpfleger 2008, 443 = BRAK-Mitt 2008, 178 = JurBüro 2008, 430 = AnwBl 2008, 552 = RVGreport 2008, 267 = RVGprof. 2008, 165), der bei mehreren Standorten darauf abstellt, von welchem Kanzleiort aus die Sache bearbeitet worden ist. Abzustellen ist nach zutreffender Ansicht auf diejenige Zweigstelle, in der das Mandat angenommen worden ist und bearbeitet wird (Gerold/Schmidt/Müller-Rabe, RVG, 22. Aufl. 2015, Nr. 7003, 7004 Rn 8). Voraussetzung ist allerdings, dass der Anwalt tatsächlich auch von der auswärtigen Zweigstelle angereist ist.
Auf den Zweck der Geschäftsreise kommt es nicht an. Zu vergüten sind sämtliche Reisen, sofern sie der Anwalt zur sachgerechten Wahrnehmung des Mandats für erforderlich halten durfte (§§ 657, 670 BGB), also insbesondere Fahrten zu Gerichtsterminen, zu Ortsbesichtigungen, zu Behörden, zu Sachverständigen oder anderen Institutionen. Auch Fahrten zur Informationsbeschaffung sind abrechenbar, so etwa für Reisekosten zum Gericht zu einer Behörde zwecks Akteneinsicht, zu einem behandelnden Arzt in Freiheitsentziehungsverfahren (AG Medingen AnwBl 1966, 140). Auch Fahrten zur Besprechung beim Mandanten zählen hierzu.
Verlegt der Anwalt nach Entgegennahme des Auftrags seine Kanzlei, so darf er seine Reisekosten nur insoweit abrechnen, als sie auch vom früheren Kanzleisitz aus angefallen wären (Vorbem. 7 Abs. 3 S. 2 VV RVG).
Beispiel 1:
Nach Erhalt des Mandats verlegt der Verteidiger seine Kanzlei von Köln nach Bonn.
Für die Wahrnehmung des Hauptverhandlungstermins vor dem AG Köln darf er dem Auftraggeber keine Reisekosten in Rechnung stellen.
Abzustellen ist bei der nach Vorbem. 7 Abs. 3 S. 2 VV RVG vorzunehmenden Betrachtung allerdings nicht auf jede einzelne Reise, da dies den Anwalt ohne sachlichen Grund benachteiligen könnte. Ma...