I. Einleitung
Es sind unspektakuläre Alltagsfälle, bei denen die Frage nach der Berechtigung von Inkassokosten dem Grunde und der Höhe nach Anlass für Diskussionen und Auseinandersetzungen ist. Die nicht bezahlte Telefon-, Versicherungsprämien-, Energierechnung aber auch die Schwarzfahrt im ÖPNV, die versäumte Zahlung der Miete oder Darlehnsraten beschreiben die "Massenfälle" hinter denen dann doch immer ein Einzelfall steht. Wer lässt sich schon gerne mahnen? Wird dann nicht zeitgerecht reagiert, wird es umso ärgerlicher, wenn auch noch Rechtsverfolgungskosten anfallen: die Inkassokosten. Der Inkassodienstleister kann kaum mit Applaus rechnen.
Wer als Inkassodienstleister registriert ist und nicht nur theoretische und praktische Sachkunde nachgewiesen, sondern auch ein behördliches Registrierungsverfahren, in dem u.a. die Zuverlässigkeit geprüft wird, durchlaufen hat, kann unter www.rechtsdienstleistungsregister.de abgerufen werden. Hier empfiehlt sich bei der Prüfung der Berechtigung von Inkassokosten eine Erstprüfung.
Ausgehend von einer materiell berechtigten Forderung soll der nachfolgende Beitrag erläutern, wann Inkassokosten dem Grunde und der Höhe nach geschuldet sind. Gerade weil es sich in den genannten Bereichen des materiellen Zivilrechts um geringere Forderungen handelt, bei denen der Einzelne vielleicht nicht so genau hinsieht, liegt hier eine besondere Gefahr für Missbrauch vor. So versuchen "Trittbrettfahrer" nicht nur materiell unberechtigte Forderungen zu behaupten oder durch "Abo-Fallen" oder ähnliche Tricks zu begründen, sondern diese Forderungen mit dem "Druckmittel" von weiter steigenden Inkassokosten durchzusetzen. Soweit zu ersehen, arbeiten die registrierten Inkassounternehmen nicht mit solchen Methoden. Sie verfolgen grundsätzlich materiell berechtigte Forderungen oder jedenfalls solche, bei denen zum Zeitpunkt der Auftragserteilung der Schuldner noch keine Einwendungen erhoben hat, die die Berechtigung in Frage stellen könnten. In Betrugsfällen sind Inkassokosten nicht geschuldet, weshalb sie hier keiner Betrachtung bedürfen.
II. Inkassodienstleistung
Die Inkassodienstleistung ist in § 2 Abs. 2 RDG als eine besondere Form der Rechtsdienstleistung definiert. Rechtsdienstleistung ist nach § 2 Abs. 1 RDG jede Tätigkeit in konkreten fremden Angelegenheiten, sobald sie eine rechtliche Prüfung des Einzelfalls erfordert. Rechtsdienstleistung ist, unabhängig vom Vorliegen dieser Voraussetzungen aber auch die Einziehung fremder oder zum Zweck der Einziehung auf fremde Rechnung abgetretener Forderungen, wenn die Forderungseinziehung als eigenständiges Geschäft betrieben wird. Das Gesetz bezeichnet diese Dienstleistung ausdrücklich als Inkassodienstleistung. Die Erbringung dieser Dienstleistung steht nach § 3 RDG allerdings unter einem Verbot mit Erlaubnisvorbehalt. Erst die Registrierung als Inkassodienstleister nach §§ 10 ff. RDG gibt diese Erlaubnis. Insoweit werden Inkassounternehmen zur Erbringung von Rechtsdienstleistungen "zugelassen".
Hinweis:
Soweit zu ersehen werden die Begriffe der Registrierung und Zulassung synonym verwandt. So spricht etwa auch das OLG Frankfurt (Urt. v. 1.4.2009 – 19 U 228/08) von einem zugelassenen Inkassounternehmen. Das OLG Bamberg lässt die Bezeichnung als "zugelassenes Inkassounternehmen" sogar ausdrücklich zu (Beschl. v. 12.6. u. 20.7.2017 – 3 U 161/17, zfm 2017, 200). Da § 3 RDG ein Verbot mit Erlaubnisvorbehalt normiert, dürfte der Begriff "Zulassung" näher liegen, weil eine Erlaubnis i.S.d. § 3 RDG erteilt wird. Auch sprechen die Prüfkriterien der §§ 10 ff. RDG dafür, dass die Aufnahme der Inkassotätigkeit nicht nur zur Kenntnis genommen wird. Es findet eine Prüfung der persönlichen Eignung und Zuverlässigkeit statt.
Dass Inkassounternehmen Rechtsdienstleistungen erbringen können, hat schon das BVerfG in zwei zentralen Entscheidungen festgestellt (BVerfG v. 20.2.2002 – 1 BvR 423/99, 1 BvR 821/00 u. 1 BvR 1412/01, NJW 2002, 1190; BVerfG v. 14.8.2004 – 1 BvR 725/03, NJW-RR 2004, 1570). Die Entscheidungen waren Ausgangspunkt für die Reform des Rechtsberatungsrechts, die einerseits das Rechtsdienstleistungsgesetz (RDG) und andererseits die Regelungen über die Postulationsfähigkeit von Inkassounternehmen in gerichtlichen Verfahren nach § 79 Abs. 2 Nr. 4 ZPO sowie §§ 174, 305 InsO zum 1.7.2008 mit sich gebracht hat. Dieser Wandel in der rechtlichen Ausgangslage wird in der Rechtsprechung – insbesondere der Amts- und Landgerichte – nicht immer hinreichend berücksichtigt.
Praxishinweis:
Bei der Heranziehung von Rechtsprechung vor dem 1.7.2008 ist Vorsicht geboten und es muss jeweils geprüft werden, ob diese noch mit der aktuellen Gesetzeslage in Einklang steht.
Soweit fremde oder zum Zweck der Einziehung auf fremde Rechnung abgetretene Forderungen von registrierten Inkassounternehmen eingezogen werden, stehen sie also den Rechtsanwälten gleich, die gleichsam als weiterer Rechtsdienstleister solche Inkassoleistungen anbieten. Allerdings ist durchaus zu sehen, dass viele Rechtsanwälte sich aufgrund der gering...