Das Verfahren der Normenkontrolle sticht aus dem verwaltungsprozessualen Rechtsschutzsystem heraus. Es handelt sich um ein Antragsverfahren eigener Art. Der Ausdruck „Normenkontrollklage” ist irreführend, wird aber zuweilen selbst vom BVerwG benutzt. Zutreffend spricht man von einem Normenkontrollverfahren.
a) Funktion
Das Normenkontrollverfahren ist durch den subjektiven Rechtsschutz und eine objektive Rechtskontrolle geprägt (vgl. etwa BVerwGE 64, 77, 79).
Hinweis:
Pschorr, jurisPR-StrafR 24/2020 Anm. 4:
Zentrale Maßnahmen der Pandemiebekämpfung, die auf die §§ 28 Abs. 1, 32 S. 1 IfSG gestützt und in schwindelerregendem Tempo angepasst werden, können als Rechtsverordnungen – als materielles Recht – von den einfachen Gerichten überprüft und verworfen werden. Dabei obliegt das Verwerfungsmonopol nicht den Oberverwaltungsgerichten im verwaltungsrechtlichen Normenkontrollverfahren. Auch mit verwaltungsrechtlicher Materie nicht regelmäßig befasste Gerichte – insb. Straf- und Ordnungswidrigkeitengerichte – haben die Rechtmäßigkeit von Verordnungen inzident zu prüfen.
b) Antragsbefugnis
Den Antrag kann jede natürliche oder juristische Person, die geltend macht, durch die Rechtsvorschrift oder deren Anwendung in ihren Rechten verletzt zu sein oder in absehbarer Zeit verletzt zu werden, sowie jede Behörde innerhalb eines Jahres nach Bekanntmachung der Rechtsvorschrift stellen, § 47 Abs. 2 S. 1 VwGO.
Hinweis:
Während bis zum 6. VwGO-ÄndG ein Nachteil für eine Antragsbefugnis ausreichend war, ist nunmehr eine Rechtsverletzung geltend zu machen. Anders als ursprünglich befürchtet, hat sich in der Praxis im Wesentlichen nichts geändert. Der Begriff des „Nachteils” wird fast deckungsgleich zu dem der „Rechtsverletzung” gesehen.
c) Antragstellung
Für das Normenkontrollverfahren besteht Anwaltszwang, da es vor dem OVG/VGH geführt wird. Der Hauptantrag sollte inhaltlich § 47 Abs. 5 S. 2 VwGO folgen: „Die Norm (...) wird für unwirksam erklärt.” Der Antrag kann auf Teile einer Rechtsvorschrift beschränkt werden; auch Hilfsanträge sind zulässig (vgl. VGH Mannheim NVwZ 1985, 351). Ein Normenkontrollantrag hat keine aufschiebende Wirkung, weil vorläufiger Rechtsschutz ausschließlich über § 47 Abs. 6 VwGO gewährt wird. Das Antragsrecht kann unter sehr strengen Voraussetzungen verwirkt werden.
Der Antrag ist innerhalb eines Jahres nach Bekanntmachung der Rechtsvorschrift zu stellen, § 47 Abs. 2 S. 1 VwGO.
Der Beginn der Jahresfrist hängt bei einem Bebauungsplan allein von dessen Bekanntmachung ab, nicht von seinem Inkrafttreten und auch nicht von der Kenntnisnahme des Antragstellers. Es handelt sich um eine echte Ausschlussfrist ohne die Möglichkeit einer Wiedereinsetzung in den vorigen Stand.
Hinweis:
OVG Lüneburg, Urt. v. 26.11.2020 – 2 KN 644/19, juris:
Änderungen oder Neuregelungen einer Rechtsnorm setzen die in einem Normenkontrollverfahren maßgebliche einjährige Antragsfrist nur erneut in Gang, wenn mit der angegriffenen Rechtsvorschrift eine neue oder zusätzliche Beschwer des Betroffenen verbunden ist. Der Umstand, dass der Normgeber die gleichgebliebene Rechtsvorschrift nicht nur aufrechterhält, sondern erneut in seinen Willen aufnimmt, ist für die Frage, ob die Antragsfrist eingehalten worden ist, unerheblich. Etwas anderes gilt nur dann, wenn mit der Neuregelung der mit dem Normenkontrollantrag angegriffenen Regelung erstmals rechtliche Geltung verschafft werden soll.
d) Prüfungsgegenstand und Prüfungsmaßstab
Eine Normenkontrolle ist statthaft zur Überprüfung von Satzungen, die nach den Vorschriften des Baugesetzbuchs erlassen worden sind, sowie von Rechtsverordnungen aufgrund des § 246 Abs. 2 BauGB und von anderen im Rang unter dem Landesgesetz stehenden Rechtsvorschriften, sofern das Landesrecht dies bestimmt, § 47 Abs. 1 Nr. 2 VwGO.
Hinweis:
VGH München, Beschl. v. 30.11.2020 – M 26a E 20.5999, juris Rn 15:
Eine analoge Anwendung des § 47 VwGO auf Klagen und Anträge, die sich gegen normgeberisches Unterlassen richten, kommt nicht in Betracht. Die Zuständigkeitsregelungen der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) weisen keine Regelungslücke auf, die im Wege der Analogie geschlossen werden müssten (BVerwG, Urt.v. 7.9.1989 – 7 C 4/89, juris Rn 13).
Satzungen nach dem BauGB können umfassend überprüft werden. Zu nennen sind:
- Bebauungspläne, § 10 BauGB,
- Satzungen zu Veränderungssperren, § 14 BauGB,
- Fremdenverkehrsfunktionssicherungssatzungen, § 22 BauGB,
- Vorkaufsrechtssatzungen, § 25 Abs. 1 BauGB,
- Abrundungssatzungen, § 34 Abs. 4 BauGB,
- Sanierungssatzungen, § 142 BauGB,
- Erhaltungssatzungen, § 172 BauGB,
- übergeleitete Bebauungspläne, § 173 BauGB.
Hinweis:
Umlegungsbeschlüsse oder Umlegungspläne nach den §§ 47, 66 BauGB und Bebauungsplanentwürfe nach § 33 BauGB unterliegen nicht dem Verfahren nach § 47 VwGO. Dies gilt auch für den Nichterlass eines Bebauungsplans (BVerwG Buchholz 310 § 47 VwGO Nr. 31).
Rechtsvorschriften im Range unter dem Landesgesetz können überprüft werden, wenn der Landesgesetzgeber von der Ermächtigung in § 47 Abs. 1 Nr. 2 VwGO Gebrauch gemacht hat.
Normenkontrollfähige Rechtsvorschriften können z.B. sein: