Als Rückgrat des Unterlassungsrechtsstreits bestimmt der Streitgegenstand die Reichweite der Rechtshängigkeit (z.B. im Hinblick auf die Verjährungshemmung und die anderweitige Rechtshängigkeit, § 261 Abs. 3 Nr. 2 ZPO), die Reichweite der Rechtskraft (§ 322 ZPO) und die Voraussetzungen der Zwangsvollstreckung. Nach dem sog. zweigliedrigen Streitgegenstandsbegriff, der seit 1992 vom BGH angewendet wird (BGH NJW 1992, 1172), setzt sich der Streitgegenstand aus dem Klageantrag und dem Lebenssachverhalt (Anspruchsgrund), aus dem der Kläger die begehrte Rechtsfolge herleitet, zusammen. Als Lebenssachverhalt werden hierbei nicht nur diejenigen Tatsachen angesehen, die die Voraussetzungen der Anspruchsnorm ausfüllen (BGH NJW 1992, 1172, 1173 f.) oder die vorgetragen wurden, sondern auch solche Umstände, die bei einer natürlichen Betrachtung aus der Perspektive der Parteien zu dem Tatsachenkomplex gehören, den der Kläger dem Gericht zur Stützung seines Begehrens zu unterbreiten hat (BGH NJW 2018, 616). Beim Unterlassungsanspruch bereitet die Bestimmung des Streitgegenstands besondere Schwierigkeiten. Dies ist v.a. darauf zurückzuführen, dass ein Unterlassungsbegehren – trotz aller Bemühungen um die Bestimmtheit des Klageantrags – schon rein sprachlich nicht so klar abgegrenzt werden kann wie ein anderes Leistungsbegehren (z.B. ein Antrag auf Zahlung von 50 EUR) und dass der Unterlassungsanspruch als zukunftsgerichteter Anspruch eine gewisse Unschärfe voraussetzt, um überhaupt eine Verbotswirkung zu entfalten. Ein Verbot, das sich auf die Wiederholung einer in jeder Hinsicht identischen Handlung richtet, wäre nahezu wirkungslos. Hinzu kommt, dass Unterlassungsanträge häufig auf mehrere Schutzrechte oder unterschiedliche Facetten von Lebenssachverhalten gestützt werden, sodass sich die Frage der Häufung und Abgrenzung von Streitgegenständen stellt.
Nicht selten mündet eine einheitliche Handlung, z.B. der Vertrieb von patent- und designverletzenden Vorrichtungen, in mehrere Streitgegenstände, weil sie auf unterschiedliche rechtliche Grundlagen gestellt wird. Nach dem zweigliedrigen Streitgegenstandsbegriff beruhen Unterlassungsansprüche aus Verträgen und aus gesetzlichen Vorschriften auch dann auf einem unterschiedlichen Lebenssachverhalt, wenn sie sich gegen das gleiche Verhalten wenden bzw. durch das gleiche Verhalten ausgelöst werden; während nämlich der vertragliche Unterlassungsanspruch zumindest auch auf dem zwischen den Parteien geschlossenen Vertrag (= Lebenssachverhalt) gründet, beruht der gesetzliche Unterlassungsanspruch alleine auf der Zuwiderhandlung und den weiteren Merkmalen, die den gesetzlichen Tatbestand ausfüllen. Hieraus folgt, dass vertragliche und gesetzliche Unterlassungsansprüche immer unterschiedliche Streitgegenstände darstellen. Aus gleichen Gründen stellt z.B. der Übergang vom gesetzlichen zum vertraglichen Unterlassungsanspruch eine Klageänderung, § 263 ZPO, dar und so bleibt die Klagbarkeit des vertraglichen Unterlassungsanspruchs von der Rechtskraft einer Entscheidung über den gesetzlichen Unterlassungsanspruch unberührt. Mehrere Streitgegenstände bestehen auch dann, wenn der Kläger seinen Anspruch auf mehrere Schutzrechte, wie z.B. auf mehrere Marken und Designs stützt (BGH GRUR 2011, 521 – TÜV I; GRUR 2011, 1043 – TÜV II, zu Designs vgl. OLG Hamburg GRUR-RS 2016, 128176 Rn 71 – Kugelleuchten).
Praxistipp:
- Werden Unterlassungsansprüche mit verschiedenen Schutzrechten begründet, so liegen auch bei einem einheitlichen Sachantrag verschiedene Streitgegenstände vor. Sie können nicht alternativ angeführt werden, sondern müssen in der eventuellen Klagehäufung geltend gemacht werden.
- Die Klage ist unzulässig, wenn nicht konkretisiert wird, in welcher Rangfolge (als Haupt- und Hilfsansprüche) die von den Schutzrechten charakterisierten Streitgegenstände geltend gemacht werden. Entsprechendes gilt für das Verhältnis des vertraglichen Unterlassungsanspruchs zum gesetzlichen Unterlassungsanspruch.
- Die Reihenfolge der Schutzrechte bzw. der Streitgegenstände muss nicht im Sachantrag genannt werden, sondern kann auch in der Begründung klargestellt werden (BGH GRUR 2012, 1145, Rn 22 – Pelikan).
Mehr Flexibilität besteht hingegen dort, wo der Lebenssachverhalt nicht durch Schutzrechte segmentiert ist. Hier, insb. im Bereich des Verhaltensunrechts wie z.B. im Wettbewerbsrecht, fungiert die „Verletzungsform” als zentrale Denkfigur, um die herum der Streitgegenstand aufgebaut ist. Die Verletzungsform kann umschrieben werden als einheitlicher Lebenssachverhalt, in dem der Kläger eine Zuwiderhandlung zu erkennen meint und den er dem Gericht zur Prüfung vorlegt, den er also zum Gegenstand des Sachantrags und der Klagebegründung macht. In einem bestimmten Umfang überlässt der BGH es dem Kläger, diese Verletzungsform selbst zuzuschneiden; dieser hat die Wahl, einen einheitlichen Lebensvorgang (z.B. eine Werbeanzeige) insgesamt zu einem Streitgegenstand zu machen oder diesen in mehrere Streitgegenstände aufzutrenne...