a) Sorgerechtsübertragung auf den kindesentführenden Elternteil
In einem Sorgerechtsverfahren nach widerrechtlicher Verbringung der Kinder nach Japan durch die Mutter und einer Rückführungsentscheidung der japanischen Gerichte nach dem HKiEntÜ (5. Haagener Kindesentführungsübereinkommen) hat das OLG Brandenburg (FamRZ 2020, 1726 m. Anm. Hüßtege = FamRB 2020, 270 m. Hinw. Niethhammer-Jürgens) in Abwägung zwischen den Risiken der vom Vater angestrebten Rückführung nach Deutschland und der Ausübung der elterlichen Sorge durch die Mutter der Mutter das Alleinsorgerecht übertragen.
Voraussetzung für die Aufhebung der gemeinsam ausgeübten elterlichen Sorge ist ein tiefgreifender, nicht mehr zu schlichtender Elternstreit, also ein in absehbarer Zeit nicht zu behebender Mangel an Kooperationsbereitschaft und Kooperationsfähigkeit. Dem Antrag eines Elternteils auf Übertragung der elterlichen Sorge ist gem. § 1671 Abs. 1, 2 BGB dann stattzugeben, wenn zu erwarten ist, dass die Aufhebung der gemeinsamen Sorge und die Übertragung auf den Antragsteller dem Wohl des Kindes am besten entsprechen. Zu beachtende Gesichtspunkte sind die Betreuungs- und Förderungskompetenz, die Bindungen des Kindes an die jeweiligen Elternteile, die Bindungstoleranz und die Kontinuität der Lebensumstände des Kindes. Das OLG begründet seine diesen Prüfungen entsprechende Entscheidung damit, dass es – anders als im Rückholverfahren im Sorgerechtsverfahren – nicht darum geht, eine widerrechtliche Kindesentführung rückgängig zu machen, um die Durchführung des Sorgerechtsverfahrens am Ort des gewöhnlichen Aufenthaltes zu ermöglichen und auch nicht darum, dem Elternteil, dem die Kinder entzogen worden sind, zu „seinem Recht” an den Kindern zu verhelfen.
b) Belastung des Kindes durch Elternkonflikt
Bei nicht verheirateten Eltern überträgt das Familiengericht auf Antrag eines Elternteils gem. § 1626a Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2 S. 1 BGB die elterliche Sorge oder einen Teil der elterlichen Sorge beiden Eltern gemeinsam, wenn die Übertragung dem Kindeswohl nicht widerspricht. Für die Prüfung gelten die zur Aufhebung der gemeinsamen elterlichen Sorge nach § 1671 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 BGB entwickelten Grundsätze (vgl. BGH FamRZ 20161439).
Das OLG Karlsruhe (FamRZ 2020, 1920) verdeutlicht, dass eine Übertragung nicht gerechtfertigt ist, wenn eine gemeinsame elterliche Sorge nach der anzustellenden Prognose praktisch nicht funktionieren wird. Dies ist der Fall, wenn mit überwiegender Wahrscheinlichkeit zwischen den Eltern auch künftig keine Kooperation stattfindet und sich dieser Umstand erheblich belastend auf das Kind auswirken würde.
c) Kindeswohlgefährdung bei IS-Rückkehrern
Das OLG Frankfurt (FamRZ 2020, 1651 = MDR 2020, 997 = FamRB 2020, 356 m. Hinw. Claudius) hat klargestellt, dass dem Wunsch von Eltern, die wegen Mitgliedschaft in einer ausländischen terroristischen Vereinigung inhaftiert wurden, ihre Kinder bei den in Deutschland lebenden aufnahmebereiten Großeltern unterzubringen, zu entsprechen ist. Ein Entzug des Sorgerechts zum Zwecke der Fremdunterbringung ist nur gerechtfertigt, wenn das Wohl der Kinder bei den Großeltern konkret gefährdet wäre.