Anfang Februar stellte die Präsidentin des Bundesarbeitsgerichts (BAG) Inken Gallner den Jahresbericht 2022 für ihr Gericht vor. Darin wurde deutlich, dass das vergangene Jahr auch für die Arbeitsgerichtsbarkeit im Zeichen des Ukraine-Kriegs und der gestiegenen Lebenshaltungskosten stand. Im BAG selbst habe sich die Lage nach den Corona-Einschränkungen jedoch wieder normalisiert; in Erfurt habe man wieder in Präsenz arbeiten, im regulären Sitzungsbetrieb verhandeln und u.a. das 10. Europarechtliche Symposion durchführen können. Auch sei es möglich gewesen, im Verlauf des Jahres auf Masken, Abstände sowie Impf- und Testnachweise zu verzichten.
Insgesamt gingen im BAG im vergangenen Jahr 1.266 Sachen neu ein. Davon waren 31,52 % Revisionen und Rechtsbeschwerden in Beschlussverfahren. Erledigt wurden 1.283 Sachen. Von den erledigten Revisionen und Rechtsbeschwerden waren 25 % erfolgreich. Die Erfolgsquote bei den Nichtzulassungsbeschwerden belief sich auf 4,32 %. Anhängig waren am Ende des Berichtsjahres noch 925 Sachen. Die durchschnittliche Verfahrensdauer aller erledigten Verfahren betrug fünf Monate und vier Tage.
Frau Gallner betonte erneut, dass das deutsche Arbeitsrecht in weiten Teilen durch das europäische Arbeitsrecht durchdrungen ist. Sie nannte beispielhaft die urlaubsrechtlichen Entscheidungen des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) v. 22.9.2022 in den Sachen Fraport u.a. (C-518/20, C-727/20; C-120/21) sowie die Folgeentscheidungen des BAG v. 20.12.2022 (9 AZR 245/19; 9 AZR 266/20) und 31.1.2023 (9 AZR 244/20; 9 AZR 456/20). Außerdem sprach sie die Entscheidungen des EuGH und des BAG zur Arbeitszeiterfassung an, die erhebliche Kontroversen in Wissenschaft und Praxis ausgelöst haben (EuGH, Urt. v. 14.5.2019 – C-55/18; BAG, Urt. v. 13.9.2022 – 1 ABR 22/21). Die Entscheidungen hätten sich als „Politikum” erwiesen; in ihren Auswirkungen würden sie praktisch alle rund 41 Mio. abhängig Beschäftigten in Deutschland betreffen. Über das „Ob” sei aber jetzt entschieden, über das „Wie” müsse nun der Gesetzgeber befinden.
Die Präsidentin kündigte an, dass ihr Gericht noch im Verlauf des Jahres 2023 über eine Vielzahl von Fällen entscheiden wird, in denen es um tarifliche Nachtarbeitszuschläge geht. Auf der Grundlage vieler verschiedener Tarifverträge stelle sich die Frage, ob niedrigere Zuschläge für regelmäßige Nachtarbeit an das höhere Niveau der Zuschläge für unregelmäßige Nachtarbeit angepasst werden müssten.
Die Präsidentin hob auch hervor, dass die Digitalisierung des BAG weiter voranschreitet. Alle zehn Senate arbeiteten seit Beginn des Jahres 2023 mit der elektronischen Gerichtsakte.
Der ausführliche Jahresbericht des BAG kann auf der Homepage des Gerichts unter https://www.bundesarbeitsgericht.de eingesehen werden.
[Quelle: BAG]