Die neue „Suspendierung” einer Vorsorgevollmacht gem. § 1820 Abs. 4 BGB kann als milderes Mittel im Vergleich zum Widerruf eingesetzt werden (vgl. auch Böhm, FamRZ 2022, 1253). Es handelt sich um keine echte Suspendierung, denn die Vollmacht bleibt wirksam. Nach einer Anordnung des Betreuungsgerichts, die Vollmacht nicht zu nutzen (das Wort „ausüben” im Gesetzestext erscheint unglücklich, da die Vollmacht keine Aufgabe ist – das ist der regelmäßig zugrunde liegende Auftrag) und sie an den Betreuer herauszugeben, wird die Missbrauchsgefahr aber immerhin deutlich gesenkt sein.
Dazu muss der Bevollmächtigte Belange des Vollmachtgebers erheblich gefährden (Nr. 1) oder den Betreuer in seiner Tätigkeit behindern (Nr. 2). Die Regelung verbessert die Situation in Fällen, in denen z.B. ein Missbrauchsverdacht besteht und schnell eine Absicherung erfolgen sollte, aber noch nicht gewiss ist, ob ein (endgültiger) Widerruf angezeigt ist. Dass schon eine Betreuung bestehen muss, engt den Anwendungsbereich ein, denn dazu ist zunächst ein gewisses Verfahren notwendig. Allerdings kann mit einer einstweiligen Anordnung gearbeitet werden.
Die erforderliche Gefahrenlage muss nicht derart ausgeprägt sein wie zur Anordnung einer Kontrollbetreuung des Bevollmächtigten. So reicht eine unklare Sachlage etwa aufgrund Nichtreaktion oder Überforderung oder grundsätzlichen, aber (noch) nicht konkret bewiesenen Interessenkonflikten.
Auch wenn der Begriff der „Suspendierung” naheliegt und griffig ist, trifft er nicht gänzlich zu. Eine vorübergehende Aufhebung der Vertretungsmacht ist nämlich gerade nicht möglich. Trotz der Anordnungen des Betreuungsgerichts bleibt diese Vertretungsmacht bestehen und der Bevollmächtigte könnte den Vollmachtgeber wirksam vertreten. Praktisch wird ihm das in vielen Fällen nicht mehr möglich sein, wenn er die Urkunde nicht vorlegen kann, beispielsweise bei Grundstücksgeschäften.
Die Herausgabe – die nur an den Betreuer und nicht an das Gericht erfolgen soll – wird gem. § 285 FamFG n.F. durch Beschluss angeordnet, der nach § 86 Abs. 1 Nr. 1 FamFG vollstreckbar ist. Eine Möglichkeit zur Sanktionierung von Zuwiderhandlungen des Bevollmächtigten ist nicht zu erkennen. Auch eine strafrechtliche Verfolgung etwa wegen Untreue „nur” bei einem Verstoß gegen die gerichtliche Anordnung ist fraglich, da der Bevollmächtigte ja immer noch im Rahmen seiner – weiter bestehenden – Vertretungsmacht handeln würde.
Insofern wird sich zeigen, ob diese Norm im Ernstfall zahnlos ist: Bei der Innenvollmacht kann der andere Teil bei nicht formbedürftigen Geschäften weiter auf den Bestand der Vollmacht vertrauen, wenn er die Anordnung nicht kennt, denn sie ist nicht widerrufen (§ 171 BGB). Wenn der Bevollmächtigte entgegen der Anordnung des Gerichts als Außenvollmachten erteilte Vorsorgevollmachten (also regelmäßig Ausfertigungen) nicht herausgibt, kann der Teil, dem die Urkunde vorliegt, ebenfalls auf den Bestand vertrauen, wenn ihm die Anordnung unbekannt ist (§§ 171 f. BGB).
Besonders relevant werden Bankvollmachten sein, also in der Form von Außenvollmachten alternativ oder zusätzlich zu Vorsorgevollmachten auf den Formularen der Banken erteilte Vollmachten. Nach hier vertretener Ansicht muss die neue Suspendierungsmöglichkeit des § 1820 Abs. 4 BGB auch auf diese angewandt werden, da sonst kein effektiver Schutz möglich ist. Der Beschluss müsste dann auch dem Kreditinstitut gegenüber zur Kenntnis gegeben werden, um umfassenden Schutz zu gewähren.
Bei notariell beurkundeten Vorsorgevollmachten wäre eine Information des Betreuungsgerichts oder des Betreuers an den Notar sinnvoll, damit dieser keine neuen Ausfertigungen mehr an den Bevollmächtigten erteilt. Nach hier vertretener Ansicht darf der Notar keine Ausfertigungen an den Bevollmächtigten erteilen, wenn er diese nicht nutzen und sie nur unmittelbar an den Betreuer weitergeben müsste, da durch den Notar sonst an einer Umgehung der gerichtlichen Verfügung mitgewirkt werden würde.
Schwierig könnte die Frage der Herausgabe sein, wenn mehrere Personen in einer Urkunde bevollmächtigt wurden. Soweit auf notariellen Ausfertigungen der Name des Bevollmächtigten vermerkt wurde, für den die Ausfertigung erteilt wurde, könnte die Herausgabe auf diese Exemplare beschränkt werden. Im Übrigen kann nur derjenige Bevollmächtigte verpflichtet werden, gegenüber dem die Anordnung ergeht. Er kann nur zur Herausgabe der Vollmachtsexemplare verpflichtet werden, die nicht den anderen Bevollmächtigten zustehen. Der Schutzeffekt der Suspendierung ist durch die Möglichkeit des von ihm betroffenen Bevollmächtigten, mittels (privatschriftlichen oder nicht personenbezogenen ausgefertigten) Urkunden der anderen Bevollmächtigten zu handeln, gemindert.
Nach einem sich ggf. anschließenden Widerruf steht dem Betreuer weiter die Möglichkeit der Kraftloserklärung gem. § 175 BGB zur Verfügung.