Wenn es um aktuelle Trends in Technik und Wirtschaft geht, ist derzeit der Begriff „KI”, also „Künstliche Intelligenz”, an der Spitze der Diskussionsthemen. Intelligente Algorithmen, so sagen es alle Auguren voraus, wird künftig in jedem Haushalt, in jedem Unternehmen und an beinahe jedem Arbeitsplatz wichtige Aufgaben übernehmen, über die sich derzeit noch menschliche Gehirne die Synapsen zermartern. Schon heute findet sich KI an vielen Stellen – nicht immer zum Vergnügen der eine Dienstleistung in Anspruch nehmenden Kunden, etwa wenn sie sich bei einem Telefonat minutenlang mit einem Sprachautomaten herumschlagen müssen oder wenn das selbstfahrende Auto ungebremst auf ein Hindernis zusteuert.
Auch in Banken und Versicherungen werden intelligente Algorithmen längst eingesetzt, bspw. bei der Kreditvergabe oder beim Abschluss einer Versicherung. Offenbar aber längst noch nicht in jedem Finanzinstitut, wie eine Gerichtsentscheidung belegt, die kürzlich durch die Presse ging: In dem dort zugrunde liegenden Fall hatte eine Bank den (online gestellten) Kreditkartenantrag eines 88-jährigen Kunden in automatisierter Form mit der Begründung abgelehnt, mit Blick auf sein Alter sei die Prognose bezüglich des Ausgleichs der über die Kreditkarte bereitgestellten Darlehen prinzipiell ungünstig.
Damit hat sich die Software, die mit der „Bearbeitung” der online gestellten Kundenanfragen betraut war, als eher unintelligentes Tool entlarvt. Denn offenbar hat es nur die elementaren Aspekte „Alter des Antragstellers” und „Darlehen” in seine Berechnung einbezogen. Weitere Parameter wie etwa, dass die monatliche Pension des ehemaligen Bundesrichters (6.400 EUR) das erwünschte Kreditvolumen („Verfügungsrahmen: 2.500 EUR”) um mehr als das Doppelte überstiegen hätte, berücksichtigte das Programm nicht. Hätte es das getan, hätte es unschwer erkennen können, dass das Ausfallrisiko bei einem derartig gut situierten Ruheständler als eher gering einzuschätzen ist. Dies würde auch für den bei Banken wenig geschätzten Umstand gelten, dass sie sich im Falle des Versterbens ihres hochbetagten Kunden mit dessen Erben würden auseinandersetzen müssen, was meist mit erhöhtem Aufwand verbunden ist. Denn die Probleme im Umgang mit den Erben liegen erfahrungsgemäß in aller Regel in der Solvenz der Erblasser begründet, was hier aber – wie geschildert – kein Problem darstellen sollte.
Den entscheidenden Umstand außer Acht gelassen hat der Algorithmus aber, indem er die Profession des Antragstellers ausgeblendet hat: Ein Top-Jurist, den ein ehemaliger Vorsitzender Richter am Bundesarbeitsgericht ganz sicher darstellt, dürfte sich hervorragend mit dem Rechtsbegriff der Diskriminierung auskennen, ihm somit auch eine „Altersdiskriminierung” vor Augen gestanden haben, als er die automatisierte Ablehnung seiner Bank erhielt. Er hat dann tatsächlich auch umgehend Klage eingereicht und vor dem AG Kassel Recht bekommen (Urt. v. 7.9.2023 – 435 C 777/23). Anders als der unintelligente Bank-Algorithmus bezogen die Kasseler Richter alle Argumente in ihre Entscheidung ein und stellten fest, dass das Verhalten des Instituts gegen den Gleichheitsgrundsatz verstößt. Es gebe „keine wirtschaftlichen Gründe” für das Verhalten der Bank. Dieses stelle vielmehr einen „erheblichen Affront gegen das soziale Renommee” des pensionierten Juristen dar, urteilte das Gericht.
Konsequenz: Das Kreditinstitut muss 3.000 EUR Schadensersatz wegen Persönlichkeitsverletzung zahlen. Die Entscheidung ist zwar noch nicht rechtskräftig, vermutlich wäre es für die Bank aber trotzdem lohnend, ihren Algorithmus alsbald mit etwas mehr „KI” auszustatten.
[Red.]
ZAP F., S. 194–200