Musterbeispiel Alkoholklausel 1
In Abänderung von Ziff. 5.1.1 AUB sind auch Unfälle durch Bewusstseinsstörungen versichert, soweit diese durch Trunkenheit verursacht sind, beim Lenken von Kraftfahrzeugen jedoch nur, wenn der Blutalkoholgehalt unter 1,1 Promille liegt.
1. Gründe für die Verwendung der sog. Alkoholklausel
Welchen Vorteil haben VR bei der Verwendung einer Alkoholklausel? Am leichtesten lässt es sich an nachfolgendem Beispiel verdeutlichen.
Beispiel:
Ein VN meldet dem VR einen Schadenfall. Er sei auf dem Heimweg gestürzt. Er kam von einer Feier, auf der er mehrere Gläser Wein und auch Schnaps getrunken habe. Er habe eine Bordsteinkante nicht richtig wahrgenommen, sei gestolpert und habe sich den Arm gebrochen.
Nach den Musterbedingungen wäre der Schadenfall ausgeschlossen, wenn die Alkoholisierung des VN die Aufnahme- und Reaktionsfähigkeit so beeinträchtigt hätte, dass er auf die Gefahrensituation „Bordsteinkante” nicht mehr angemessen reagieren konnte. Daraus ergeben sich in der Schadenfallregulierung einige Nachfragen, z.B.:
- Wieviel Wein und Schnaps wurde getrunken?
- In welchem Zeitraum?
- Wurde eine Bestimmung des Alkoholgehalts im Blut vorgenommen?
- Lag eine Einschränkung der Aufnahme- und Reaktionsfähigkeit vor oder war der VN bewusstseinsklar?
Diese und andere Fragen sind vielen VN peinlich. Der VR ist beweisbelastet, im Vollbeweis muss er nachweisen, dass die Alkoholisierung einen solchen Grad erreicht hat, dass der VN außer Stande war, der konkreten Situation gerecht zu werden, also wegen der Alkoholisierung an der Bordsteinkante ausrutschte.
In der Praxis ist ein Vollbeweis einer alkoholbedingten Bewusstseinsstörung ohne polizeiliche Ermittlungen mit Feststellung der BAK kaum zu führen. Selbst bei sofortiger ärztlicher Behandlung ist eine belastbare Feststellung der BAK nur in Einzelfällen vorhanden. Hingegen reagieren VN oft verärgert, da Fragen nach einer Alkoholisierung ungerne beantwortet werden, die Fragen auf VN-Seite auch leicht als Vorwurf gewertet werden. Die medizinischen Anfragen bei Notfallambulanzen und Krankenhäusern hingegen benötigen Zeit und liefern nur begrenzt belastbare Ergebnisse zur Alkoholisierung.
Es ist daher aus wirtschaftlicher Sicht nachvollziehbar, dass ein VR gerne auf die Kosten einer meist ohne inhaltliche Konsequenz erfolgenden Prüfung des Ausschlusstatbestands verzichten möchte. Die Mehrkosten des Schadenaufwands werden stattdessen in der Kalkulation berücksichtigt und in der Prämie eingepreist.
2. Systematische Einordnung
Die Alkoholklauseln wurden zunächst als Sonderbedingungen, Besondere Bedingung oder Zusatzbedingung zur Ausschlussklausel in den AUB angeboten, systematisch als Wiedereinschluss mit dem Ausschlusstatbestand verbunden. Neuere Bedingungswerke enthalten den Wiedereinschluss (Ausnahme) unmittelbar im Text des Ausschlusses. Das ist inhaltlich gleich zu werten, allerdings ist die Vereinbarung so leichter zu finden und unstreitig mit vereinbart.
Die Einordnung als Wiedereinschluss (Ausnahme) bedeutet für den VN, dass er die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen der Kausalität zwischen Alkoholkonsum (Trunkenheit) und Bewusstseinsstörung trägt. Es gilt § 286 ZPO.
Für die Gegenausnahme, also dafür, dass eine BAK von 1,1 Promille beim Lenken eines Kraftfahrzeugs vorlag, ist wiederum der VR beweisbelastet. Auch hierfür gilt § 286 ZPO.
3. Wirksamkeit einer Alkoholklausel
Die Klausel muss wirksam in den Vertrag eingeschlossen worden sein. Es bestehen grundsätzlich keine Bedenken gegen eine Einschränkung eines Ausschlusstatbestandes. Es steht dem VR grundsätzlich frei, einen Ausschluss im Bedingungswerk aufzunehmen oder nicht. Schränkt der VR die Reichweite des Ausschlusses ein, dann ist dies eine Ausdehnung des Versicherungsschutzes und geht im Fall der Alkoholklausel über den von den Musterbedingungen des GdV vorgeschlagenen Versicherungsschutz hinaus.
Da Alkohol legal gekauft und konsumiert werden kann, sind auch keine rechtlichen Bedenken gegen die Verwendung der Klausel erkennbar. Vereinzelt werden ethische Bedenken vorgetragen, insbesondere sei es bedenklich, wenn der Versicherungsschutz auch in den Bereich hinein gewährt wird, bei dem eine Fahruntüchtigkeit vorliege (Kloth, Private Unfallversicherung, K Rn 25).
4. Auslegung der Alkoholklausel
Es gelten die allgemeinen Grundsätze für die Auslegung von AGB (vgl. z.B. Ulmer/Brandner/Hensen/Ulmer, AGB-Recht, § 305c BGB Rn 44 ff.). Die Ausschlussklauseln dürfen nicht weiter ausgelegt werden, als es ihr Sinn unter Beachtung ihres wirtschaftlichen Zwecks und der gewählten Ausdrucksweise erfordert (BGH, Urt. v. 17.5.2000 – IV ZR 113/99, VersR 2000, 1090, 1091) unter Berücksichtigung des Verständnisses eines durchschnittlichen VN ohne versicherungsrechtliche Sonderkenntnisse (BGH, Urt. v. 23.6.1993 – IV 135/92, r+s 1993, 351).
Die Alkoholklauseln sind mit der schlichten Form und dem klaren BAK-Wert so zu verstehen, dass bei jedem Unfall durch eine alkoholbedingte Bewusstseinsstörung Versicherungsschutz bestehen soll. Die einzige Ausnahme besteht beim Lenken von Kraftfahrzeugen, für die Versicherungsschutz nur bis zu einem BAK-Wert von 1,1 Promille besteht.