Amtlicher Leitsatz:
§ 4a Abs. 2 Nr. 1 RVG begründet kraft Gesetzes eine Garantenstellung des Rechtsanwalts, der vor Abschluss einer Erfolgshonorarvereinbarung seinen Mandanten über die voraussichtliche gesetzliche Vergütung aufzuklären hat.
BGH, Urt. v. 25.9.2014 – 4 StR 586/13, EN-Nr. 934/2014 = NJW 2014, 366
Bearbeiter: Rechtsanwalt Mark T. Singer, Neuss
I. Einleitung/Problemstellung
Seit dem 1.7.2008 darf ein Rechtsanwalt aufgrund der Entscheidung des BVerfG zur Verfassungswidrigkeit eines absoluten Verbotes anwaltlicher Erfolgshonorare (Beschl. v. 12.12.2006 – 1 BvR 2576/04, BVerfGE 117, 163 = AnwBl. 2007, 297) zwar grundsätzlich auch ein erfolgsbasiertes Vergütungsmodell mit seinem Mandanten im Einzelfall nach § 49b Abs. 2 BRAO i.V.m. § 4a RVG u.a. vereinbaren, "wenn der Auftraggeber aufgrund seiner wirtschaftlichen Verhältnisse bei verständiger Betrachtung ohne die Vereinbarung eines Erfolgshonorars von der Rechtsverfolgung abgehalten würde". Doch ob durch diese gesetzliche Neuregelung (vgl. dazu nur Hansens ZAP F. 24, S. 1124 ff.) und ihre spätere gesetzliche Erweiterung zum 1.1.2014 (auf Pro Bono- und Beratungshilfefälle, BGBl. I 2013, S. 3533, dazu nur Meyer AnwBl. 2013, 894 f.) tatsächlich eine Liberalisierung und endgültige Abkehr vom früheren generellen Regel-Ausnahme-Prinzip zum berufsrechtlichen Verbot des Erfolgshonorars für die Praxis eingetreten ist, erscheint bislang noch nicht abschließend geklärt und dürfte deshalb ein Grund dafür sein, warum die Anwaltschaft von diesem Vergütungsmodell derzeit nur zurückhaltend Gebrauch macht (vgl. die Befragungsergebnisse bei Kilian AnwBl. 2014, S. 815 ff. sowie Kilian NJW 2014, 1500 f.).
Ein anderer Grund für die fehlende Akzeptanz in der Anwaltschaft dürfte sicherlich auch in der nur spärlich vorhandenen Rechtsprechung liegen. Umso erfreulicher ist es dann aber, dass sich der BGH zu diesem Fragenkomplex zwischenzeitlich innerhalb kurzer Zeit zweimal geäußert hat. So hatte der 9. Zivilsenat des BGH in seinem Urteil (v. 5.6.2014 – IX ZR 137/12, NJW 2014, 253 m. Anm. Seltmann = AnwBl. 2014, 758 und m. Anm. Schons, S. 818) zunächst noch entschieden, dass sowohl bei einer gegen die Formvorschriften des § 3a RVG verstoßende Vergütungsvereinbarung als auch bei einer Erfolgsvereinbarung, die den formellen und materiellen Anforderungen des § 4a Abs. 1 und 2 RVG nicht gerecht wird, der zugrunde liegende Anwaltsvertrag ebenso wie die Vergütungsvereinbarung selbst wirksam bleiben und der Mandant insoweit jedenfalls keine höhere als die gesetzliche Vergütung zahlen muss, sofern nicht die zwischen den Parteien vereinbarte niedriger war. Der 4. Strafsenat des BGH hat nunmehr mit seiner Entscheidung v. 25.9.2014, diese aus einem Verstoß gegen die §§ 3a, 4a RVG resultierenden zivilrechtlichen Risiken um eine strafbewehrte Komponente für den Fall erweitert, in dem der Anwalt entgegen § 4a Abs. 2 Nr. 1 RVG seinen Mandanten vor Abschluss eines Erfolgshonorars nicht über die voraussichtliche gesetzliche Vergütung informiert hat.
II. Sachverhalt
Der angeklagte Anwalt, offenbar insolvent und deshalb kurz vor dem Widerruf seiner Zulassung stehend, hat noch in dieser Phase die erbrechtliche Vertretung eines Mandanten, der sowohl minderbegabt als auch in rechtlichen und wirtschaftlichen Belangen insgesamt unerfahren war, übernommen und mit diesem eine von ihm vorbereitete schriftliche "Vergütungsvereinbarung" getroffen. Danach sollte im Hinblick auf den väterlichen Schweizer Nachlass angesichts dessen Gesamtwert von rund 800.000 EUR, bei Zahlungen auf den gesetzlichen Erbteil des Mandanten bis 400.000 EUR, eine Vergütung von 20 %, bis 600.000 EUR von 25 % und für die darüber hinausgehenden Beträge eine Vergütung von 30 % zzgl. Umsatzsteuer anfallen. Der Mandant empfand diese Vereinbarung als hoch, aber auch als angemessen, da er bei erfolglosen Bemühungen seines Anwalts keine Kosten tragen müsse und zudem auch nicht gewillt war, die alternativ angebotene Abrechnung auf Stundenbasis mit einem Stundensatz von 4.000 EUR nebst Vorschusszahlung anzunehmen. Über eine sich am Gegenstandswert orientierende gesetzliche Vergütung erfuhr er nichts.
Der (inzwischen ehemalige) Anwalt erreichte die Auszahlung von 493.000 EUR aus dem Nachlass und behielt gemäß seiner nunmehr mit "Ass. Jur." unterschriebenen Kostenberechnung das entsprechende Erfolgshonorar bei Weiterleitung der übrigen Summe an den Mandanten ein, der nach wie vor von einer vorhandenen Anwaltszulassung ausging. Im Hinblick auf das Erfolgshonorar hatte die Staatsanwaltschaft daraufhin den damaligen Rechtsanwalt wegen Wuchers nach § 293 StGB und angesichts der bei Abschluss der Honorarvereinbarung unterbliebenen weiteren Belehrung wegen Betrugs durch Unterlassen nach § 263 StGB angeklagt. Anders als vor dem LG hatte sie damit vor dem BGH zumindest teilweise Erfolg.
III Begründung
Zwar verneint auch der 4. Strafsenat mangels tatsächlicher Opferlage des Mandanten eine Strafbarkeit wegen Wuchers; eine Täuschung durch Unterlassen und damit ein Betrug sieht er aber anders als die Vorinstanz als gegeben an.
Dazu unters...