Auch im ersten Halbjahr 2015 hat das BSG eine Reihe von Entscheidungen zu den Bedarfen für Unterkunft und Heizung (§ 22 SGB II) getroffen.
a) Anwendung der Wohngeldtabelle in Orten ohne Mietenstufe
Die Angemessenheit der nach § 22 Abs. 1 SGB II zu übernehmenden Unterkunftskosten ist von den Jobcentern mithilfe eines "schlüssigen Konzepts" zu ermitteln. Liegt ein solches nicht vor oder genügt das angewandte Bewertungsschema nicht den Anforderungen, die die Rechtsprechung des BSG stellt, kann auf die Tabellenwerte des § 12 Wohngeldgesetzes zurückgegriffen werden. Diese Werte unterscheiden auf der Grundlage der Wohngeldverordnung nach Mietstufen. Nicht gesondert erfasst werden jedoch Gemeinden mit weniger als 10.000 Einwohnern, die dann der nächst größeren Gebietskörperschaft zugeordnet werden, häufig dem Landkreis. Erfolgt eine Begrenzung der Unterkunftsleistungen durch die Werte der Wohngeldtabelle plus Zuschlag und ist für die Wohnortgemeinde im Vergleichsraum keine eigene Mietenstufe festgelegt, ist unter Berücksichtigung der örtlichen Gegebenheiten die Mietenstufe einer anderen Gemeinde im Vergleichsraum zugrunde zu legen (BSG, Urt. v. 16.6.2015 – B 4 AS 44/14 R). In dem zu entscheidenden Fall hat das Gericht bei einer kleinen Gemeinde im unmittelbaren Umfeld von Freiburg nicht die Tabellenwerte des eher ländlich geprägten Landkreises herangezogen sondern die (höheren) der Stadt Freiburg.
b) Begrenzung der Deckelung nach § 22 Abs. 1 S. 2 SGB II
Nach § 22 Abs. 1 S. 2 SGB II sind die Leistungen auf die bisher zu tragenden Unterkunftsaufwendungen gedeckelt, wenn Leistungsberechtigte ohne, dass das erforderlich ist, aus einer Unterkunft mit angemessenen Aufwendungen in eine andere, teurere, aber immer noch angemessene Unterkunft umziehen. Im Gesetzeswortlaut ist hierfür keine zeitliche Grenze vorgesehen. Mit Urteil vom 29.4.2015 (B 14 AS 6/14 R) hat das BSG nun für eine solche Deckelung zum einen die (ungeschriebene) Voraussetzung aufgestellt, dass zutreffend ermittelte Angemessenheitsgrenzen für die Unterkunfts- und Heizungskosten bestehen: Ist das nicht der Fall, scheidet eine Deckelung nach dieser Vorschrift aus. Zum zweiten hat das BSG eine Dynamisierung gefordert: Der Deckel ist bei anerkannten Kostensteigerungen auf dem allgemeinen Wohnungsmarkt anzuheben. Genaue Maßstäbe hierfür hat das BSG nicht festgesetzt.
Hinweise:
- Da es für eine zutreffend ermittelte Angemessenheitsgrenze nicht ausreicht, wenn sich das Jobcenter auf die Wohngeldtabelle zurückzieht, diese aber in der Praxis häufig herangezogen wird, ist ein Vorgehen gegen die Deckelung i.d.R. erfolgversprechend.
- Erhöhungen der Angemessenheitsgrenze sollten proportional auf die Deckelungshöhe übertragen werden.
c) Nebenkostenabrechnungen
2011 hatte das BSG entschieden, dass Nebenkostennachforderungen aus einem früheren Mietverhältnis auch dann den laufenden Bedarfen für Unterkunft und Heizung zuzurechnen sind, wenn Leistungsberechtigte sowohl zum Zeitpunkt der Entstehung als auch der Fälligkeit der Nebenkostennachforderungen im Bezug von SGB-II-Leistungen standen und die bisherige Wohnung wegen einer Kostensenkungsobliegenheit aufgegeben wurde; der Anspruch folgt, so das Gericht, aus § 40 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 SGB II, § 330 Abs. 3 S. 1 SGB III und 48 Abs. 1 S. 1 SGB X (BSG, Urt. v. 20.12.2011 – B 4 AS 9/11 R, s. Klaus jurisPR-SozR 16/2012, Anm. 1). Begründet wird dies damit, dass § 22 Abs. 1 SGB II nicht nur laufende, sondern auch einmalige Kosten für Unterkunft und Heizung umfasst. Soweit eine Nachforderung in einer Summe fällig werde, sei sie als tatsächlicher, aktueller Bedarf im Zeitpunkt ihrer Fälligkeit zu berücksichtigen.
Nunmehr hat es das BSG abgelehnt, eine Nebenkostennachforderung als laufenden Bedarf anzuerkennen, die tatsächlich vor der Zeit der Hilfebedürftigkeit entstanden ist. Dabei handele es sich nur um nicht zu übernehmende Schulden aus einem früheren Mietverhältnis (BSG, Urt. v. 25.6.2015 – B 14 AS 40/14 R). Darauf, ob die Nachforderung zu einem Zeitpunkt fällig wurde, als der Kläger noch im Leistungsbezug stand, soll es nicht ankommen. Die Schulden gegenüber dem bisherigen Vermieter bleiben also bestehen – mangels Leistungsfähigkeit dürfte der bisherige Vermieter daher unbefriedigt bleiben.
d) Keine Aufrechnung eines Mietkautionsdarlehens aus der Zeit vor dem 1.4.2011
Umstritten war, ob das Jobcenter die laufenden Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II gegen seinen Anspruch auf Rückzahlung eines Mietkautionsdarlehens aufrechnen konnte. Für Mietkautionsdarlehen, die vor dem 1.4.2011 erbracht worden waren, verneinte das BSG diese Frage: Zwar sei offen, ob § 42a Abs. 2 SGB II eine solche Aufrechnung trage. Jedenfalls für Altdarlehen sei § 42a Abs. 2 SGB II nicht anwendbar; eine andere Rechtsgrundlage bestehe nicht (BSG, Urt. v. 25.6.2015 – B 14 AS 28/14 R).