Im Gegensatz zu einem solchen festen Vertragsstrafeversprechen steht das Vertragsstrafeversprechen nach Hamburger Brauch, bei dem die Höhe der Vertragsstrafe nach billigem Ermessen festzusetzen ist, sei es durch das Gericht ("alter Hamburger Brauch") oder durch den Gläubiger bzw. einen Dritten ("neuer Hamburger Brauch"). Mit einem solchen Vertragsstrafeversprechen nach Hamburger Brauch hatte sich der BGH in nachfolgendem Beispiel "Kostenlose Schätzung" zu befassen.

 

Beispiel "Kostenlose Schätzung" (BGH GRUR 2014, 498):

Hier hatte sich der Schuldner dazu verpflichtet, "es bei Meidung einer von der Klägerin im Einzelfall festzusetzenden und auf Angemessenheit durch das zuständige Gericht überprüfbaren Vertragsstrafe zu unterlassen, ab dem 4.11.2011 im geschäftlichen Verkehr beim Goldankauf mit der Formulierung ‚kostenlose Schätzung‘ zu werben."

Diese Formulierung der Vertragsstrafevereinbarung, der sog. neue Hamburger Brauch, gestattet es dem Gläubiger, die Höhe der Vertragsstrafe im Falle der Zuwiderhandlung gem. § 315 Abs. 1 BGB nach billigem Ermessen zu bestimmen. Verbindlich ist die Bestimmung aber nur dann, wenn sie der Billigkeit entspricht. Ist dies nicht der Fall oder verzögert der Gläubiger die Bestimmung, so wird die Bestimmung durch das Urteil getroffen (§ 315 Abs. 3 BGB). Regelmäßig erfolgt die Anrufung des Gerichts hierbei durch eine Leistungsklage des Gläubigers, da der Schuldner die Zahlung der festgesetzten Vertragsstrafe unter Berufung auf deren Unbilligkeit verweigert. Der Schuldner ist aber sowohl im Falle der von ihm angenommenen Billigkeit als auch im Falle der Untätigkeit des Gläubigers dazu berechtigt, eine gerichtliche Ersatzleistungsbestimmung im Wege der Gestaltungsklage anzustreben (Staudinger/Rieble, BGB, § 315 Rn 410 ff.).

Die Bestimmung der Höhe der Vertragsstrafe kann gem. § 317 BGB auch grundsätzlich wirksam einem Dritten überlassen werden. Damit ist jedoch nicht gesagt, dass durch ein solches Vertragsstrafeversprechen zugunsten eines Dritten – z.B. zugunsten einer karitativen Einrichtung – die durch eine vorangegangene Zuwiderhandlung gesetzte Wiederholungsgefahr bzw. die Gefahr der Erstbegehung einer Zuwiderhandlung (vgl. § 1004 Abs. 1 S. 2 BGB) beseitigt werden kann. Ob dies der Fall ist, ist im Rahmen einer Einzelfallabwägung zu bestimmen (BGH GRUR 1987, 748, 749 – Getarnte Werbung II), die i.d.R. zu Lasten des Schuldners ausfallen wird (vgl. LG Köln WRP 2013, 123, Köhler/Bornkamm/Bornkamm, Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb, § 12 UWG Rn 1.202).

Nach der Rechtsprechung des BGH (GRUR 1978, 192) und des BAG (NJW 1981, 1799) ist es grundsätzlich unzulässig, dem Gericht von vornherein die Bestimmung der Vertragsstrafe zu überlassen, wie dies der sog. alte Hamburger Brauch vorsah. In seiner Entscheidung "Hamburger Brauch" (GRUR 1978, 192) hatte sich der BGH mit folgendem Vertragsstrafeversprechen zu befassen:

Zitat

  1. Die Firma B. Stoffe in Gießen verpflichtet sich Ihnen gegenüber, es zu unterlassen, mit der Ankündigung "Großer Stoffverkauf nach Ostern" zu werben.
  2. Für jeden Fall zukünftiger Zuwiderhandlung gegen die unter Ziff. 1 aufgeführte Verpflichtung zahlt meine Mandantin eine Vertragsstrafe, deren Höhe in jedem Einzelfall von der 6. Zivilkammer des LG Frankfurt am Main festzusetzen ist.

Der BGH sah dieses Vertragsstrafeversprechen als unwirksam an, da es dem Gericht die Aufgabe übertrage, für die Parteien den Inhalt eines Vertrags durch eine vertragsgestaltende Tätigkeit zu ergänzen (BGH GRUR 1978, 192, 193; Das Bürgerliche Gesetzbuch mit besonderer Berücksichtigung der Rechtsprechung des Reichsgerichts und des Bundesgerichtshofs [im Folgenden: RGRK], § 317 BGB Anm. 3).

 

Praxishinweis:

Im Rahmen eines Abmahnverfahrens sollte ein Vertragsstrafeversprechen zugunsten eines Dritten nur dann abgegeben werden, wenn der Gläubiger dem zugestimmt hat. Von einem Vertragsstrafeversprechen nach neuem Hamburger Brauch ist insgesamt abzuraten.

Es ist möglich, das nach billigem Ermessen zu bestimmende Vertragsstrafeversprechen der Höhe nach zu begrenzen (z.B. "verpflichtet sich dazu, eine vom Gläubiger nach billigem Ermessen festzusetzende und im Streitfall gerichtlich zu überprüfende Vertragsstrafe von nicht mehr als 10.000 EUR zu zahlen"). Auch wenn dem Schuldner selbstverständlich zu empfehlen ist, sich um die Vereinbarung einer solchen Beschränkung zu bemühen (vgl. Köhler/Bornkamm/Bornkamm, a.a.O., § 12 UWG Rn 1.195), sind relative Vertragsstrafen in der Praxis nur relativ selten anzutreffen. Dies ergibt sich aus der Schwierigkeit der Beurteilung, ob der in der Unterlassungserklärung genannte Höchstbetrag ausreichend ist und ob sich die Unterlassungserklärung deshalb im konkreten Einzelfall zur Beseitigung der Wiederholungsgefahr eignet: Die Beschränkung der Vertragsstrafe ist nur dann zulässig, wenn sie sich unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls als angemessen erweist, insbesondere wenn sie sich dazu eignet, zukünftige noch schwerere Verstöße zu verhindern (vgl. BGH GRUR 1985, 937 ...

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