Die Bestimmung der Höhe der Vertragsstrafe bringt regelmäßig besonders große Schwierigkeiten mit sich. Diese Schwierigkeiten sind je nach Art des Vertragsstrafeversprechens unterschiedlicher Natur.
a) Festes Vertragsstrafeversprechen
Beim festen Vertragsstrafeversprechen erfolgt die Bestimmung der Höhe im Ausgangspunkt durch die Multiplikation der Vertragsstrafe mit der Zahl der Zuwiderhandlungen. Als "Zuwiderhandlung" ist hierbei aber nicht der Einzelakt – z.B. der Verkauf – im tatsächlichen Sinne, sondern die Handlung im Rechtssinne zu verstehen; so liegt insbesondere bei einer natürlichen Handlungseinheit nur eine Handlung im Rechtssinne vor (vgl. BGH GRUR 2015 Rn 29 – Kopfhörerkennzeichnung). Gelangt man nach Prüfung zu dem Ergebnis, dass mehrere Handlungen im Rechtssinne bestehen, so ist auf nächster Stufe festzustellen, ob mehrere Zuwiderhandlungen, d.h. mehrere Handlungen im Rechtssinne, zu einer rechtlichen Einheit zusammenzufassen sind; ob dies der Fall ist, ist seit der Aufgabe der Rechtsfigur des Fortsetzungszusammenhangs im Zivilrecht (BGH GRUR 2001, 758 – Trainingsvertrag) im Rahmen einer am Unterlassungsvertrag orientierten Einzelfallbetrachtung festzustellen. Diese kann bzw. wird regelmäßig ergeben, dass mehrere fahrlässig begangene und zeitlich nicht zu weit auseinanderliegende Zuwiderhandlungen, die gleichartig und unter Außerachtlassung derselben Pflichtenlage begangen worden sind, nur als ein Verstoß zu sehen sind und daher auch nur zu einem einzigen Vertragsstrafeanspruch führen (BGH GRUR 2015 Rn 29 – Kopfhörerkennzeichnung).
Führt auch dieser zweite Prüfungsschritt zur Annahme mehrerer Handlungen, kann – wie auch sonst – auf dritter Stufe eine Herabsetzung der Vertragsstrafe nach § 343 BGB angezeigt sein. Auf das Vertragsstrafeversprechen eines Kaufmanns findet § 343 BGB bekanntlich keine Anwendung. Dies ändert aber nichts daran, dass – gewissermaßen auf vierter Stufe – eine Herabsetzung der Vertragsstrafe über § 242 BGB möglich ist, sofern diese in einem außerordentlichen Missverhältnis zur Bedeutung der Zuwiderhandlung steht (BGH GRUR 2009, 181 – Kinderwärmekissen).
Prüfungsschema zur Höhe des Vertragsstrafeanspruchs:
- Liegt trotz mehrerer Einzelakte eine Handlung im Rechtssinne vor?
- Bei mehreren Handlungen im Rechtssinne: Sind die Handlungen zu einer rechtlichen Einheit zusammenzufassen, z.B. wie sie unter Außerachtlassung der gleichen Pflichtenlage begangen worden sind?
- Ist die Vertragsstrafe nach § 343 BGB – Achtung, nach § 348 HGB nicht auf Kaufleute anwendbar – herabzusetzen?
- Kommt eine Herabsetzung nach § 242 BGB in Betracht?
Reizt der Schuldner seine Verteidigungsmöglichkeiten aus, so ist die Geltendmachung einer festen Vertragsstrafe in der Praxis sehr viel schwieriger als dies der erste Anschein erwarten lässt; insbesondere spielen hier Wertungsgesichtspunkte eine viel größere Rolle als dies beiden Parteien bei Abschluss der Vertragsstrafevereinbarung bekannt ist.
Zumindest bei individuell ausgehandelten Vertragsstrafevereinbarungen macht es Sinn, im Einzelnen festzuhalten, wie die Zahl der Einzelhandlungen bestimmt werden soll. Gegebenenfalls kann die Höhe der Vertragsstrafe auch an "Rechenbeispielen", die zum Vertragsinhalt werden, illustriert werden.
b) Vertragsstrafeversprechen nach Hamburger Brauch
Bei der Bestimmung der Vertragsstrafe nach Hamburger Brauch muss der Gläubiger alle Umstände des Einzelfalls, insbesondere die Zahl, die Art, die Schwere und die Folgen der Zuwiderhandlungen sowie den Verschuldensgrad berücksichtigen. Im Gegensatz zu einem festen Vertragsstrafeversprechen darf das Gericht seine eigene Ermessensentscheidung nicht an die Stelle derer des Gläubigers setzen. Es ist also an die Bestimmung des Betrags durch den Gläubiger gebunden, sofern diese nicht unbillig ist.
Hinweis:
Kommt es zum Verstoß, so ist Bemessung nach Umständen des Einzelfalls, wie z.B. Art, Umfang, Schwere und Folgen der Zuwiderhandlung und Verschuldensgrad, erforderlich. Um dem gerecht werden zu können, ist es im Regelfall ratsam, den Schuldner vor der Bemessung der Vertragsstrafe dazu aufzufordern, Auskunft über Art und Umfang der Rechtsverletzung zu geben und die Umstände anzugeben, die aus seiner Sicht für eine niedrige Vertragsstrafe sprechen. Da die Zuwiderhandlung eine vertragliche Pflichtverletzung darstellt, hat der Gläubiger gem. §§ 242, 259 BGB einen sog. unselbstständigen Auskunftsanspruch über alle ihm unbekannten Umstände, die ihm eine billige Festsetzung der Vertragsstrafe ermöglichen.
Die Festsetzung der angemessenen Vertragsstrafe erweist sich immer wieder als Stolperstein für die Gläubiger. Häufig liegt dies daran, dass der Gläubiger die Bestimmung der Vertragsstrafe überhastet, nämlich vor der Kenntnis sämtlicher Umstände des Einzelfalls, die er seine Ermessensentscheidung einbezieht trifft. Darüber hinaus stellt sich die Ermessensentscheidung auch deshalb als problematisch, weil es nur schwer einzuschätzen ist, von welchem Orientierungsrahmen auszugehen ist und welches Gewicht hierbei welchem Faktor zukommt. Die damit verbundene Rechtsunsicherheit sollte die P...