2. Stufe der UWG-Reform gegen Abmahnunwesen tritt in Kraft

Das Gesetz zum Erschweren missbräuchlicher Abmahnungen und zur Stärkung des fairen Wettbewerbs ist teilweise zum 2.12.2020 in Kraft getreten. Erst seit dem 1.12.2021 gilt aber die Einschränkung bei Aktivlegitimation von Wirtschaftsverbänden für UWG-Klagen. Die Übergangsfrist sollte es Verbänden ermöglichen, sich in Listen für qualifizierten Wirtschaftsverbände eintragen zu lassen.

Der Versuch, das Abmahnwesen einzudämmen, wurde vom Gesetzgeber schon häufig unternommen. Er war auch das Hauptziel der UWG-Reform 2020/21 durch das Gesetz zur Stärkung des fairen Wettbewerbs. Die Reform trat in zwei Schritten in Kraft, die zweite erst zum Dezember: 

Seit Dezember 2021 sind weniger Verbände UWG-klagebefugt

Erst zum 1. Dezember 2021 trat die Einschränkung der Klagebefugnis von Verbänden in Kraft, die an diese Berechtigung strengere Anforderungen stellt., als sie zuvor bestanden. Durch diese Hürden entfällt für viele Wirtschaftsverbände die Aktivlegitimation für Wettbewerbsklagen, ihre Abmahnungen werden zahnlos. Die neuen Voraussetzungen (s.u.), insbesondere die Mindestmitgliederzahl 75, sollen verhindern, dass ein Verband nur als "Abmahnverein" gegründet wird.

Eingeschränkte Abmahnaktivlegitimation, trat bereits im Dezember 2020 in Kraft  

Nach § 8 Abs. 3 Nr. 1 des Gesetzes sind bereits seit dem 2.12.2020 Mitbewerber nur noch dann berechtigt, gegen unlauteren Wettbewerb vorzugehen, wenn sie Waren oder Dienstleistungen in nicht unerheblichem Maße und nicht nur gelegentlich vertreiben. Verlangt wird also ein tatsächliches Konkurrenzverhältnis zum abgemahnten Wettbewerber. Durch diese Regelung wurde solchen Unternehmen die Aktivlegitimation entzogen, die tatsächlich nicht am Markt teilnehmen und es nur darauf angelegt haben, kostenpflichtige Abmahnungen auszusprechen. 

Beispiel: Eröffnet also bspw. jemand einen Onlineshop mit Fantasieangeboten, nur um künstlich ein Wettbewerbsverhältnis zu begründen, dann berechtigt ihn dies künftig nicht, der vermeintlichen Konkurrenz eine Abmahnung zu erteilen.

Dies ist grundsätzlich ein begrüßenswertes Anliegen des Gesetzgebers. Allerdings sind Schwierigkeiten bei der Auslegung des unbestimmten Rechtsbegriffs „nicht unerheblich“ vorprogrammiert. Zudem fragt sich, wie im Zweifel der Nachweis erbracht werden soll, dass ein Mitbewerber tatsächlich in nicht unerheblichem Maße am Markt teilnimmt. Gerade Startup Unternehmen, die den Markt erst erforschen, dürfte der erforderliche Nachweis Probleme bereiten.

Einschränkung bei Aktivlegitimation von Wirtschaftsverbänden ab 1.12.2021

Darüber hinaus sind nach dem neuen Gesetz Wirtschaftsverbände nur noch unter der Voraussetzung aktivlegitimiert, dass sie in einer Liste der sog. qualifizierten Wirtschaftsverbände eingetragen sind. Die Eintragung in der besagten Liste soll durch das Bundesamt für Justiz erfolgen, das objektive Kriterien zugrunde legt, wie

  • die Mindestanzahl von 75 Unternehmen, die dem Verein als Mitglieder angehören müssen,
  • und den Umstand, dass die Tätigkeit des Vereins nicht primär darauf gerichtet sein darf, Einnahmen aus den Abmahnungen zu erzielen.

Zum Zeitpunkt der Antragstellung muss der Verein seit mindestens einem Jahr seine satzungsmäßigen Aufgaben wahrgenommen haben.

Diese Neuregelung bezüglich der Klagebefugnis der Wirtschaftsverbände und sonstigen anspruchsberechtigten Stellen trat abweichend vom übrigen Gesetz erst am 1.12.2021 in Kraft. Durch diese Übergangsfrist soll den Wirtschaftsvereinen die Möglichkeit eröffnet werden, sich in die Liste eintragen zu lassen, ohne sofort die Klagebefugnis zu verlieren.

Ziel der UWG-Neuregelung: Abmahntätigkeit von Verbänden zur Gewinnerzielung unterbinden

Ziel des Gesetzes ist es, der Abmahntätigkeit von Verbänden einen Riegel vorzuschieben, die in bloßer Gewinnerzielungsabsicht und mit fraglichen Mitgliederlisten Abmahnungen verschickt haben. Übersehen hat der Gesetzgeber aber, dass es diverse kleine Verbände mit wenigen Mitgliedern gibt, die auf seriöse Art und Weise im Interesse der Verbraucher Verstöße gegen das Wettbewerbsrecht verfolgen.

Diesen Verbänden wird eine weitere Tätigkeit durch das Gesetz erschwert, da sie mitunter die erforderliche Mitgliederzahl von 75 Unternehmen nicht erreichen. Das bislang in § 8 UWG vorgesehene, durchaus sachgerechte Kriterium, dass ein Verband nur bei Branchenbezug zur Abmahnung berechtigt ist, entfällt jedoch künftig. Es fragt sich daher, ob der Gesetzgeber sein Ziel, nicht seriösen Verbänden durch das Erfordernis der Listenzugehörigkeit das Handwerk zu legen, tatsächlich erreicht.

Unzulässigkeit missbräuchlicher Abmahnungen

Bei missbräuchlichen Abmahnungen bestanden schon nach früherer Gesetzeslage gemäß § 8 Abs. 4 UWG keine Ansprüche auf Beseitigung und Unterlassung. Durch die Einführung von Regelbeispielen wollte der Gesetzgeber nun konkretisieren, was nach bisheriger Rechtsprechung unter einer missbräuchlichen Abmahnung zu verstehen ist. So soll beispielsweise bei einem unangemessen hoch angesetzten Gegenstandswert ein Missbrauch vorliegen.

Angesichts der Tatsache, dass die Streitwerte in Wettbewerbssachen von den Gerichten unterschiedlich hoch angesetzt werden, stellt sich jedoch die berechtigte Frage, wann von einer Unangemessenheit im Sinne der Vorschrift auszugehen ist.

Des Weiteren wird ein missbräuchliches Verhalten angenommen, wenn die Vertragsstrafe erheblich überhöht vereinbart oder gefordert wird. Auch hier ist fraglich, ab welcher Höhe die Erheblichkeitsschwelle überschritten sein soll.

Als weiteres Regelbeispiel für missbräuchliche Abmahnungen ist im Gesetz der Fall aufgeführt, dass ein Mitbewerber eine erhebliche Anzahl von Verstößen gegen die gleiche Rechtsvorschrift durch Abmahnungen geltend macht. Dadurch soll die massenhafte Versendung von Abmahnungen unterbunden werden. Aber auch hier fragt sich, ab wann von einer erheblichen Anzahl auszugehen ist.

Gelingt es einem Betroffenen trotz der im Gesetz enthaltenen unbestimmten Rechtsbegriffe nachzuweisen, dass er sich einer missbräuchlichen Abmahnung ausgesetzt sah, dann hat er gemäß § 8 Abs. 3 des neuen Gesetzes einen Anspruch auf Erstattung der ihm entstandenen, notwendigen Rechtsverfolgungskosten.

Ausschluss des Aufwendungsersatzanspruchs

In zwei Fällen stehen dem Abmahnenden kein Anspruch auf Ersatz seiner Aufwendungen, also regelmäßig der entstandenen Anwaltskosten zu. Ferner kann ein Mitbewerber bei einer erstmaligen Abmahnung in diesen Fällen kein Vertragsstrafeversprechen verlangen.

  1. Dies betrifft zunächst Abmahnungen, die sich auf Verstöße gegen gesetzliche Informations- und Kennzeichnungspflichten im elektronischen Geschäftsverkehr oder in Telemedien beziehen.
  2. Die zweite Ausnahme betrifft Abmahnungen von Verstößen gegen die Datenschutzgrundverordnung oder das Bundesdatenschutzgesetz durch Unternehmen sowie gewerblich tätige Vereine, sofern sie in der Regel weniger als 250 Mitarbeiter beschäftigen .

Durch diese Regelung sollen die betreffenden Unternehmen wohl vor einer befürchteten Abmahnwelle durch die DSGVO (→ Abmahnungen wegen DSGVO) geschützt werden. Tatsächlich ist es zu einer solchen Abmahnwelle nicht gekommen. Durch die geplante Regelung legt der Gesetzgeber aber indirekt fest, dass Verstöße gegen die DSGVO grundsätzlich abmahnfähig sind. Steht also zu befürchten, dass Wettbewerber das neue Gesetz gerade zum Anlass nehmen, künftig auch DSGVO Verstöße abzumahnen.

Abschaffung des fliegenden Gerichtsstandes

Da Wettbewerbsverstöße oftmals im Internet begangen werden und die online veröffentlichten Inhalte an jedem beliebigen Ort zur Kenntnis genommen werden können, ergab sich nach früher geltender Gesetzeslage der Gerichtsstand der unerlaubten Handlung an nahezu jedem Ort. Abmahnende konnten sich also aussuchen, vor welchem Gericht sie Klage erheben. Dies führte oftmals dazu, dass sich die Abmahnenden ein bestimmtes Gericht aussuchen, das bekanntermaßen ihre Rechtsauffassung teilt.

Auch dieser Praxis sollte das Gesetz einen Riegel vorschieben, indem der sog. fliegende Gerichtsstand abgeschafft wurde. Den Betroffenen, die mit einer Abmahnung konfrontiert sind, insbesondere kleinen und mittleren Unternehmen, soll die Rechtsverteidigung nicht dadurch erschwert werden, das gezielt bei einem weit entfernten, bestimmten Gericht Klage erhoben wird. Vielmehr ist das Gericht am Wohnort bzw. dem Geschäftssitz des Abgemahnten zuständig. Dies gilt jedenfalls dann, wenn es sich um eine Rechtsstreitigkeit wegen Zuwiderhandlungen im elektronischen Geschäftsverkehr oder in Telemedien handelt.

Das Gesetz ist abgesehen von den Regelungen zur Klagebefugnis nach der Verkündung im Bundesgesetzblatt am 2.12.2020 in Kraft getreten.




Norm: § 8b UWG

Liste der qualifizierten Wirtschaftsverbände
(1) Das Bundesamt für Justiz führt eine Liste der qualifizierten Wirtschaftsverbände und veröffentlicht sie in der jeweils aktuellen Fassung auf seiner Internetseite.
(2) Ein rechtsfähiger Verband, zu dessen satzungsmäßigen Aufgaben es gehört, gewerbliche oder selbstständige berufliche Interessen zu verfolgen und zu fördern sowie zu Fragen des lauteren Wettbewerbs zu beraten und zu informieren, wird auf seinen Antrag in die Liste eingetragen, wenn
1. er mindestens 75 Unternehmer als Mitglieder hat,
2. er zum Zeitpunkt der Antragstellung seit mindestens einem Jahr seine satzungsmäßigen Aufgaben wahrgenommen hat,
3. auf Grund seiner bisherigen Tätigkeit sowie seiner personellen, sachlichen und finanziellen Ausstattung gesichert erscheint, dass er
a) seine satzungsmäßigen Aufgaben auch künftig dauerhaft wirksam und sachgerecht erfüllen wird und
b) seine Ansprüche nicht vorwiegend geltend machen wird, um für sich Einnahmen aus Abmahnungen oder Vertragsstrafen zu erzielen,
4. seinen Mitgliedern keine Zuwendungen aus dem Verbandsvermögen gewährt werden und Personen, die für den Verband tätig sind, nicht durch unangemessen hohe Vergütungen oder andere Zuwendungen begünstigt werden.
(3) § 4 Absatz 3 und 4 sowie die §§ 4a bis 4d des Unterlassungsklagengesetzes sind entsprechend anzuwenden.

Hintergrund:

Das Geschäft mit der Abmahnung ist ein altes Thema, das schwer in den Griff zu bekommen ist. Aus diesem Grunde hat der Gesetzgeber u.a. zum Zweck der Eindämmung einer überbordenden Abmahn-Industrie im Oktober 2013 eine Deckelung der Anwaltskosten im Gesetz für bestimmte Fallkonstellationen eingeführt → Gesetz gegen Abmahnmissbrauch.

Die Crux: Zwar ist der Bedarf an einem Zügeln unseriöse Praktiken Abmahnwesen mit Händen zu greifen. Eine Überregulierung, die nicht nur schwarze Schafe behindert, droht aber auch die Rechtsverfolgung oder rechtmäßig Aktivitäten in diesen Bereichen zu erschweren.

Kriterien für die Rechtsmissbräuchlichkeit von Abmahnungen

  1. Werden überhöhte Abmahngebühren gefordert ?

  2. Ist die Vertragsstrafe überhöht?

  3. Ist die Vertragsstrafe verschuldensunabhängig?

  4. Ist die Vertragsstrafe für jeden einzelnen Verstoß unter Wegfall der Figur des Fortsetzungszusammenhanges gebildet?

  5. Steht die Abmahntätigkeit in keinem vernünftigen Verhältnis zur gewerblichen Tätigkeit des Abmahnenden, mahnt das Unternehmen also mehr ab als seinem eigentlichen Geschäft nachzugehen?

  6. Arbeitet ein Anwalt in eigener Regie?

  7. Handelt es sich um einen sogenannter Vielfachabmahner?


Schlagworte zum Thema:  Wettbewerbsrecht, Abmahnung