Das Verhältnis der außerordentlichen fristlosen Kündigung gem. § 543 Abs. 2 Nr. 3 BGB zur ordentlichen Kündigung gem. § 573 Abs. 2 Nr. 1 BGB beim Zahlungsverzug des Mieters und insbesondere die Folgen von Schonfristzahlungen wird bekanntlich schon lange kontrovers diskutiert. Nach § 569 Abs. 3 Nr. 2 BGB wird nur die außerordentliche fristlose Kündigung unwirksam, wenn der Vermieter bis zum Ablauf von zwei Monaten nach Eintritt der Rechtshängigkeit des Räumungsanspruchs befriedigt wird oder eine öffentliche Stelle eine entsprechende Verpflichtungserklärung abgibt. Da Vermieter häufig aber gleichzeitig auch eine ordentliche Kündigung aussprechen, stellt sich regelmäßig die Frage, was aus dieser Kündigung nach einer Schonfristzahlung wird. Die 66. Zivilkammer des LG Berlin (WuM 2017, 650 = MDR 2018, 20 = GE 2017, 1347) hatte die Auffassung vertreten, die außerordentliche fristlose Kündigung hätte das Mietverhältnis mit ihrem Zugang endgültig beendet. Die vorsorglich ausgesprochene ordentliche Kündigung gehe deshalb ins Leere, weil ein Mietverhältnis, das nach Ablauf einer Kündigungsfrist beendet werden könnte, nicht (mehr) bestehe. Daran ändere auch eine Schonfristzahlung nichts.
Dieser Argumentation ist der VIII. Senat (BGH ZAP EN-Nr. 5/2019 = MDR 2018, 1364 = WuM 2018, 714 = GE 2018, 1389 = NJW 2018, 3517 = DWW 2018, 377 = MietPrax-AK § 573 BGB Nr. 71 m. Anm. Börstinghaus; Börstinghaus jurisPR-BGHZivilR 19/2018 Anm. 1; Börstinghaus LMK 2018, 411605; Kappus NJW 2018, 3522; Beyer jurisPR-MietR 24/2018 Anm. 3; Singbartl/Kraus NZM 2018, 946; Drasdo NJW-Spezial 2019, 1; Dötsch MietRB 2019, 5) nicht gefolgt. Wenn ein Vermieter einen Zahlungsrückstand des Mieters zum Anlass nimmt, das Mietverhältnis fristlos und hilfsweise fristgemäß zu kündigen, liege zunächst einmal keine unzulässige Bedingung vor. Der Vermieter spräche beide Kündigungen gleichzeitig und nicht zeitlich versetzt aus, mache aber deutlich, dass die ordentliche Kündigung erst nachrangig geprüft werden soll. Das sei auch deshalb gerechtfertigt, weil die außerordentliche Kündigung das Mietverhältnis zu einem früheren Termin beendet. Der Vermieter wolle, dass die ordentliche Kündigung auch dann zum Zuge kommen soll, wenn die zunächst wirksam erklärte fristlose Kündigung aufgrund eines gesetzlich vorgesehenen Umstands wie er in § 569 Abs. 3 Nr. 2 BGB aufgezählt wird nachträglich (rückwirkend) unwirksam wird.
In Übereinstimmung mit der wohl ganz herrschenden Auffassung in Rechtsprechung und Literatur versteht der VIII. Senat (ebenso auch: BGH ZAP EN-Nr. 691/2018 = WuM 2018, 758 = NZM 2018, 1017 = ZMR 2019, 13 = MietPrax-AK § 573 BGB Nr. 72 m. Anm. Börstinghaus; Dötsch MietRB 2019, 6) § 569 Abs. 3 Nr. 2 BGB als gesetzliche Fiktion, wonach die durch die wirksam erklärte fristlose Kündigung wegen Zahlungsverzugs bewirkte Beendigung des Mietverhältnisses rückwirkend als nicht eingetreten gilt. Durch eine solche Rückwirkungsfiktion werde auch kein mit einem Gestaltungsrecht nicht zu vereinbarender Schwebezustand geschaffen. Denn das Gesetz halte nicht die Gestaltungswirkung einer wirksam ausgesprochenen fristlosen Kündigung in der Schwebe, sondern es ordnet an, dass die ausgelöste Gestaltungswirkung, die bis zu der Schonfristzahlung oder Übernahmeerklärung zu beachten ist, rückwirkend als nicht eingetreten gilt. Daher verlange § 569 Abs. 3 Nr. 2 BGB auch die Zahlung der fälligen Nutzungsentschädigung nach § 546a BGB.
Praxishinweis:
Beim Zahlungsverzug des Mieters kann also die fristlose Kündigung hilfsweise mit einer ordentlichen Kündigung verbunden werden. Nicht übersehen werden darf aber, dass beide Kündigungstatbestände sowohl unterschiedliche Tatbestandsvoraussetzungen wie auch unterschiedliche Rechtsfolgen haben:
- Die fristlose Kündigung setzt "nur" Verzug voraus. Verzug verlangt gerade kein Verschulden, sondern nur ein Vertretenmüssen, was gem. § 276 BGB schon dann vorliegt, wenn der Schuldner eine Garantie oder ein Beschaffungsrisiko übernommen hat. Das ist bei der Eingehung von Verträgen immer der Fall. Demgegenüber verlangt die ordentliche Kündigung ausdrücklich eine schuldhafte Pflichtwidrigkeit.
- Der erforderliche Rückstand unterscheidet sich. Bei der außerordentlichen Kündigung muss zumindest kurzfristig der Rückstand eine Monatsmiete und einen Cent betragen, ggf. auch zwei Monatsmieten, bei der ordentlichen Kündigung muss der Rückstand der Höhe nach mindestens eine Monatsmiete aber über die Dauer von mindestens einem Monat betragen.
- Während die fristlose Kündigung das Mietverhältnis mit Zugang beendet, ist dies bei der ordentlichen Kündigung erst nach Ablauf der Kündigungsfrist des § 573c BGB der Fall. Der Termin kann manchmal zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung noch nicht abgelaufen sein.