Mit der Neufassung von § 48 Abs. 1 RVG hat der Gesetzgeber praktische Anwendungsprobleme bei der Anwaltschaft beseitigt. Bisher war es streitig, ob Rechtsanwälte, die für den Abschluss eines Vergleichs beigeordnet wurden, nur die Einigungsgebühr aus der Staatskasse erstattet bekamen oder ob alle durch den Vergleich entstehenden Gebühren (Differenzverfahrens- und Differenzterminsgebühr), aus der Staatskasse zu erstatten waren.
Teilweise wurde vertreten, dass der Rechtsanwalt grds. nur die Einigungsgebühr aus der Staatskasse verlangen konnte. Dies wurde u.a. mit einem Umkehrschluss zu § 48 Abs. 3 S. 1 RVG begründet. Der Gesetzgeber hatte mit dem zweiten Kostenrechtsmodernisierungsgesetz § 48 Abs. 3 S. 1 RVG dahingehend reformiert, dass sich die Beiordnung in einer Ehesache im Fall des Abschlusses eines Vertrages i.S.d. Nr. 1000 VV RVG auf alle mit der Herbeiführung der Einigung erforderlichen Tätigkeiten, soweit der Vertrag eine der § 48 Abs. 3 S. 1 RVG genannten Nummern 1–6 betrifft, erstreckt. Das Ziel des Gesetzgebers war es die bisherigen Meinungsstreitigkeiten in der Rechtsprechung zu beseitigen (vgl. Schneider/Wolf/Fölsch/Schafhausen/N. Schneider/Thiel, AnwaltKommentar RVG, § 48 RVG, Rn 85 ff. m.w.N.) und klarzustellen, dass im Falle eines Vertragsabschlusses alle in diesem Zusammenhang anfallende Gebühren zu erstatten waren (vgl. BT-Drucks 19/23484, S. 78). Durch die Klarstellung des Gesetzgebers und die Beschränkung auf Ehesachen schloss diese Ansicht darauf, dass nur alle durch einen Vergleich entstehenden Gebühren in Ehesachen aus der Staatskasse erstattet werden konnten.
Die andere Ansicht sprach sich für die Erstattungsmöglichkeit aller Gebühren bei dem Abschluss eines Vergleichs aus der Staatskasse aus. Dieser Ansicht schloss sich der Bundesgerichtshof im Jahre 2018 an und prägte folgenden Leitsatz:
Zitat
„Schließen die Beteiligten in einer selbstständigen Familiensache einen Vergleich unter Einbeziehung nicht anhängiger Verfahrensgegenstände (Mehrvergleich), hat der unbemittelte Beteiligte einen Anspruch auf Erweiterung der ihm bewilligten Verfahrenskostenhilfe unter Beiordnung seines Bevollmächtigten auf sämtliche in diesem Zusammenhang ausgelöste Gebühren.”
Daran anknüpfend hat der Gesetzgeber § 48 Abs. 1 RVG wie folgt neugefasst:
Zitat
„Der Vergütungsanspruch gegen die Staatskasse ist auf die gesetzliche Vergütung gerichtet und bestimmt sich nach den Beschlüssen, durch die die Prozesskostenhilfe bewilligt und der Rechtsanwalt beigeordnet oder bestellt worden ist, soweit nichts anderes bestimmt ist. Erstreckt sich die Beiordnung auf den Abschluss eines Vertrages im Sinne der Nr. 1000 des Vergütungsverzeichnisses oder ist die Beiordnung oder die Bewilligung der Prozesskostenhilfe hierauf beschränkt, so umfasst der Anspruch alle gesetzlichen Gebühren und Auslagen, die durch die Tätigkeiten entstehen, die zur Herbeiführung der Einigung erforderlich sind,” (BGBl I, S. 3248).
Entsprechend wird nunmehr allgemein für alle Verfahrensarten bestimmt, dass der Vergütungsanspruch gegen die Staatskasse im Falle der Erstreckung der Beiordnung auf den Abschluss eines Vergleichs alle gesetzlichen Gebühren und Auslagen umfasst, die durch die Tätigkeiten entstehen, die zur Herbeiführung der Einigung erforderlich sind. Dies gilt auch dann, wenn sich die Beiordnung oder die Bewilligung der Prozesskostenhilfe auf den Abschluss eines Vergleichs beschränkt (vgl. BT-Drucks 19/23484, S. 79).