Neben der Erhöhung einzelner Gebührentatbestände hat das Kostenrechtsänderungsgesetz eine Vielzahl von strukturellen Änderungen im Vergütungsrecht hervorgebracht.
1. Änderungen im RVG
a) Änderung der Anrechnungsbestimmungen
Das RVG sieht an mehreren Stellen vor, dass bestimmte Gebühren einer Angelegenheit auf Gebühren einer anderen Angelegenheit angerechnet werden.
aa) Anrechnung bei Rahmengebühren, § 14 Abs. 2 RVG n.F.
Mit dem Kostenrechtsmodernisierungsgesetz im Jahre 2013 hat der Gesetzgeber eine Anrechnungsregel für die Fälle der Rahmengebühr in Vorbem. 2.3 Abs. 4 S. 3 VV RVG sowie in Vorbem. 3 Abs. 4 S. 4 VV RVG eingeführt, mit der klargestellt werden sollte, dass der durch die vorangegangene Tätigkeit ersparte Aufwand ausschließlich durch die nunmehr vorgeschriebene Anrechnung berücksichtigt werden soll und nicht nochmals bei der konkreten Bestimmung der Gebühr für das nachfolgende Verfahren (BT-Drucks 19/23484, S. 77). Bei der Anwendung dieser Vorschriften kam es in der Praxis wiederholt zu Anwendungsschwierigkeiten, wodurch Rechtsanwälte im Festsetzungsverfahren ihre Gebühr teilweise doppelt gekürzt haben. Um diese Anwendungsschwierigkeiten zu beseitigen, werden die Vorbem. 2.3 Abs. 4 S. 3 VV RVG sowie die Vorbem. 3 Abs. 4 S. 3 VV RVG aufgehoben und durch § 14 Abs. 2 RVG n.F. ersetzt. Dort heißt es:
Zitat
„(2) Ist eine Rahmengebühr auf eine andere Rahmengebühr anzurechnen, ist die Gebühr, auf die angerechnet wird, so zu bestimmen, als sei der Rechtsanwalt zuvor nicht tätig gewesen,” (BGBl I, S. 3247 f.).
Entsprechend soll der Rechtsanwalt seine zweite Gebühr nach sämtlichen Bemessungsmerkmalen von § 14 Abs. 1 RVG so bestimmen, als sei er zuvor nicht tätig gewesen. Der Synergieeffekt, der durch die weitere Befassung eintritt, wird ausschließlich durch die vorgeschriebene Anrechnung abgegolten (BT-Drucks 19/23484, S. 77).
bb) Anrechnung mehrerer Gebühren, § 15a Abs. 2 RVG n.F.
Mit dem Kostenrechtsänderungsgesetz hat der Gesetzgeber auch die Anrechnung mehrere Gebühren auf eine Gebühr reformiert und § 15a Abs. 2 RVG n.F. eingeführt. Dort heißt es:
Zitat
„(2) Sind mehrere Gebühren teilweise auf dieselbe Gebühr anzurechnen, so ist der anzurechnende Betrag für jede anzurechnende Gebühr gesondert zu ermitteln. Bei Wertgebühren darf der Gesamtbetrag der Anrechnung jedoch denjenigen Anrechnungsbetrag nicht übersteigen, der sich ergeben würde, wenn eine Gebühr anzurechnen wäre, die sich aus dem Gesamtbetrag der betroffenen Wertteile nach dem höchsten für die Anrechnungen einschlägigen Gebührensatz berechnet. Bei Betragsrahmengebühren darf der Gesamtbetrag der Anrechnungen den für die Anrechnung bestimmten Höchstbetrag nicht übersteigen,” (BGBl I, S. 3248).
Mit § 15a Abs. 2 RVG n.F. widerspricht der Gesetzgeber der Rechtsprechung des BGH aus dem Jahre 2017. Der BGH hat in seinem Beschluss den folgenden Leitsatz aufgestellt:
Zitat
„Fällt die Geschäftsgebühr für die vorgerichtliche Tätigkeit des Rechtsanwalts mehrfach an und werden die vorgerichtlich geltend gemachten Ansprüche im Wege objektiver Klagehäufung in einem einzigen gerichtlichen Verfahren verfolgt, so dass die Verfahrensgebühr nur einmal anfällt, sind alle entstandenen Geschäftsgebühren in der tatsächlichen Höhe anteilig auf die Verfahrensgebühr anzurechnen,” (BGH, Beschl. v. 28.2.2017 – I ZB 55/16 = NJW 2017, 1821 ff.).
Der BGH vertrat die Auffassung, dass sämtliche Geschäftsgebühren grds. in der tatsächlichen Höhe auf die gerichtliche Verfahrensgebühr anzurechnen waren. Dies hat dazu geführt, dass der Rechtsanwalt in den Fällen, in denen die Summe der anzurechnenden Beträge die Höhe der Verfahrensgebühr erreicht oder überstiegen hat, im gerichtlichen Verfahren keine Verfahrensgebühr mehr verdient hat.
Durch § 15a Abs. 2 RVG n.F. wird der Anrechnungsbetrag aber begrenzt, wodurch dem Rechtsanwalt i.d.R. eine Verfahrensgebühr erhalten bleibt und seine Motivation für eine gerichtliche Durchsetzung geschaffen werden soll. Entsprechend führt der Gesetzgeber einen Anrechnungshöchstbetrag ein, der sich an § 15 Abs. 3 RVG orientiert. Dies soll an den folgenden Beispielen veranschaulicht werden.
Beispiel 1 (mehrere Wertgebühren, gleicher Gebührensatz):
Die Rechtsanwältin R hat für den Mandanten M außergerichtlich in zwei Angelegenheiten Ansprüche (Anspruch A Streitwert 10.000 EUR; Anspruch B Streitwert 6.000 EUR) gegenüber dem Anspruchsgegner A geltend gemacht. Durch den Umfang und die Schwierigkeit der Tätigkeiten in beiden Angelegenheiten hat R eine Gebühr leicht über der Mittelgebühr i.H.v. 1,6 abgerechnet. Die außergerichtliche Durchsetzung der Ansprüche scheiterte an der Blockadehaltung von A, wodurch R die Ansprüche gerichtlich im Wege der objektiven Klagehäufung geltend gemacht hat. Außergerichtlich sind zwei Geschäftsgebühren entstanden, die auf die spätere Verfahrensgebühr anzurechnen sind. (Anmerkung der Autoren: Die Beispiele wurden nach den neuen Wertgebühren sowie einer Umsatzsteuer von 19 % berechnet).
1. Außergerichtliche Vertretung Anspruch A (10.000 EUR): |
|
a) 1,6-Geschäftsgebühr, Nr. 2300 VV RVG |
982,40 EUR |
b) Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV RVG |
20,00 EUR |
c) Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV RVG |
190,46 EUR |
Summe: |
1.192,86 EUR |
2. Au... |