Der BGH hat in den letzten 17 Jahren immer mehr Schönheitsreparaturklauseln für unwirksam erklärt. Während die ersten Entscheidungen des BGH zum sog. Summierungseffekt noch verhältnismäßig wenige Mietverhältnisse betrafen, erhöhte sich diese Zahl durch die zahlreichen Entscheidungen des BGH zu den „starren” Fristenplänen erheblich. Nach dem „Tornado” des BGH vom 18.3.2015 zur generellen Unwirksamkeit der formularmäßigen Abwälzung der Schönheitsreparaturen auf den Mieter bei unrenoviert übergebener Wohnung ohne entsprechende Ausgleichszahlung war das Thema eigentlich „durch”. Gerichtliche Auseinandersetzungen gab es kaum noch. In der überwiegenden Zahl der Mietverträge war die Abwälzung unwirksam.
In Folge dieser Rechtsprechung verlagerte sich die Diskussion auf das Thema der Rechtsfolgen für die Mietvertragsabwicklung. So tauchte die Frage auf, ob der Mieter vom Vermieter Ersatz der Kosten für die Durchführung nicht geschuldeter Schönheitsreparaturen verlangen konnte, wann eventuelle Ansprüche verjähren und ob der Mieter vom Vermieter die Durchführung der Schönheitsreparaturen bei bestehendem Mietvertrag verlangen kann. Der BGH hat in zwei Entscheidungen vom 8.7.2020 (BGH NZM 2020, 710 = WuM 2020, 559 = DWW 2020, 251 = NJW 2020, 3523 = ZMR 2020, 928; BGH NZM 2020, 704 = WuM 2020, 554 = MDR 2020, 1051 = NJW 2020, 3517 jeweils mit Anm. Zehelein NZM 2020, 708; Artz NZM 2020, 769; Börstinghaus LMK 2020, 432127; Beyer jurisPR-MietR 19/2020 Anm. 1; Kappus NJW 2020, 3522; Gsell/Mayhofer NZM 2020, 1065; Herrlein/Kappus NJW 2021, 36; Wiek WuM 2020, 564; ders. WuM 2021, 16; Börstinghaus jurisPR-BGHZivilR 21/2020 Anm. 1) einen solchen Anspruch mit einer wesentlichen Einschränkung bejaht: Hinsichtlich der Wertverbesserung müsse der Mieter sich regelmäßig mit 50 % an den Kosten beteiligen.
Ausgangspunkt der Argumentation ist der Grundsatz, wonach an die Stelle einer nach § 307 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB unwirksamen Klausel zur Durchführung von Schönheitsreparaturen durch den Mieter bei einer ohne angemessenen Ausgleich unrenoviert bzw. renovierungsbedürftig überlassenen Wohnung nach § 306 Abs. 2 BGB die gesetzliche Regelung des § 535 Abs. 1 S.2 BGB tritt. Die hiernach den Vermieter treffende Instandhaltungslast, wozu auch die Erbringung der Schönheitsreparaturen gehört, bestimmt sich nach dem zum vertragsgemäßen Gebrauch geeigneten Zustand; dies kann auch der unrenovierte bzw. renovierungsbedürftige Zustand der Wohnung zum Zeitpunkt ihrer Überlassung sein. Bei einer wesentlichen Verschlechterung des anfänglichen Dekorationszustands kommt ein Instandhaltungsanspruch des Mieters in Betracht. Da die Wiederherstellung dieses ursprünglichen Dekorationszustands der Wohnung i.d.R. nicht praktikabel, zumindest aber wirtschaftlich nicht sinnvoll ist und deshalb nicht im Interesse vernünftiger Mietvertragsparteien liegt, ist in diesen Fällen allein eine Durchführung von Schönheitsreparaturen sach- und interessengerecht, durch welche der Vermieter die Wohnung in einen frisch renovierten Zustand versetzt. Mit Rücksicht auf Treu und Glauben kann der Mieter eine solche Renovierung verlangen, muss sich aber wegen der dadurch bewirkten Besserstellung gegenüber dem unrenovierten (vertragsgemäßen) Zustand bei Mietbeginn in angemessenem i.d.R. hälftigem Umfang an den erforderlichen Kosten beteiligen. Diese Kostenbeteiligung kann der auf Durchführung von Schönheitsreparaturen in Anspruch genommene Vermieter dem Mieter nach Art eines Zurückbehaltungsrechts entgegenhalten.
Hinweis:
Die Entscheidung wird in der Literatur überwiegend kritisiert und abgelehnt. Es ist aber damit zu rechnen, dass der Senat daran festhält und die Instanzgerichte sie umsetzen. Beide o.g. Entscheidungen vom 8.7.2020 betreffen Fälle, in denen der Mieter vom Vermieter die Durchführung der Schönheitsreparaturen bzw. die Zahlung eines Vorschusses verlangte. Offen ist die Frage, was gilt, wenn der Vermieter von sich aus die von ihm geschuldeten Schönheitsreparaturen durchführt. Kann er dann auch eine Kostenbeteiligung verlangen? Das dürfte allenfalls nach § 559 BGB möglich sein. Hier ist dann fraglich, ob die Durchführung von Schönheitsreparaturen überhaupt eine „bauliche Maßnahme” i.S.d. § 555b BGB darstellt. Das ist bei reinen Dekorationsarbeiten durchaus zweifelhaft. Im Übrigen führt die Auffassung des BGH dazu, dass die Mietsache bei einer wesentlichen Verschlechterung des Dekorationszustands mangelhaft wird, was den Rechtsverlust auf Seiten des Mieters bei unterlassener Mangelanzeige gem. § 536c BGB zur Folge hätte.
Es könnte im Einzelfall für den Mieter wirtschaftlich günstiger sein, sich nicht auf die Unwirksamkeit der Schönheitsreparaturklausel bei unrenoviert übergebener Wohnung zu berufen und dies dem Vermieter rechtzeitig mitzuteilen. Der Aufwand für in Eigenleistungen durchgeführte Arbeiten kann niedriger sein als 50 % der vom Vermieter aufgewandten Fachhandwerkerkosten.