I. Einleitung
Auch das vergangene Halbjahr war geprägt durch die COVID-19-Pandemie und ihre Auswirkungen auf Mietverhältnisse. Nach einem ersten Eingreifen des Gesetzgebers im Rahmen des ersten Lockdowns (Art. 240 EGBGB) hat er dann kurz vor Toresschluss am 31.12.2020 nochmals eingegriffen (dazu unten II. 4.). Auf die Gerichte rollt dabei durchaus eine größere Welle an für die Beteiligten existentiellen Verfahren zu. Letztendlich wird wohl erst der BGH die Rahmenbedingungen entscheiden.
Im Übrigen arbeitet die Koalition die letzten Vereinbarungen aus dem Koalitionsvertrag ab. So wurde Ende 2020 der Entwurf eines Mietspiegelreformgesetzes (MsRG, BR-Drucks 22/21) und einer Mietspiegelverordnung (MsV, BR-Drucks 766/20 v. 17.12.2020) veröffentlicht. Im Vergleich zum Entwurf vom Spätsommer 2020 wurden einige zweifelhafte Punkte wieder aufgegeben. Bedeutsam wird die Änderung der Beweislast sein.
II. Auswirkungen der COVID-19-Pandemie auf Mietverhältnisse
Die augenblickliche Pandemie hat bekanntlich erhebliche Auswirkungen auf die Wirtschaft. Egal ob echter Lockdown, Lockdown light oder schlicht nur pandemiebedingte Kaufzurückhaltung, in weiten Bereichen der Wirtschaft gibt es massive Umsatzeinbrüche. Das gilt sowohl für die Veranstaltungs-, Hotel- und Gastronomiebranche als auch für große Teile des Einzelhandels. Von Beginn der Pandemie an wurde intensiv darüber diskutiert, ob diese Beschränkungen und die wirtschaftlichen Auswirkungen auch Einfluss auf das Mietverhältnis haben. Große Filialisten hatten früh die Einstellung der Mietzahlungen verkündet und dies aus Art. 240 § 2 EGBGB hergeleitet. Diese Vorschrift betraf aber nur den Bestand des Mietverhältnisses, indem er die Kündigung wegen Zahlungsverzuges wegen Mietrückständen in den Monaten April bis Juni 2020 ausschloss (ausführlich Börstinghaus in Blank/Börstinghaus, Miete, 6. Aufl., 2020 § 535 BGB Rn 725 ff). Während Art. 240 § 1 EGBGB sonstigen Schuldnern von Dauerschuldverhältnissen ein temporäres Leistungsverweigerungsrecht einräumte, wenn sie ihre vertraglichen Pflichten aufgrund der durch die COVID-19-Pandemie hervorgerufenen außergewöhnlichen Verhältnisse nicht erfüllen können, galt dies nach Art. 240 § 1 Abs. 4 EGBGB für Miet- und Pachtverhältnisse gerade nicht. Für Mietverhältnisse über Grundstücke oder über Räume wurde demgegenüber in Art. 240 § 2 EGBGB ein vorübergehender Kündigungsschutz eingeführt. Er galt fast für sämtliche Mietverhältnisse über Grundstücke und Räume, unabhängig davon, ob es sich um Wohnraum oder etwa Geschäftsräume handelt.
1. Kündigungsschutz
a) Kein Verfassungsverstoß
Eine Verfassungsbeschwerde gegen die Kündigungsbeschränkung in Art. 240 § 2 EGBGB hat das BVerfG (Beschl. v. 1.4.2020 – 1 BvR 714/20) nicht zur Entscheidung angenommen, da u.a. die erforderliche argumentative Auseinandersetzung mit der Begründung des Gesetzentwurfs und dem Sinn und Zweck der angegriffenen Regelungen auch im Hinblick auf die Belange der Mieterinnen und Mieter fehlte.
b) Glaubhaftmachung
Gemäß Art. 240 § 2 S. 2 EGBGB obliegt es dem Mieter, den Zusammenhang zwischen COVID-19-Pandemie und Nichtleistung der Miete im Streitfall glaubhaft zu machen. Dies stellt eine Privilegierung des Mieters dar, der ansonsten den Vollbeweis zu erbringen hätte. Die Glaubhaftmachung führt zu einer Herabsetzung des Beweismaßes zugunsten des beweispflichtigen Mieters. Er hat den Zusammenhang von Nichtleistung und COVID-19-Pandemie nicht zur vollen Überzeugung des Gerichts zu beweisen, sondern nur mit überwiegender Wahrscheinlichkeit (BGH NJW-RR 2007, 669). Nach Ansicht des AG Hanau (WuM 2020, 660 = ZMR 2020, 840) statuiert die Vorschrift entgegen dem Wortlaut keine Glaubhaftmachungspflicht des Mieters hinsichtlich des Zusammenhangs zwischen der COVID-19-Pandemie und der Nichtleistung der Mieten, sondern eine Beweiserleichterung der Ursächlichkeit bei Vortrag ausreichender Anknüpfungstatsachen i.S.d. § 252 S. 2 BGB (a.A. OLG Nürnberg GE 2020, 1625, 1626).
c) Erforderlicher Zusammenhang
Voraussetzung für die Kündigungssperre des Art. 240 § 2 Abs. 1 EGBGB ist, dass die Nichtzahlung der Miete ganz oder teilweise „auf den Auswirkungen der COVID-19-Pandemie beruht ”. Eine existenzielle Bedrohung des Mieters oder des Unternehmens ist nicht erforderlich (Schmidt-Kessel/Möllnitz NJW 2020, 1103, 1105). Erforderlich ist lediglich ein kausaler Zusammenhang zwischen der COVID-19-Pandemie und der Nichtleistung (OLG Nürnberg GE 2020, 1625). Das ist in der Hotel- und Gastronomiebranche zumindest für die Zeit des ersten Lockdowns offenkundig. Der Mieter muss nicht zusätzlich darlegen und glaubhaft machen, dass er die geschuldete Miete nicht aus anderen Quellen als den laufenden Erträgen der gemieteten Räume aufbringen konnte.
2. Räumungsvollstreckung
Die Gerichte haben während der Pandemie auch Gebrauch von der Bewilligung einer Räumungsfrist gem. § 721 ZPO gemacht. Bei der Entscheidung über die Räumungsfrist hat eine Abwägung der Gläubiger- und Schuldnerinteressen im Einzelfall zu erfolgen. In der Corona-Krise hat diese Intention besondere Bedeutung, da der Wohnungsmarkt auch nach dem beendeten ersten Shutdown weitgehend zum Erliegen gekommen ist. Die Chance, Ersatzwohnraum zu finden, i...