Die Abrechnung von Zeithonoraren bereitet in der Praxis regelmäßig Probleme. Streitigkeiten sind hier an der Tagesordnung.
So hatte sich nach zahlreichen erst- und zweitinstanzlichen Entscheidungen der BGH mit der Frage zu befassen, ob ein 15-Minuten-Takt zulässig sei, also eine Vereinbarung, wonach je angefangene Viertelstunde abgerechnet werde. Der BGH hat mit deutlichen Worten eine solche Vereinbarung gegenüber einem Verbraucher für unwirksam erklärt (NJW 2020, 1811). Ob er eine solche Vereinbarung auch gegenüber einem Unternehmer als unwirksam ansieht, hat er nicht entschieden. Es spricht aber vieles dafür, dass er dies auch so sehen wird. Der BGH hat allerdings angedeutet, dass kürzere Takte durchaus zulässig sein können. Insoweit hat die Instanzrechtsprechung Zeittakte von fünf Minuten (LG Karlsruhe AGS 2021, 259; AG Waldkirch ZAP EN-Nr. 656/2021) bzw. sechs Minuten (LG Freiburg AGS 2020, 457) gegenüber einem Verbraucher als unbedenklich angesehen. Unabhängig davon, welche Takte man für zulässig hält, müssen diese selbstverständlich erst einmal vereinbart werden. Ein Anwalt darf nicht einfach eine beliebige Taktung anwenden, ohne dass dies mit dem Mandanten vereinbart ist (OLG Karlsruhe NJW 2015, 418 und AG Waldkirch ZAP EN-Nr. 656/2021).
Ein weiteres Problem stellen Reise- und Wartezeiten dar. Will der Anwalt solche Zeiten berechnen, muss er dies ausdrücklich vereinbaren (LG Karlsruhe AGS 2021, 259). Ohne eine ausdrückliche Vereinbarung können solche Zeiten nicht abgerechnet werden. Ist eine entsprechende Vereinbarung getroffen worden, dann ist sie aber wiederum AGB-widrig, wenn zugleich auch das Abwesenheitsgeld nach Nr. 7005 VV RVG vereinbart wird. Die Rechtsprechung sieht es als eine unangemessene Benachteiligung an, wenn der Anwalt sich einerseits die Stunden bezahlen lässt und andererseits dafür dann auch noch ein Tage- und Abwesenheitsgeld vereinbart (OLG München NJW-RR 2018, 244).
Streit entsteht auch regelmäßig über die Höhe des Stundensatzes. Häufig werde ich gefragt, welcher Stundensatz für einen Anwalt angemessen sei. Diese Frage ist bereits falsch gestellt. Ein jeder Anwalt muss selbst wissen, was seine Zeit wert ist. Dies kann er zusammen mit seinem Steuerberater einmal ausrechnen, indem er ermittelt, welchen Umsatz er im Monat tätigen muss, um seine Kosten zu decken und das gewünschte Nettoeinkommen zu erzielen. Ermittelt er dann noch, wie viele Stunden er im Monat arbeiten möchte, dann erhält er den Stundenlohn, den er erwirtschaften muss. Mancher Anwalt wird überrascht sein, wie hoch dieser Stundenlohn ausfallen muss. In einer aktuellen Entscheidung hat das OLG Düsseldorf (Beschl. v. 23.11.2021 – I-24 U 355/20) Stundensätze von 500 EUR, 625 EUR und 710 EUR für unbedenklich gehalten und zutreffend darauf hingewiesen, dass es auf den Einzelfall ankommt. Die Angemessenheit eines Stundensatzes hängt nicht nur von der wirtschaftlichen Bedeutung der Sache ab, sondern auch von der Kostenstruktur der jeweiligen Kanzlei. Einzelkanzleien mit wenig Personal, z.T. mit Familienangehörigen, in ländlichen und mietpreismäßig günstigen Landesteilen können deutlich günstiger kalkulieren als international tätige Großkanzleien in Städten mit teuren Mieten und einem großen und kostspieligen Personalbestand.
Das OLG Düsseldorf weist ferner darauf hin, dass die Höhe des Stundensatzes einer AGB-Kontrolle nicht zugänglich sei. Hier ist ein Korrektiv nur über § 3a Abs. 3 RVG möglich. Wenn der Stundensatz im Einzelfall unangemessen hoch ist, dann kann er vom Gericht nach Einholung eines Gutachtens des Vorstands der Rechtsanwaltskammer auf ein angemessenes Maß herabgesetzt werden.
Ein weiteres (Schein-)Problem ergibt sich bei der Angemessenheit der Vergütung. Nach der Rechtsprechung des BGH (zuletzt AGS 2017, 63) spricht eine Vermutung dafür, dass die vereinbarte Vergütung unangemessen hoch ist, wenn sie die gesetzliche Vergütung um das Fünffache übersteigt. Erforderlich ist also das Überschreiten des Sechsfachen, was häufig übersehen wird. Hier versuchen viele Gerichte auch bei Stundensatzvereinbarungen anzusetzen und eine unangemessene Höhe zu konstruieren, was aber unzutreffend ist, wie auch das BVerfG (AGS 2009, 423) bereits entschieden hat. Bei einer Stundensatzvereinbarung kann sich die Unangemessenheit nur aus der Höhe des Stundensatzes ergeben, nicht aber aus der Anzahl der geleisteten Stunden (OLG Celle AGS 2010, 5; AG Döbeln AGS 2011, 64). Die Anzahl der tatsächlich geleisteten und nachgewiesenen Stunden kann lediglich damit angegriffen werden, dass der Aufwand unangemessen hoch gewesen sei und der Anwalt gegen seine Pflicht zur betriebswirtschaftlichen Mandatsführung verstoßen habe. Insoweit trägt allerdings der Mandant die Darlegungs- und Beweislast, da er eine Pflichtverletzung nach § 280 BGB einwendet (so zum vergleichbaren Fall einer Stundenabrechnung im Rahmen eines Werkvertrags: BGH NJW 2009, 3426). Allerdings trifft den Anwalt insoweit eine sekundäre Darlegungs- und Beweislast.
Wichtig ist am Schluss...