In der Praxis kommt es gar nicht einmal so selten vor, dass während eines gerichtlichen Verfahrens ein Anwaltswechsel deshalb vorgenommen wird, weil der ursprüngliche Prozess- oder Verfahrensbevollmächtigte seine Zulassung zurückgegeben hat oder diese entzogen worden ist. Bestellt die hiervon betroffene Partei einen anderen Rechtsanwalt zum Prozess- oder Verfahrensbevollmächtigten, so fallen diesem zumindest teilweise dieselben Gebühren an, wie sie bereits der ausgeschiedene Rechtsanwalt verdient hatte. Somit entstehen für den vom Anwaltswechsel betroffenen Mandanten Mehrkosten. Im Kostenfestsetzungsverfahren stellt sich dann die Frage, ob und ggf. unter welchen Voraussetzungen diese Mehrkosten erstattungsfähig sind.
1. Gesetzliche Ausgangslage
Gemäß § 91 Abs. 2 S. 1 ZPO sind die gesetzlichen Gebühren und Auslagen des Rechtsanwalts der obsiegenden Partei in allen Prozessen zu erstatten. Gem. § 91 Abs. 2 S. 1 ZPO, der in anderen Verfahrensordnungen entsprechend heranzuziehen ist, etwa über § 173 S. 1 VwGO in Verwaltungsstreitverfahren, sind die Kosten mehrerer Rechtsanwälte nur insoweit zu erstatten, als sie die Kosten eines Rechtsanwalts nicht übersteigen oder als in der Person des Rechtsanwalts ein Wechsel eintreten musste. Im Regelfall übersteigen die Anwaltskosten bei einem Anwaltswechsel nach Rückgabe der Zulassung die Kosten eines Rechtsanwalts, weil sowohl der ausgeschiedene als auch der neue Prozess- oder Verfahrensbevollmächtigte zumindest die Verfahrensgebühr für das Betreiben des Geschäfts (siehe Vorbem. 3 Abs. 2 VV RVG) durch eigene Tätigkeiten verdient haben. Für die Erstattungsfähigkeit der Mehrkosten kommt es in solchen Fällen darauf an, ob in der Person desâEUR™Rechtsanwalts ein Wechsel eintreten musste. Die hiermit zusammenhängenden Fragen sollen anhand eines praktischen Falles erörtert werden.
2. Der Fall des OVG Lüneburg
In dem Verwaltungsstreitverfahren vor dem VG Osnabrück ließ sich der Kläger nacheinander von zwei Prozessbevollmächtigten vertreten. Zunächst war für den Kläger Rechtsanwalt X tätig, der jedoch seine Zulassung deshalb zurückgegeben hat, weil deren Widerruf wegen Vermögensverfalls bevorstand. Hieraufhin ließ sich der Kläger nunmehr von den Rechtsanwälten Y als Prozessbevollmächtigte vertreten. Aufgrund der ihm günstigen Kostenentscheidung hat der Kläger neben weiteren Gebühren und Auslagen sowohl die Rechtsanwalt X als auch die den Rechtsanwälten Y angefallene 1,3 Verfahrensgebühr nach Nr. 3100 VV RVG geltend gemacht. Der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle hat nur eine Verfahrensgebühr festgesetzt. Den hiergegen gerichteten Antrag auf gerichtliche Entscheidung (Erinnerung) hat das VG Osnabrück zurückgewiesen. Die dagegen erhobene Beschwerde des Klägers war beim OVG Lüneburg ebenfalls erfolglos.
3. Gebührenrechtliche Betrachtung
Gemäß § 15 Abs. 2 RVG kann der Rechtsanwalt die Gebühren in derselben Angelegenheit nur einmal fordern. Liegt allerdings ein Fall vor, in dem der Beteiligte – wie hier der Kläger – von verschiedenen Prozessbevollmächtigten vertreten worden ist, kann der "neue" Rechtsanwalt, das waren hier die Rechtsanwälte Y, noch einmal dieselben Gebühren verdienen, die bereits der andere Rechtsanwalt in derselben Sache verdient hat; § 15 Abs. 2 RVG steht der Entstehung des Gebührenanspruchs hier also nicht entgegen.
4. Erstattungsrechtliche Betrachtung
Allerdings hat die Gegenpartei – das war hier im Fall des OVG Lüneburg der Beklagte – diese Kosten nur nach Maßgabe des § 91 Abs. 2 S. 2 ZPO zu erstatten. Danach sind die Kosten mehrerer Rechtsanwälte nur insoweit zu erstatten, als in der Person des Rechtsanwalts ein Wechsel eintreten musste. Danach sind bei einem Anwaltswechsel die hierdurch entstehenden Mehrkosten nur dann notwendig i.S.v. § 91 Abs. 2 S. 2 Hs. 2 ZPO, wenn er nicht auf ein Verschulden der Partei oder ein ihr nach dem Grundgedanken des § 85 Abs. 2 ZPO zuzurechnendes Verschulden ihres Rechtsanwalts zurückzuführen ist. Dies beruht auf dem Umstand, dass für die Erstattungsfähigkeit von Mehrkosten, die durch einen Anwaltswechsel entstanden sind, nicht schon die objektive Notwendigkeit des Anwaltswechsels genügt. Vielmehr sind die durch einen Anwaltswechsel entstandenen Mehrkosten nur dann erstattungsfähig, wenn ein Anwaltswechsel darüber hinaus unvermeidbar war, mithin weder von der erstattungsberechtigten Partei noch von ihrem Prozessbevollmächtigten schuldhaft verursacht worden war.
Den Rechtsanwalt trifft bei einer Rückgabe der Zulassung kein Verschulden an dem dadurch notwendig gewordenen Anwaltswechsel, wenn er seine Zulassung aus achtenswerten Gründen aufgegeben hat und er bei Mandatsübernahme nicht vorhersehen konnte, dass er die Zulassung in absehbarer Zeit aufgeben und deshalb den Auftrag voraussichtlich nicht zu Ende führen könne (BGH, Beschl. v. 22.8.2012 – XII ZB 183/11, RVGreport 2013, 26 [Hansens], AGS 2013, 93; BGH, Beschl. v. 12.9.2012 – IV ZB 3/12, zfs 2012, 644 m. Anm. Hansens, RVGreport 2012, 422 [Hansens], AGS 2012, 544, NJW 2012, 3790 m. Anm. Deckenbrock).
a) Rückgabe der Zulassung wegen wirtschaftlicher Schwierigkeiten
Wirtschaftliche Schwierigkeiten eines Rechtsanwalts stellen regelmäßig keinen achtenswerten Grund i.S.v. § 91 Ab...