Zu den Sorgfaltspflichten des Anwalts bei der Übermittlung fristgebundener Schriftsätze per elektronischem Anwaltspostfach (beA) hat sich jüngst wieder der BGH geäußert und dabei einige prägnante Hinweise gegeben. So vergleicht er etwa die Sorgfaltspflichten bei der Benutzung des beA mit denen, die der Anwaltschaft bereits bisher durch die Benutzung des Telefax bekannt sind (BGH, Beschl. v. 11.1.2023 – IV ZB 23/21).
Der Fall: Der betroffene Kollege hatte für einen Mandanten einen Antrag auf Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist gefertigt und diesen Schriftsatz qualifiziert elektronisch signiert. Anschließend wies er seine Angestellte an, den Schriftsatz über das beA sofort an das Oberlandesgericht zu übermitteln. Die Angestellte veranlasste daraufhin die Versendung des Schriftsatzes über das beA gemeinsam mit einigen weiteren an dasselbe Berufungsgericht gerichteten Fristverlängerungsgesuchen aus anderen Verfahren. Im Nachhinein stellte sich heraus, dass der ausgerechnet hier in Frage stehende Schriftsatz – im Unterschied zu den weiteren Fristverlängerungsanträgen – nicht übermittelt worden war.
Der Antrag des Kollegen auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand hatte keinen Erfolg. Seine Argumentation, es bestehe eine generelle Anweisung in seiner Kanzlei, dass in jedem Fall zu prüfen sei, ob eine Bestätigung des Eingangs des elektronischen Dokuments bei Gericht erteilt worden sei, hielt der BGH für unzureichend. In seinem Beschluss führt der Senat zu den Sorgfaltspflichten eines Anwalts bei der Übermittlung fristgebundener Schriftsätze aus: Der Anwalt habe grds. sein Möglichstes zu tun, um Fehlerquellen bei der Behandlung von Rechtsmittelfristen auszuschließen. Dabei entsprechen die anwaltlichen Sorgfaltspflichten im elektronischen Rechtsverkehr über das beA denen bei Übersendung von Schriftsätzen per Telefax. Unerlässlich sei hierbei die Überprüfung des Versandvorgangs. Dies erfordere die Kontrolle, ob die Bestätigung des Eingangs des elektronischen Dokuments bei Gericht nach § 130a Abs. 5 S. 2 ZPO erteilt worden sei.
In diesem Zusammenhang reiche eine pauschale Weisung an die den Postversand tätigenden Büromitarbeiter, zu prüfen, ob das elektronische Empfangsbekenntnis bzw. die Bestätigung des Eingangs des elektronischen Dokuments nach § 130a Abs. 5 S. 2 ZPO vorliegt, nicht aus. Bei einer derartigen Anordnung vermisst der Senat vielmehr hinreichende Anweisungen dazu, wie der zuständige Mitarbeiter die Kontrolle im Einzelfall vorzunehmen hat. Der Rechtsanwalt müsse dem Mitarbeiter nämlich auch vorgeben, an welcher Stelle innerhalb der benutzten Software die elektronische Eingangsbestätigung gem. § 130a Abs. 5 S. 2 ZPO zu finden sei und welchen Inhalt sie haben müsse.
Eine derart genaue Anweisung sei insb. deshalb erforderlich, um Verwechslungen der Eingangsbestätigung gem. § 130 Abs. 5 S. 2 ZPO mit dem Übermittlungsprotokoll zu vermeiden, dessen Vorliegen für die Ausgangskontrolle nicht genüge. Wie die Eingangsbestätigung aufgerufen und ihr Inhalt überprüft werden könne, erfordere eine intensive Schulung der mit dem Versand über das beA vertrauten Mitarbeiter. Das gelte nicht nur im Fall der Versendung über die eigene Internet-Anwendung des beA, sondern auch dann, wenn der elektronische Rechtsverkehr – wie oft in Anwaltskanzleien – über die Schnittstelle eines Büroverwaltungsprogramms abgewickelt werde.
Aus dieser Entscheidung des IV. BGH-Senats kann erfreulich deutlich entnommen werden, wie der Vortrag des Anwalts bei einem eventuellen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand aussehen sollte: Es reicht keinesfalls aus, die üblichen Floskeln zur Auswahl und Überwachung des Personals sowie eine generelle Kanzleianweisung zur Eingangskontrolle von Schriftsätzen vorzubringen. Vielmehr muss detailliert geschildert werden, dass das Personal ausreichend intensiv im Umgang mit dem beA geschult wurde und dass es insb. auch in der Lage ist, Eingangsbestätigungen von Übermittlungsprotokollen zu unterscheiden.
[Quelle: BGH]