Die wehrhafte Demokratie zeichnet sich dadurch aus, dass sich die Demokratie gegen ihre Feinde zur Wehr setzt. Das kann die Zivilgesellschaft nicht allein, deshalb gibt es den Verfassungsschutz. Besonders gefährlich sind die Feinde der Demokratie, wenn sie selbst Teil des Staates sind oder sogar Teil der Sicherheitsbehörden. Denn deren Aufgabe ist es, den Staat zu schützen.
Seit Jahren spricht der Verfassungsschutz nicht mehr von Einzelfällen. Nach dem letzten Lagebild sind unter den 355.000 Mitarbeitenden der Bundessicherheitsbehörden 138 Personen mit verfassungsfeindlichen Bestrebungen. Das ist prozentual nicht viel, aber natürlich zu viel, um sich zurückzulehnen. Zumal das Dunkelfeld größer sein könnte.
Die Ampel-Koalition hat sich vorgenommen, Verfassungsfeinde schneller als bisher aus dem öffentlichen Dienst zu entfernen. Das ist ein wichtiger Schritt. Die Aufdeckung eines Reichsbürger-Netzwerks im Dezember hat die Dringlichkeit noch einmal unterstrichen. Wäre diese Gruppe wirklich in der Lage gewesen, einen erfolgreichen Putsch durchzuführen? Um das Land in seinen Grundfesten zu erschüttern und das Vertrauen in die Wehrhaftigkeit unseres Systems zu unterminieren, kommt es darauf nicht an. Unter den Verdächtigen, die einen Putsch geplant haben sollen, ist eine Richterin, außerdem Polizisten und Soldaten (wenn auch vor allem ehemalige). Sie alle haben einst einen Eid auf die Verfassung geschworen, möglicherweise haben einige noch Zugang zu Waffen.
Das Bundeskabinett hat Mitte Februar den Gesetzentwurf zur Verschärfung des Disziplinarrechts beschlossen, den das Haus von Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) erarbeitet hat. Die Beratungen im Bundestag stehen noch aus. Zum einen sollen die Voraussetzungen für die Entfernung aus dem Staatsdienst abgesenkt werden: Bei Volksverhetzungen soll künftig eine Verurteilung zu einer Haftstrafe von sechs Monaten ausreichen, dann endet das Beamtenverhältnis automatisch.
Außerdem soll für die Entfernung aus dem Dienst eine Disziplinarklage nicht mehr erforderlich sein, nach Faesers Vorstellungen soll die Behördenspitze die Entlassung selbst verfügen können. Es liegt dann an dem Beamten, dagegen vorzugehen. Das macht in der Praxis einen größeren Unterschied, als es auf den ersten Blick scheint: Das Verfahren wird stark beschleunigt, weil jedenfalls im ersten Schritt das langwierige Klageverfahren entfällt. Wer im Verdacht steht, die freiheitliche demokratische Grundordnung abzulehnen, kann bisher noch jahrelang Beamtenprivilegien genießen. Künftig soll das nicht mehr möglich sein. Das Bundesverfassungsgericht hat im Jahr 2020 über die Rechtslage in Baden-Württemberg entschieden, dass eine Entlassung aus dem Beamtenverhältnis zulässig ist, sofern die Entscheidung der gerichtlichen Vollkontrolle unterliegt (s. BVerfG, Beschl. v. 14.1.2020 – 2 BvR 2055/16).
Leider hat Faeser selbst dazu beigetragen, dass das Misstrauen gegen den Vorstoß zunächst groß war. Sie hatte selbst von einer „Beweislastumkehr” gesprochen, obwohl ihre Ideen damit gar nichts zu tun haben. Es bleibt dabei, dass die Behörde die Beweislast für das Dienstvergehen trägt. Es ist rechtsstaatlich nicht zulässig – und wäre auch weder praktikabel noch sinnhaft – den Beamten aufzulegen, ihre Verfassungstreue selbst belegen zu müssen.
Der Beamtenbund sieht die Reform kritisch, auch die Union sorgt sich, dass dadurch ein Generalverdacht gegen die Beamtenschaft begründet werden könnte. Doch dieses Argument sollte nicht dafür herhalten, extremistische Einzelfälle zu decken. Es ist doch genau umgekehrt: Eine wirksame Handhabe gegen Extremisten stärkt das Vertrauen in die Integrität des öffentlichen Dienstes. Und der hat Vertrauen verdient. Die große Mehrheit der Beamten steht mit beiden Beinen fest auf dem Boden des Grundgesetzes. So wichtig es ist, die Missstände zu benennen und aktiv dagegen vorzugehen, so wenig darf die Politik aus dem Auge verlieren, wie groß die Zahl derer ist, die sich voller Überzeugung gegen Verfassungsfeinde zur Wehr setzen.
ZAP F., S. 257–258
Dr. Helene Bubrowski, Juristin und politische Korrespondentin der FAZ, Berlin