In Zusammenhang mit der Einziehung (§§ 73 ff. StGB) mehren sich Kosten-/Auslagenentscheidungen, die sich mit der Frage der Verteilung von Kosten/Auslagen befassen, wenn z.B. der Angeklagte erstinstanzlich oder mit einem Rechtsmittel gegen eine Einziehungsentscheidung Erfolg hatte.
Dazu hat jetzt u.a. das BayObLG (Beschl. v. 27.10.2023 – 204 StRR 394/23, AGS 2024, 38 = StraFo 2024, 74) umfassend Stellung genommen. Nach dem Sachverhalt hatte das AG den Angeklagten wegen Diebstahls zu einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten ohne Bewährung verurteilt und die Einziehung eines sichergestellten iPhone 11 des Angeklagten angeordnet. Gegen dieses Urteil legte der Angeklagte unbeschränkt Berufung ein, die keinen Erfolg hatte.
Mit seiner gegen das Berufungsurteil eingelegten Revision hat der Angeklagte die Verletzung materiellen Rechts gerügt. Das Rechtsmittel war, soweit es sich gegen den Schuldspruch des Diebstahls und die hierfür festgesetzte Freiheitsstrafe gerichtet hat, unbegründet und ist nach § 349 Abs. 2 StPO verworfen worden. Erfolgreich war die Revision u.a. aber hinsichtlich der angeordneten Einziehung. Das BayObLG hat insoweit festgestellt, dass gem. § 74 Abs. 1 StGB nur Gegenstände eingezogen werden können, die durch eine vorsätzliche Tat hervorgebracht (Tatprodukte) oder zu ihrer Begehung oder Vorbereitung gebraucht worden oder bestimmt gewesen sind (Tatmittel). Keine dieser Tatbestandsalternativen treffe auf das sichergestellte Mobiltelefon iPhone 11 des Angeklagten zu. Es hat daher die Anordnung der Einziehung des sichergestellten Mobiltelefons iPhone 11 des Angeklagten entfallen lassen. Das BayObLG (a.a.O.) hat sodann folgende Kostenentscheidung getroffen:
Zitat
„Die Gerichtskosten werden um die in Bezug auf das Einziehungsverfahren in der Berufungs- und in der Revisionsinstanz anfallenden Gerichtsgebühren gemindert. Die Staatskasse hat die dem Angeklagten im Verfahren aller Instanzen entstandenen notwendigen Auslagen, die die Einziehung betreffen, zu erstatten. Der Angeklagte hat die weiteren Kosten seiner Rechtsmittel zu tragen.”
Das BayObLG hat seine Entscheidung (Beschl. v. 27.10.2023 – 204 StRR 394/23, a.a.O.) umfassend begründet, und zwar wie folgt: Entfalle die Einziehungsanordnung aus Rechtsgründen, müsse sich dies, wenn die Tragung der gesamten Kosten durch den Angeklagten unbillig wäre, bei der Kostenentscheidung zugunsten des Angeklagten auswirken. Dies geschehe dadurch, dass die Gerichtskosten um die in Bezug auf das Einziehungsverfahren in den Rechtsmittelinstanzen anfallenden Gebühren (Nrn. 3430 und 3440 KV GKG) gemindert (§ 473 Abs. 4 S. 1 StPO) und dass dem Angeklagten diejenigen durch das Einziehungsverfahren in allen Instanzen entstandenen notwendigen Auslagen (Nr. 4142 VV RVG) erstattet werden (§ 473 Abs. 4 S. 2, § 465 Abs. 2 S. 3 StPO analog). Der Grundsatz der Einheitlichkeit der Kostenentscheidung stehe dem nicht entgegen, da sich für das Strafverfahren und das Einziehungsverfahren unterschiedliche Gebühren- und Vergütungssysteme gegenüberstehen, die es schwierig machen, den Rechtsmittelerfolg in einer jeweils einheitlichen Quote der zu ermäßigenden Gerichtskosten und der zu erstattenden notwendigen Auslagen abzubilden, während demgegenüber die auf die Einziehung entfallenden Kosten ohne Weiteres ausscheidbar sind.
Hinweis:
Anzumerken ist: Das BayObLG setzt in der Entscheidung konsequent die Rechtsprechung des BGH (s. einerseits BGH, Beschl. v. 25.2.2021 – 1 StR 423/20, NJW 2021, 1829 = AGS 2021, 287 = JurBüro 2021, 367 = Sonderausgabe StRR 11/2021, 2; Beschl. v. 6.10.2021 – 1 StR 311/20, AGS 2022, 369; Beschl. v. 13.10.2021 – 4 StR 270/21), die insoweit den Rechtsgedanken des § 465 Abs. 2 StPO anwendet (vgl. aber andererseits BGH, Beschl. v. 26.5.2021 – 5 StR 458/20, NStZ-RR 2021, 229 m.w.N.; auch noch BGH, Beschl. v. 24.3.2021 – 1 StR 13/21; Beschl. v. 21.12.2021 – 3 StR 381/21, NStZ-RR 2022, 109), um. Das ist m.E. auch zutreffend, weil man den Angeklagten, der sich gegen eine Einziehung gewehrt hat, dann, wenn er zwar verurteilt wird, aber hinsichtlich der Einziehung Erfolg hatte, nicht auf den insoweit entstandenen Gebühren und Auslagen „sitzen lassen” kann. Denn die dadurch entstehenden Belastungen können beträchtlich sein. Als Verteidiger muss man also diese Rechtsprechung im Blick haben und ggf. gegen die Kostenentscheidung, wenn sie den Teilerfolg nicht berücksichtigt, Rechtsmittel (§ 464 Abs. 3 StPO) einlegen.
Hinzuweisen ist hier dann auf zwei weitere Entscheidungen zu Kosten-/Auslagenfragen bei der Einziehung:
- Das LG Hildesheim (Beschl. v. 13.12.2023 – 21 Qs 4/23, AGS 2024, 91) äußert sich zur Frage der Auslagenerstattung für den Einziehungsbeteiligten nach Erlöschen des Einziehungsanspruchs vor Verfahrensabschluss. Dazu meint das LG, dass die notwendigen Auslagen eines Einziehungsbeteiligen regelmäßig nicht aus Billigkeitsgründen der Staatskasse aufzuerlegen sind, wenn von einer Einziehungsentscheidung gegen diesen abgesehen wird, nachdem der aus der Tat erwachsene Wertersatz...