Für Klagen aus dem Versicherungsvertrag oder der Versicherungsvermittlung ist "auch" das Gericht örtlich zuständig, in dessen Bezirk der Versicherungsnehmer zur Zeit der Klageerhebung seinen Wohnsitz, in Ermangelung eines solchen seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat, § 215 Abs. 1 S. 1 VVG. Die Vorschrift fasst lediglich das "bei" Klagen des Art. 9 Abs. 1 lit. b VO (EG) Nr. 44/2001 klarer. Sie macht es, wenn der Versicherungsnehmer klagt, entbehrlich, sich insbesondere damit zu befassen, ob der Versicherungsvertrag ein "Haustürgeschäft" i.S.d. § 29c ZPO war. So übernimmt § 215 Abs. 1 S. 2 VVG auch § 29c Abs. 1 S. 1 ZPO: Für Klagen gegen den Versicherungsnehmer ist ausschließlich das Gericht seines Wohnsitzes bzw. seines gewöhnlichen Aufenthaltes zuständig. Wie in § 29c Abs. 2 ZPO bleibt dem Versicherer trotz dieser Ausschließlichkeit indessen für eine Widerklage der Gerichtsstand der Klage des Versicherungsnehmers erhalten, § 215 Abs. 2 VVG i.V.m. §§ 33 Abs. 2, 40 Abs. 2 ZPO.

1. Begünstigter des § 215 VVG

§ 215 VVG gilt bei Klagen "aus einem Versicherungsvertrag oder der Versicherungsvermittlung". Das setzt nicht den Abschluss eines Versicherungsvertrags voraus. So genügt etwa eine (vorläufige) Deckungszusage des Versicherungsagenten (OLG Schleswig VersR 1985, 756 – noch zu § 48 VVG). Nach dem Normzweck muss man auch Klagen als von § 215 VVG erfasst ansehen, bei denen um das Bestehen des Versicherungsvertrags gestritten wird, also Klagen, bei denen ein Versicherer einwendet, ein Agent habe keinen – wirksamen – Versicherungsvertrag vermittelt, oder das Vertragsverhältnis sei – durch Anfechtung, Rücktritt oder Kündigung – erloschen, oder mit denen der Versicherungsnehmer geltend macht, ein Versicherungsverhältnis habe – im Zeitpunkt des "Versicherungsfalls" – noch bestanden (OLG Düsseldorf, Beschl. v. 23.9.2010 – I-5 Sa 66/10).

a) Natürliche Person

Unstreitig profitiert vom Wahlgerichtsstand des § 215 Abs. 1 S. 1 VVG, wer als natürliche Person einen Versicherungsvertrag abschließt. Er wird sogar Personen gewährt, deren Stellung derjenigen eines typischen Versicherungsnehmers angenähert ist, wie im Falle einer Zusatzversorgung des öffentlichen Dienstes (LG Berlin, Urt. v. 27.3.2014 – 7 O 208/13). Hingegen ist die Vorschrift nicht auf einen Insolvenzverwalter über das Vermögen des Versicherungsnehmers anwendbar (OLG Hamm, Beschl. v. 21.10.2013 – I-W 32/13). Deshalb braucht nicht die Frage entschieden zu werden, ob auf den Wohnsitz des Versicherungsnehmers oder den des Insolvenzverwalters abzustellen ist. Doch wird aus der Aufnahme dieses Begriffes in § 215 Abs. 1 S. 1 VVG abgeleitet, dass sie – entgegen § 48 VVG a.F. – auf juristische Personen und rechtsfähige Personenvereinigungen nicht anwendbar ist (LG Berlin, Beschl. v. 30.9.2010 – 7 O 292/10; LG Limburg, Beschl. v. 14.12.2010 – 2 O 75/10; LG Hamburg, Beschl. v. 3.1.2012 – 401 HKO 60/11; LG Fulda, Beschl. v. 11.5.2012 – 4 O 144/12). Das ist trotz Art. 60 VO (EG) Nr. 44/2001 wegen des Zusammenhanges mit § 29c ZPO auch sachgerecht.

b) Fremdversicherung

Äußerst umstritten ist die Fremdversicherung. So soll nach einer Auffassung § 215 Abs. 1 S. 1 VVG "entsprechend anwendbar" sein, wenn z.B. der Bezugsberechtigte einer Lebensversicherung klagt (OLG Köln, Beschl. v. 1.7.2011 – 8 AR 25/11; LG Saarbrücken, Beschl. v. 7.6.2011 – 14 O 131/11). Dabei wird teilweise auf den Wohnsitz des Versicherten (OLG Oldenburg, Urt. v. 18.4.2012 – 5 U 196/11), aber auch – wenn er Verbraucher gem. § 13 BGB ist – auf den Wohnsitz des Begünstigten zurückgegriffen (LG Stuttgart, Urt. v. 15.5.2013 – 13 S 58/13). Andere Gerichte betonen, dass angesichts des klaren Gesetzeswortlautes und mangels einer Regelungslücke § 215 VVG nicht auf den Bezugsberechtigten ausgedehnt werden dürfe (LG Bielefeld, Beschl. v. 7.1.2013 – 18 O 160/12; LG Limburg, Beschl. v. 17.11.2011 – 4 O 280/11). Letztere Auffassung verdient den Vorzug. So kann man sich nicht darüber hinwegsetzen, dass § 215 Abs. 1 S. 1 VVG eindeutig auf den Wohnsitz/Aufenthaltsort des Versicherungsnehmers verweist (LG Cottbus, Urt. v. 4.5.2011 – 5 S 78/10). Dann aber hat der Bezugsberechtigte bei abweichendem Wohnsitz/Aufenthaltsort nicht einmal etwas von dem Wahlgerichtsstand der Vorschrift. Erst recht kommt man bei mehreren Bezugsberechtigten mit verschiedenen Wohnsitzen in einige praktische Schwierigkeiten.

2. Regelungsgehalt des § 215 VVG

In § 215 Abs. 1 S. 1 VVG ist keine Ausschließlichkeit festgehalten; er gibt dem Versicherten einen zusätzlichen Gerichtsstand.

a) Klagender Versicherungsnehmer

Der Versicherungsnehmer ist nicht verpflichtet, diesen Gerichtsstand zu wählen, auch wenn es für ihn kostengünstiger ist. Er braucht sich deshalb nicht vom Gericht auf diesen Gerichtsstand verweisen zu lassen (OLG Koblenz und OLG München JurBüro 1994, 477) und kann jederzeit zum allgemeinen Gerichtsstand der verklagten Versicherung überwechseln (OLG Düsseldorf, Beschl. v. 4.8.2004 – I-5 Sa 61/04). Auch kann die Zuständigkeit eines zu Unrecht gem. § 215 Abs. 1 VVG angegangenen Gerichts durch rügeloses Verhandeln der Versicherung gem. § 39 S. 1 ZPO begründet werden. Die durch § 215 Abs. 1 ...

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