Mit einem weiteren Fall der Gebührenanrechnung musste sich das OLG Celle (RVGreport 2015, 467 [Hansens] = AGS 2015, 492) befassen. In jenem Fall ließ sich der Kläger in dem vor dem LG Lüneburg begonnenen Rechtsstreit durch die Rechtsanwälte Dr. D vertreten. Für das Berufungsverfahren hatte der Kläger die Rechtsanwälte S beauftragt. Nachdem das OLG Celle als Berufungsgericht die Sache an das LG Lüneburg zurückverwiesen hatte, ließ sich der Kläger auch im weiteren Verfahren erster Instanz vor dem LG Lüneburg von den Rechtsanwälten S vertreten.
In dieser Fallgestaltung haben sowohl die Rechtsanwälte Dr. D im ersten Durchgang des erstinstanzlichen Verfahrens als auch die Rechtsanwälte S im zweiten Durchgang nach Zurückverweisung die 1,3 Verfahrensgebühr nach Nr. 3100 VV RVG verdient. Dies beruht allerdings nicht auf der vom OLG Celle erwähnten Bestimmung des § 21 Abs. 1 RVG. Diese betrifft nämlich nur den Rechtsanwalt, der sowohl im erstinstanzlichen Verfahren vor als auch nach der Zurückverweisung tätig war (s. AnwK-RVG/N. Schneider, 7. Aufl., § 21 Rn 6). Hier waren die Rechtsanwälte Dr. D jedoch nur im erstinstanzlichen Verfahren vor der Zurückverweisung tätig, während die Rechtsanwälte S zunächst im Berufungsverfahren und sodann – nach Zurückverweisung – erstmals im erstinstanzlichen Verfahren vor dem LG Lüneburg tätig waren. Hieraus folgt auch, dass bei einer Tätigkeit verschiedener Anwälte die Anrechnungsregelung der Vorbem. 3 Abs. 6 VV RVG keine Anwendung findet.
Das OLG Celle hat jedoch von den beiden in erster Instanz vor der Zurückverweisung für die Rechtsanwälte Dr. D und nach der Zurückverweisung für die Rechtsanwälte S angefallene 1,3 Verfahrensgebühr nur eine Verfahrensgebühr als erstattungsfähig angesehen. Es sei nämlich nicht ersichtlich, dass der Anwaltswechsel notwendig i.S.v. § 91 Abs. 2 S. 2 ZPO gewesen sei.
Dies ist deshalb problematisch, weil diese Vorschrift lediglich den innerprozessualen Anwaltswechsel regelt und nicht den Anwaltswechsel nach Beendigung einer Instanz im Auge hat. Die gegenteilige Auffassung des OLG Celle schränkt die freie Anwaltswahl für jede gebührenrechtliche Instanz in unzumutbarer Weise ein. Die Partei, die nach Beendigung der ersten Instanz für die Berufungsinstanz einen anderen Rechtsanwalt zum Prozessbevollmächtigten bestellt, muss nämlich damit rechnen, dass das Berufungsgericht die Sache an das Gericht der ersten Instanz zurückverweist. Obsiegt sie dann, muss sie damit rechnen, dass für die erste Instanz nur eine der beiden angefallenen Verfahrensgebühren erstattet werde. Um diese nachteiligen Folgen zu vermeiden, wäre die Partei somit gezwungen, sich für die erste und die zweite Instanz von demselben Rechtsanwalt vertreten zu lassen.