Der Bundesrat will in ein Gesetz fassen, was die Mehrheit der Deutschen ohnehin für geltendes Recht hält: Dass nämlich ein Ehegatte für den anderen entscheiden kann, wenn dieser dringend ärztlicher Hilfe bedarf, aber nicht in der Lage ist, selbst über die Art der Behandlung zu entscheiden (vgl. dazu bereits ZAP Anwaltsmagazin 1/2017, S. 5). Sein Gesetzentwurf zur Verbesserung der Beistandsmöglichkeiten unter Ehegatten und Lebenspartnern in Angelegenheiten der Gesundheitssorge und in Fürsorgeangelegenheiten (vgl. BT-Drucks 18/10485) war kürzlich Gegenstand einer öffentlichen Anhörung des Rechtsausschusses.
Kern der von den Ländern gewollten Neuregelung ist ein automatisches Vertretungsrecht des Ehepartners in medizinischen und damit zusammenhängenden finanziellen Angelegenheiten für den Fall, dass der andere Ehepartner durch Unfall oder plötzliche schwere Erkrankung entscheidungsunfähig wird und keine Vertretungsvollmacht vorhanden ist. Gleiches soll für eingetragene Lebenspartner gelten. Bisher muss das Betreuungsgericht einen Betreuer bestellen, der dann allerdings auch der Ehe- oder Lebenspartner sein kann.
Dem Gesetzentwurf zufolge soll künftig grundsätzlich angenommen werden, dass eine Vertretungsvollmacht für den Gatten besteht, sofern keine entgegenstehende Erklärung des Verunglückten oder Erkrankten vorliegt. Ärzte sollen dem Partner gegenüber von der Schweigepflicht entbunden werden. Diese "Vollmachtsvermutung" soll es allerdings nicht mehr geben, wenn die Partner getrennt leben. Inzwischen liegt auch ein Änderungsvorschlag der Bundesregierung auf dem Tisch. Er sieht eine Beschränkung der Vollmacht auf die reine Gesundheitssorge vor. Über eine Vertretung auch in finanziellen Dingen soll demnach weiterhin das Betreuungsgericht entscheiden.
Die Berliner Repräsentantin der Deutschen Stiftung Patientenschutz, Christine Eberle, begrüßte in der Ausschusssitzung zwar diese neue Einschränkung. Die Möglichkeiten, missbräuchlich von der Vollmacht Gebrauch zu machen, würden damit geringer. Beseitigt seien sie aber bei Weitem nicht. Ihre Organisation habe bei der Beratung zu Patientenvollmachten die Erfahrung gemacht, dass "keinesfalls immer der Ehepartner bevollmächtigt" werde, sagte Eberle. Der vorgesehene Vorrang einer Vertretungsvollmacht vor der automatischen Vertretung durch den Ehepartner nütze wenig, da Ärzte und Ehepartner keinen Zugang zum Vorsorgeregister hätten. Eberles Empfehlung lautete daher, "ganz auf eine gesetzliche Neuregelung zu verzichten".
Wolfgang Schwackenberg vom Familienausschuss des Deutschen Anwaltsvereins kam zu demselben Schluss. Für den Arzt im Krankenhaus sei es eine in der Kürze der Zeit unlösbare Aufgabe, festzustellen, ob der Vollmacht des Ehepartners nichts entgegensteht. Es gebe eine erhebliche Gefahr des Missbrauchs, etwa durch getrennt lebende Ehepartner. Besser sei es, die Zahl der Vertretungsvollmachten zu steigern.
Auch Stephan Sigusch, Vorstandsmitglied des Betreuungsgerichtstages e.V. und Vertreter der Bundeskonferenz der Betreuungsvereine, meinte, man solle die Neuregelung "besser lassen". Die Dinge seien nach jetzigem Recht hinreichend geregelt. "Das Betreuungsgericht kann im Notfall sehr schnell eine Entscheidung treffen", merkte Sigusch an.
Als einen Punkt, der für die Neuregelung spricht, nannte der Göttinger Rechtsprofessor Volker Lipp, dass dieser der Vorstellung der Bevölkerung entspreche. Der Bundesrat habe in seinem Gesetzentwurf auf eine Umfrage verwiesen, nach der 80 % der Befragten glaubten, sie hätten schon jetzt ein solches Vertretungsrecht im Notfall. Allerdings hält Lipp weitere Änderungen am Gesetzentwurf für erforderlich, um "unkontrollierter Fremdbestimmung" entgegenzuwirken.
Wenig kontrovers wurde die in dem Gesetzentwurf mitenthaltene Vergütungserhöhung für gerichtlich bestellte Betreuer diskutiert. Es habe seit elf Jahren keine Anpassung der Stundensätze gegeben, sagte der Vorsitzende des Bundesverbandes der Berufsbetreuer/innen, Thorsten Becker. Obwohl sein Verband deutlich mehr als die vorgesehenen 15 % Erhöhung für angebracht hält, sprach sich Becker dafür aus. Wenn sie nicht mehr in dieser Legislaturperiode erfolge, drohe ein "großer Flurschaden". Von den 6.750 Mitgliedern seines Verbandes gingen tausend in den nächsten fünf Jahren in den Ruhestand. Es sei aber wegen der schlechten Bezahlung schon jetzt schwer, Nachwuchs zu finden. Dem stimmten Vertreter der ehrenamtlich organisierten Betreuungsvereine zu. Sie kämen zunehmend an ihre Grenzen, einige hätten sich schon aufgelöst.
[Quelle: Bundestag]