Zitat

§ 1 Abs. 1 S. 5 und 6 AÜG: "Verleiher und Entleiher haben die Überlassung von Leiharbeitnehmern in ihrem Vertrag ausdrücklich als Arbeitnehmerüberlassung zu bezeichnen, bevor sie den Leiharbeitnehmer überlassen oder tätig werden lassen. Vor der Überlassung haben sie die Person des Leiharbeitnehmers unter Bezugnahme auf diesen Vertrag zu konkretisieren."

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§ 9 Abs. 1a AÜG: "Unwirksam sind: Arbeitsverträge zwischen Verleihern und Leiharbeitnehmern, wenn entgegen § 1 Absatz 1 Satz 5 und 6 die Arbeitnehmerüberlassung nicht ausdrücklich als solche bezeichnet und die Person des Leiharbeitnehmers nicht konkretisiert worden ist, es sei denn, der Leiharbeitnehmer erklärt schriftlich bis zum Ablauf eines Monats nach dem zwischen Verleiher und Entleiher für den Beginn der Überlassung vorgesehenen Zeitpunkt gegenüber dem Verleiher oder dem Entleiher, dass er an dem Arbeitsvertrag mit dem Verleiher festhält."

Die neu in § 1 Abs. 1 S. 5 und 6 AÜG aufgenommenen Offenlegungs- und Konkretisierungspflichten (dazu Lembke NZA 2017, 1, 8) zielen gegen Werkverträge, die sich als verdeckte Arbeitnehmerüberlassung darstellen. Die bisherige Praxis sog. Vorratserlaubnisse, mit der versucht wurde, der erheblichen Rechtsunsicherheit in Grenzfällen Rechnung zu tragen, indem Werkunternehmer als Auffanglösung eine Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis vorhielten, soll künftig unterbunden werden. Pflichtverstöße führen zur Unwirksamkeit des Arbeitsvertrags zwischen Verleiher und seinem Arbeitnehmer. Die flankierende Regelung in § 10 Abs. 1 AÜG fingiert bei nicht offen dokumentierter Arbeitnehmerüberlassung ein Arbeitsverhältnis mit dem Entleiher. Außerdem begehen Verleiher und Entleiher eine Ordnungswidrigkeit, wenn sie eine Arbeitnehmerüberlassung nicht offen deklarieren. Um es Leiharbeitnehmern zu erleichtern, ihre Rechte nach dem AÜG geltend zu machen, ist der Verleiher außerdem verpflichtet, seine Arbeitnehmer vor jeder Überlassung jeweils darüber zu informieren, dass sie bei dem Dritten als Leiharbeitnehmer tätig werden (§ 11 Abs. 2 S. 4 AÜG).

Die Rechtsprechung hatte die bisherige Praxis der Vorratserlaubnisse ausdrücklich gebilligt und war davon ausgegangen, dass bei Vereinbarung eines Werkvertrags – unabhängig von der Qualifizierung des Vertrags – kein Arbeitsverhältnis mit dem Entleiher nach § 10 Abs. 1 AÜG zustande kommt, sofern der externe Dienstleister eine Leiharbeitserlaubnis hat (BAG, Urt. v. 12.7.2016 – 9 AZR 352/15, BB 2016 2686). Allerdings könne bei kollusivem Zusammenwirken von Scheinwerkunternehmer und -besteller die Berufung auf die AÜ-Erlaubnis treuwidrig sein (LAG Baden-Württemberg, Urt. v. 3.12.2014 – 4 Sa 41/14, BB 2015, 315). Diese Rechtsprechung wird nunmehr korrigiert. Unternehmen, die sich rechtstreu verhalten und Risiken ausschließen wollen, bleibt aufgrund der neuen Offenlegungs- und Konkretisierungspflicht in Grenzfällen nur der Ausweg, auch zulässige Werkverträge aus Vorsichtsgründen als Arbeitnehmerüberlassung zu deklarieren.

 

Hinweis:

Die neuen Pflichten haben im Ergebnis gravierende Folgen für die Grenzziehung zwischen Arbeitnehmerüberlassung und On-Site-Werkverträgen. Faktisch wird damit in dem derzeitigen Graubereich die Grenzlinie zwischen Arbeitnehmerüberlassung und Werkvertragsentsendung zu Lasten der letztgenannten verschoben. Insbesondere in Mischunternehmen, die ihre Mitarbeiter sowohl auf der Grundlage von Werkverträgen als auch als Leiharbeitnehmer entsenden, steht die Praxis vor erheblichen Schwierigkeiten (dazu Bissels DB 2017, 246, 247).

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