Zitat

§ 8 Abs. 2 bis 4 AÜG – Grundsatz der Gleichstellung:

(2) Ein Tarifvertrag kann vom Gleichstellungsgrundsatz abweichen, soweit er nicht die in einer Rechtsverordnung nach § 3a Abs. 2 festgesetzten Mindeststundenentgelte unterschreitet. Soweit ein solcher Tarifvertrag vom Gleichstellungsgrundsatz abweicht, hat der Verleiher dem Leiharbeitnehmer die nach diesem Tarifvertrag geschuldeten Arbeitsbedingungen zu gewähren. Im Geltungsbereich eines solchen Tarifvertrags können nicht tarifgebundene Arbeitgeber und Arbeitnehmer die Anwendung des Tarifvertrags vereinbaren. Soweit ein solcher Tarifvertrag die in einer Rechtsverordnung nach § 3a Abs. 2 festgesetzten Mindeststundenentgelte unterschreitet, hat der Verleiher dem Leiharbeitnehmer für jede Arbeitsstunde das im Betrieb des Entleihers für einen vergleichbaren Arbeitnehmer des Entleihers für eine Arbeitsstunde zu zahlende Arbeitsentgelt zu gewähren.

(3) Eine abweichende tarifliche Regelung im Sinne von Absatz 2 gilt nicht für Leiharbeitnehmer, die in den letzten sechs Monaten vor der Überlassung an den Entleiher aus einem Arbeitsverhältnis bei diesem oder einem Arbeitgeber, der mit dem Entleiher einen Konzern im Sinne des § 18 des AktG bildet, ausgeschieden sind.

(4) Ein Tarifvertrag im Sinne des Absatzes 2 kann hinsichtlich des Arbeitsentgelts vom Gleichstellungsgrundsatz für die ersten neun Monate einer Überlassung an einen Entleiher abweichen. Eine längere Abweichung durch Tarifvertrag ist nur zulässig, wenn

  1. nach spätestens 15 Monaten einer Überlassung an einen Entleiher mindestens ein Arbeitsentgelt erreicht wird, das in dem Tarifvertrag als gleichwertig mit dem tarifvertraglichen Arbeitsentgelt vergleichbarer Arbeitnehmer in der Einsatzbranche festgelegt ist, und
  2. nach einer Einarbeitungszeit von längstens sechs Wochen eine stufenweise Heranführung an dieses Arbeitsentgelt erfolgt.

Im Geltungsbereich eines solchen Tarifvertrags können nicht tarifgebundene Arbeitgeber und Arbeitnehmer die Anwendung der tariflichen Regelungen vereinbaren. Der Zeitraum vorheriger Überlassungen durch denselben oder einen anderen Verleiher an denselben Entleiher ist vollständig anzurechnen, wenn zwischen den Einsätzen jeweils nicht mehr als drei Monate liegen.

Das Gesetz erlaubt Abweichungen vom Gleichstellungsgebot grundsätzlich nur über tarifliche Regelungen. Insgesamt sind die Vorgaben für solche tariflichen Regelungen recht komplex und erschließen sich aus den Absätzen 2 bis 4 des § 8 AÜG nicht für den schnellen Leser. Zu differenzieren ist zwischen Arbeitsentgelt und sonstigen Arbeitsbedingungen:

  1. Hinsichtlich der nicht entgeltbezogenen Arbeitsbedingungen kann durch einen Tarifvertrag zeitlich unbegrenzt abgewichen werden. So darf etwa hinsichtlich des Urlaubs von der Urlaubsregelung der Stammbelegschaft für den gesamten Zeitraum des Einsatzes des Leiharbeitnehmers abgewichen werden.
  2. Komplexer ist die Regelung hinsichtlich des Arbeitsentgelts (Equal-Pay):

    (a)

    Grundsätzlich sind tarifliche Abweichungen vom Equal-Pay-Gebot nur in den ersten 9 Monaten zulässig und außerdem nur, sofern

    (aa) Mindestlohn gewährt wird und
    (bb) keine bloße (auch keine konzerninterne) Drehtürgestaltung in den letzten sechs Monaten erfolgt ist.
    (b)

    Über den Zeitraum von neun Monaten hinausgehend kann bis zu einem Zeitraum von maximal 15 Monaten vom Equal-Pay-Grundsatz abgewichen werden, wenn:

    (aa) nach einer Einarbeitungszeit von sechs Wochen eine stufenweise Heranführung an Equal-Pay durch diese Branchenzuschlagstarifverträge erfolgt und
    (bb) spätestens nach 15 Monaten ein Arbeitsentgelt erreicht wird, das von den Tarifvertragsparteien als Equal-Pay definiert wird.
 

Praxishinweise:

  • Insbesondere der letztgenannte Punkt ist für die Praxis von Bedeutung. Nach dem insoweit klaren Wortlaut ist nicht erforderlich, dass das nach 15 Monaten erreichte Lohnniveau tatsächlich vollständig dem Entgelt eines Stammarbeitnehmers entspricht. Vielmehr haben die Tarifvertragsparteien insoweit einen erheblichen Gestaltungsspielraum.
  • Für die Praxis bedeutsam ist zudem, dass im Geltungsbereich eines Tarifvertrags auch nicht tarifgebundene Zeitarbeitsunternehmen und Zeitarbeitnehmer über eine Bezugnahmeklausel die tarifliche Regelung übernehmen können. Allerdings muss der Tarifvertrag insgesamt in Bezug genommen werden, eine Beschränkung auf einzelne Tarifnormen im Sinne eines "Rosinenpickens" ist also nicht möglich.

Aus Sicht der Zeitarbeitnehmer erscheint problematisch, dass sie bei dem spätestens nach 18 Monaten gesetzlich erzwungenen Wechsel in eine andere Einsatzstelle jeweils ihren bereits erreichten tarifrechtlichen Besitzstand wieder verlieren. Selbst in einem Fall, in dem sie nach der Sperrfrist von drei Monaten (§ 8 Abs. 4 S. 4 AÜG) sogar zu ihrem ehemaligen Entleiher zurückkehren, starten sie ebenfalls wieder im Einstiegsbereich des (Zuschlags-)Tarifvertrags. Die sechsmonatige Sperrfrist des § 8 Abs. 3 AÜG gilt demgegenüber nur in Fällen, in denen der Leiharbeitnehmer zuvor Arbeitnehmer des Entleihers oder eines ko...

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