Können sich gemeinsam sorgeberechtigte Eltern in einer für das Kind erheblichen Angelegenheit der elterlichen Sorge nicht auf eine einvernehmliche Regelung einigen, so kann das Familiengericht gem. § 1628 S. 1 BGB einem von ihnen die Entscheidung übertragen. Das Familiengericht besitzt keine Befugnis zu einer eigenen Sachentscheidung (vgl. OLG Dresden NJW 2016, 3042 betr. Einschulung in eine öffentliche oder in eine Privatschule).
aa) Schutzimpfung
Die sorgerechtliche Einordnung der Vornahme von Schutzimpfungen ist in der Rechtsprechung umstritten. Das OLG Jena (FamRZ 2016, 1175 m. Anm. Osthold = FamRB 2016, 266) folgt der Auffassung des KG (FamRZ 2006, 142), dass die Entscheidung über die Impfung oder Nichtimpfung eines Kindes wegen der damit potenziell verbundenen Folgerisiken eine Angelegenheit von erheblicher Bedeutung ist. Dabei entspreche es i.d.R. dem Kindeswohl am besten, die Entscheidung dem Elternteil zu übertragen, der die von der Ständigen Impfkommission empfohlenen Impfungen befürwortet.
bb) Religiöses Bekenntnis
Das OLG Stuttgart (FamRZ 2016, 1378 = FamRB 2016, 350) vertritt die Meinung, dass es bei Uneinigkeit der Eltern nicht geboten ist mit der Entscheidung über die Religionszugehörigkeit eines neunjährigen Kindes abzuwarten bis das Kind mit 14 Jahren selbst entscheiden kann, weil die Ablehnung der Entscheidung zu einer gegenseitigen Blockade der Eltern bei der religiösen Erziehung des Kindes führe. Dagegen folgt das OLG Karlsruhe (FamRZ 2016, 1376 m. Anm. Hammer = NJW 2016, 2433 = MDR 2016, 828 = FamRB 2016, 308; so auch OLG Düsseldorf FamRZ 2010, 1255) der Auffassung, dass eine Entscheidung über das religiöse Bekenntnis nicht das Spannungsverhältnis löst und bei einem dreijährigen Kind noch keine alsbaldige Integrierung in eine Religionsgemeinschaft geboten ist.
Einigkeit besteht darüber, dass es den Eltern obliegt, religiöse Toleranz gegenüber dem jeweils anderen Bekenntnis walten zu lassen und ein verstandesmäßig noch nicht gereiftes Kind insoweit keinen unnötigen Spannungen auszusetzen.
cc) Auslandsreisen
Die Entscheidung über eine Auslandsreise eines Kindes ist nach Einschätzung des KG (FamRZ 2016, 2111 m. Anm. Schwonberg = MDR 2016, 1569) in folgenden Fällen eine Angelegenheit von erheblicher Bedeutung:
- Wenn die konkrete Gefahr einer Entführung des Kindes bzw. seine Zurückhaltung im außereuropäischem Ausland besteht,
- bei Reisen in politische Krisengebiete und Gebiete für die Warnungen des Auswärtigen Amtes ausgegeben wurden und
- bei weiten Reisen in einen dem Kind nicht vertrauten, fremden Kulturkreis.
Nach wohl allgemeiner Auffassung unterfällt die Entscheidung, mit einem Kind eine Ferienreise in ein Gebiet mit aktuellen Gefahren für Leib und Leben durchzuführen, nicht der Alleinentscheidungsbefugnis nach § 1687 Abs. 1 S. 2 BGB.
Das OLG Frankfurt (FamRZ 2016, 1595 m. Anm. Hammer = FamRB 2016, 344) zählt unter den derzeitigen Umständen auch die Türkei zu einem Krisengebiet, da sie in letzter Zeit mehrfach Ziel terroristischer Anschläge gewesen ist und die Regierung der Türkei den Ausnahmezustand ausgerufen hat. Es bestehe daher die konkrete Gefahr, dass es auch in dortigen Urlaubsgebieten zu, für das Kindeswohl nachteiligen, Unruhen kommen könne. Maßgeblich sei, ob sich die Haltung der Eltern als Ausübung der Elternverantwortung darstelle und zwar unabhängig von einer etwaigen Reisewarnung des Auswärtigen Amtes.