In mehr oder weniger langen Abständen wird immer wieder die Frage aufgeworfen, ob eine Franchise-Gesetzgebung in Deutschland notwendig ist, zumindest aber, ob der Umfang der vorvertraglichen Aufklärung beim Abschluss von Franchiseverträgen gesetzlich geregelt werden sollte (s. dazu Flohr, Handbuch des Vertriebsrechts, a.a.O., § 29 Rn 97–104 m.w.N.).
Nunmehr ist dieses Thema – diesmal aber EU-weit – erneut angegriffen worden, und zwar durch die vom Europäischen Parlament am 12.9.2017 verabschiedete Resolution, mit der eine "Europäische einheitliche Richtlinie für das Franchise-Recht" – "Legal Perspective of the Regulatory Framework and Challenges for Franchising in the EU" (2016/2244 INI) gefordert wird. Anliegen des EU-Parlaments ist es, unfaire Praktiken beim Abschluss von Franchiseverträgen zu verhindern bzw. auszuschließen, dass vertragliche Regelungen vereinbart werden können, die den Franchise-Geber unangemessen benachteiligen. Aus Sicht des EU-Parlaments sollen zukünftig Franchiseverträge EU-weit auf der Grundlage von "transparenten und fairen Vertragsbedingungen" ausgearbeitet werden. Die Richtlinie soll nach Ansicht des EU-Parlamentes u.a. umfassen:
- Definition des Franchising;
- Regelungen der Geheimhaltung zwischen Franchise-Geber und Franchise-Nehmer;
- Außer-Kraft-Setzen bestehender Regelungen, soweit angebracht;
- Recht des Franchise-Gebers, die Einzelhandelspreise festzulegen und die Nutzung des Internets zu kontrollieren;
- Verbot von Verhaltensweisen, die gegen die guten Sitten verstoßen;
- Festlegung exklusiver Regeln in Bezug auf die Treue- und Sorgfaltspflichten und
- Festlegungen eines klaren Rollenbildes der Franchisevereinigungen der einzelnen Länder.
Offensichtlich liegt dieser Initiative des EU-Parlaments die in 2016 von Mark Abell für das IMCO Committee der EU verfasste Studie "Legal Perspective of the Regulatory Framework and Challenges for Franchising in the EU" zugrunde. Diese Resolution wirft aber erneut die Frage nach der Notwendigkeit einer solchen EU-weiten Regelung zum Franchiserecht bzw. zu den vorvertraglichen Aufklärungspflichten eines Franchise-Gebers auf.
Hinweis:
Derzeit gibt es in Europa gesetzliche Regelungen zum Franchiserecht in Belgien, Frankreich, Italien, Schweden und Spanien, wobei in Belgien insbesondere die vorvertragliche Aufklärung beim Abschluss von Franchiseverträgen geregelt ist – verbunden mit dem Ziel, das Informationsgefälle zwischen Franchise-Geber und Franchise-Nehmer bei Abschluss eines Franchisevertrags zu vermeiden; in den Niederlanden wird zzt. eine gesetzliche Regelung zum Franchise-Recht diskutiert (s. zu den einzelnen Gesetzen: Abell, Franchise-Law-Review, 5. Aufl. 2018, S. 283 ff. für Frankreich, S. 373 ff. für Italien, S. 567 ff. für Schweden sowie die Länderdarstellungen im Handbuch des Vertriebsrechts, a.a.O., 12. Kap., S. 1785 ff. sowie: Gesmann-Nuissl, Internationales Franchiserecht, 2019, insb. S. 12 ff.).
So zeigt die Franchiserechtsprechung zur vorvertraglichen Aufklärung in Deutschland, aber auch Österreich, dass zwischenzeitlich alle Facetten des Vertragsabschlusses abgedeckt werden, wobei nicht übersehen werden darf, dass die Einschätzung der Pflichten bei der vorvertraglichen Aufklärung beim Abschluss von Franchiseverträgen gerade in Deutschland von Wellenbewegungen gekennzeichnet ist. Ging man zunächst auf der Grundlage der Entscheidung des OLG Schleswig (NJW-RR 2009, 65), wonach der Franchise-Geber nicht Existenzgründungsberater des Franchise-Nehmers ist, davon aus, dass im Rahmen der vorvertraglichen Aufklärung auch die Übernahme unternehmerischen Risikos durch den Franchise-Nehmer gesehen wird, so ist mittlerweile wieder die Tendenz zum verstärkten Franchise-Nehmer-Schutz feststellbar, wie die Entscheidungen des OLG Hamm (ZVertriebsR 2012, 177), des OLG Düsseldorf (ZVertriebsR 2014, 46), des LG Hamburg (ZVertriebsR 2014, 112), des OLG Hamburg (ZVertriebsR 2015, 78) sowie zuletzt noch des OLG Dresden (ZVertriebsR 2016, 320) zeigen.
Eingeschränkter wird demgegenüber die vorvertragliche Aufklärung in Österreich gesehen. Nach der Rechtsprechung des OGH (Urt. v. 19.1.1989 – 7 Ob 695/88) kommt eine Haftung des Franchise-Gebers für eine Verletzung vorvertraglicher Aufklärungspflichten nur dann in Betracht, wenn dieser beim Franchise-Nehmer arglistig oder auch nur fahrlässig einen Irrtum über den erzielbaren Umsatz hervorgerufen hat. Eine solche Haftung scheidet nach Ansicht des OGH aus, wenn die vom Franchise-Geber genannten Umsatzzahlen ausdrücklich als unverbindliche Angaben gekennzeichnet worden sind und somit bis zur Grenze der krass groben Fahrlässigkeit ebenfalls zulässiger Weise eine Haftung des Franchise-Gebers ausgeschlossen werden kann.
Bevor daher darüber nachgedacht wird, dass Franchiseverträge nur auf der Grundlage von "transparenten und fairen Vertragsbedingungen" auf der Basis einer EU-Richtlinie ausgearbeitet werden sollen, wären zunächst die Parameter aufzustellen, anhand derer überhaupt überprüft werden kann, wie die vorvertragliche...