Künstliche Intelligenz (KI) beschreibt ein Forschungsgebiet innerhalb der Informatik (Biallaß in: Ory/Weth, a.a.O., Kapitel 8 Rn 320). Dem Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Festlegung harmonisierter Vorschriften für Künstliche Intelligenz (Gesetz über Künstliche Intelligenz) und zur Änderung bestimmter Rechtsakte der Union liegt ein sehr weiter KI-Begriff zugrunde.
Gemäß Art. 3 Nr. 1 KI-VO-E handelt es sich bei einem „System der Künstlichen Intelligenz” (KI-System) um eine Software, die mit einer oder mehreren der in Anhang I aufgeführten Techniken und Konzepte entwickelt worden ist und im Hinblick auf eine Reihe von Zielen, die durch Menschen festgelegt werden, Ergebnisse wie Inhalte, Vorhersagen, Empfehlungen oder Entscheidungen hervorbringen kann, die das Umfeld beeinflussen, mit dem sie interagieren. In Anhang I des KI-VO-E werden die maßgeblichen Techniken und Konzepte aufgelistet.
a) Maschinelles Lernen
Unter Buchstabe a) des Anhangs I zum Verordnungsentwurf werden „Konzepte des maschinellen Lernens, mit beaufsichtigtem, unbeaufsichtigtem und bestärkendem Lernen unter Verwendung einer breiten Palette von Methoden, einschließlich des tiefen Lernens (Deep Learning)” genannt. Dass maschinelles Lernen oder Machine Learning unter den KI-Begriff fällt, ist wohl unumstritten.
Hinweis:
Beim maschinellen Lernen wird das System durch das Training mit großen Datenmengen in die Lage versetzt, das „Gelernte” auf neue Eingabedaten anzuwenden. Beim überwachten Lernen (supervised learning) wird durch „Annotation” bzw. „Labeling” der Trainingsdaten das zu lernende Ergebnis vorgegeben. Dies ist zeitaufwendig und macht den Einsatz von Personen notwendig, die sich auf dem Gebiet, aus dem die Daten stammen, auskennen. Beim unüberwachten Lernen (unsupervised learning) erfolgt der Lernprozess ohne Hilfestellung. Das System identifiziert selbstständig Gemeinsamkeiten innerhalb der Trainingsdaten und zieht aufgrund ihrer An-/Abwesenheit Schlussfolgerungen. Das bestärkende Lernen (reinforcement learning) funktioniert, wie es die Herkunft seines Namens aus der Verhaltenspsychologie nahelegt. Das System erhält von den Entwicklern nach jedem Trainingsdurchlauf positives oder negatives Feedback und passt seine Ergebnisse an, um mehr positives Feedback zu bekommen. Der Begriff Deep-Learning beschreibt das Optimieren künstlicher neuronaler Netze (KNN) mittels großer Datenmengen. KNN sind dem menschlichen Gehirn nachgebildet. Sie bestehen aus künstlichen Neuronen, die in „Schichten” angeordnet sind. Ein Deep-Learning-System besteht aus drei Komponenten, einer „Eingabeschicht” („input layer”), einer „Ausgabeschicht” („output layer”) und dazwischen liegenden unsichtbaren Schichten (verborgenen Schichten, innere Schichten oder „hidden layers”), in denen die eigentliche Rechenarbeit stattfindet. Die Verbindungen zwischen den Neuronen werden mit unterschiedlichen Gewichten versehen, die das Verhalten des Netzwerks bei unterschiedlichen Eingabewerten steuern.
b) Symbolische Methoden
Unter Buchstabe b) des Anhangs I zum Verordnungsentwurf werden „Logik- und wissensgestützte Konzepte, einschließlich Wissensrepräsentation, induktiver (logischer) Programmierung, Wissensgrundlagen, Inferenz- und Deduktionsmaschinen und (symbolische) Schlussfolgerungs- und Expertensysteme” aufgezählt.
Hinweis:
Derartige symbolische Methoden waren der Gegenstand früher KI-Forschung. Aktuell ist umstritten, ob sie immer noch unter den Begriff KI fallen. Forscher auf dem Gebiet der Rechtsinformatik befassten sich schon in den 1980er Jahren mit juristischen Expertensystemen. In ihnen ist das Wissen expliziert hinterlegt. Sie kommen infolgedessen bei komplexen Sachverhalten an ihre Grenzen, bei denen es nicht möglich ist, das für ihre Bearbeitung benötigte Wissen von Hand in formale Regeln zu überführen und aktuell zu halten (Biallaß in: Ory/Weth, a.a.O., Kapitel 8 Rn 335; Grundlagenpapier „Einsatz von KI und algorithmischen Systemen in der Justiz” der Präsidentinnen und Präsidenten der Oberlandesgerichte, des Kammergerichts, des Bayerischen Obersten Landesgerichts und des Bundesgerichtshofs, S. 1, https://www.justiz.bayern.de/media/images/behoerden-und-gerichte/oberlandesgerichte/nuernberg/einsatz_von_ki_und_algorithmischen_systemen_in_der_justiz.pdf [26.2.2023]). Die Erstellung eines regelbasierten Expertensystems, das das komplette deutsche Zivilrecht abbildet, dürfte nach Ansicht der Autorin unmöglich oder jedenfalls nicht finanzierbar sein.
c) Statistische und auf dem Bayes-Theorem beruhende Ansätze
Aus Buchstabe c) des Anhangs I zum Verordnungsentwurf ergibt sich, dass unter den KI-Begriff der Verordnung auch „statistische Ansätze und Bayessche Schätz-, Such- und Optimierungsmethoden” fallen sollen.
Hinweis:
Es ist nicht eindeutig, wo die Grenze zwischen statistischen Ansätzen und Verfahren des maschinellen Lernens ist. Der Versuch der Grenzziehung hat das Ziel, zwischen den Forschungsgebieten der Künstlichen Intelligenz und der Statistik zu unterscheiden. Der Verordnungsentwurf hat sich auch an dieser Stelle für einen weiten Anwendu...