Weil die Eingangszahlen in Zivilstreitigkeiten bei den Amtsgerichten seit Jahren zurückgehen, plant das Bundesjustizministerium eine neue Zuständigkeitsverteilung zwischen Amts- und Landgerichten.
Einem Anfang März veröffentlichten Referentenentwurf aus dem BMJ zufolge soll der Zuständigkeitsstreitwert der Amtsgerichte von 5.000 EUR auf 8.000 EUR angehoben werden, nachdem dieser seit mehr als 30 Jahren unverändert geblieben ist. Hierdurch sollen insbesondere auch die kleineren Gerichtsstandorte in der Fläche gestärkt werden, die ansonsten womöglich von Schließungen bedroht gewesen wären.
Das Ministerium kommt mit dem Vorhaben einer Forderung der Justizministerkonferenz aus dem vergangenen Jahr nach (vgl. ZAP 2023, 515), deren Vorschläge im Großen und Ganzen Eingang in den Gesetzentwurf gefunden haben.
Die Ressortchefs der Länder konnten darauf verweisen, dass die Verfahren vor den Amtsgerichten im Laufe der letzten 30 Jahre um mehr als 40 % gesunken sind, was sie vor allem der Inflation, zum Teil aber auch einem generellen Rückgang der zivilrechtlichen Streitigkeiten zuschreiben (zu Letzterem vgl. auch ZAP 2023, 470).
Der nunmehr vorgelegte Gesetzentwurf verfolgt deshalb das Ziel, die Amtsgerichte wieder zu stärken und bestimmte Spezialisierungen bei den Gerichten zur Förderung effizienter Verfahrensführungen auszubauen. Im Einzelnen sind folgende Änderungen vorgesehen:
- Der Zuständigkeitsstreitwert für die Amtsgerichte wird von aktuell 5.000 EUR auf 8.000 EUR angehoben. Diese Anpassung soll der seit der letzten Änderung im Jahr 1993 (Anhebung auf 10.000 DM) eingetretenen Geldwertentwicklung Rechnung tragen.
Zur Förderung der Spezialisierung der Justiz werden weitere streitwertunabhängige Zuständigkeiten der Amts- und Landgerichte geschaffen. So sollen Streitigkeiten aus dem Bereich des Nachbarrechts den Amtsgerichten streitwertunabhängig zugewiesen werden, weil bei nachbarrechtlichen Streitigkeiten oft die Ortsnähe eine besondere Rolle spielt.
Streitigkeiten aus dem Bereich der Vergabesachen, der Heilbehandlungen sowie der Veröffentlichungsstreitigkeiten sollen hingegen den Landgerichten streitwertunabhängig zugewiesen werden, um so eine weitergehende Spezialisierung zu erreichen.
- Daneben adressiert der Entwurf ein weiteres Problem aus der gerichtlichen Praxis: Bisher ist es Gerichten nicht möglich, eine infolge einer nachträglichen Streitwertänderung oder infolge einer erfolgreichen Beschwerde gegen die Wertfestsetzung unrichtig gewordene Kostenentscheidung zu ändern, was laut Gesetzesbegründung zu Wertungswidersprüchen und Ungerechtigkeiten führt. Das soll geändert werden.
- Schließlich soll im Zuge der Änderungen auch eine unklare Regelung im EGGVG beseitigt werden. Derzeit dürfen keine Richter an das BayObLG abgeordnet werden. Dies hat zur Folge, dass dort bei hohem Geschäftsanfall Engpässe im richterlichen Bereich entstehen können, welche durch Abordnungen verhindert werden könnten.
Der Entwurf ist derzeit an Länder und Verbände zur Stellungnahme versandt. Diese können sich noch bis Mitte April zu dem Vorhaben äußern. Insbesondere die Anwaltschaft dürfte vermutlich Einwände geltend machen, denn ihre Vorschläge – die sie bereits anlässlich des entsprechenden Beschlusses der Justizministerkonferenz gemacht hatte – sind bislang weitgehend unberücksichtigt geblieben.
So hatte die Bundesrechtsanwaltskammer etwa darauf hingewiesen, dass eine Anhebung des Zuständigkeitsstreitwerts bei den Amtsgerichten ohne eine parallele Anpassung des Postulationszwangs zu einem nennenswerten Rückgang der Mandate bei Anwaltskanzleien führen dürfte.
Dies sei auch für die betroffenen Parteien von Bedeutung, denn auch Streitwerte bis 8.000 EUR seien gemessen an den Durchschnittsverdiensten ein erhebliches finanzielles Risiko (vgl. näher zur Stellungnahme der BRAK ZAP 2023, 781).
Das Bundesjustizministerium selbst schätzt die "potenzielle Entlastung der Bürgerinnen und Bürger von Rechtsanwaltsgebühren" auf rund 5,5 Mio. EUR jährlich; hinzu komme eine Einsparung der Prozessparteien bei den Wegezeiten im Umfang von geschätzt 6.300 Stunden.
[Quelle: BMJ]