Als Vermögenswerte im Erbfall ist die Kryptowährung bei der Bemessung der Erbschaftsteuer zu berücksichtigen. Gemäß § 11 ErbStG ist für die Wertermittlung der Zeitpunkt der Entstehung der Steuer entscheidend (sog. Stichtagsprinzip). Bei einem Erwerb von Todes wegen entsteht die Steuer gem. § 9 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG mit dem Erbfall. Fraglich an dieser Stelle ist, welche Bewertungsmaßstäbe der Kryptowährung zugrunde gelegt werden können.
Gemäß § 12 ErbStG sind die Vorschriften des Bewertungsgesetzes anwendbar. Im Jahre 2019 hat u.a. das Bayerische Landesamt für Steuern in einer Verfügung auf die erbschaftsteuerliche Behandlung von Kryptowährung Bezug genommen (Bayerisches Landesamt für Steuern, Verf. v. 14.1.2019 – 3812b.1.1 – 16/12 St 34). Hiernach sind:
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(...) sog. "Kryptowährungen" wie beispielsweise Bitcoins (...) als Finanzinstrumente i.S.v. § 1 Abs. 11 S. 1 KWG zu qualifizieren und daher als Finanzmittel i.S.v. § 13b Abs. 4 Nr. 5 ErbStG bzw. § 13b Abs. 2 S. 2 Nr. 4a ErbStG a.F. einzustufen. Die Bewertung virtueller Währungen richtet sich nach dem gemeinen Wert nach § 9 BewG.
In § 9 Abs. 1 BewG heißt es:
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Bei Bewertungen ist, soweit nichts anderes vorgeschrieben ist, der gemeine Wert zugrunde zu legen.
Der gemeine Wert ist der im gewöhnlichen Geschäftsverkehr für ein Wirtschaftsgut nach seiner Beschaffenheit unter Berücksichtigung aller den Preis beeinflussenden Umstände erzielbare Verkaufspreis, wobei ungewöhnliche oder persönliche Verhältnisse nicht zu berücksichtigen sind. Entsprechend ist unter dem gemeinen Wert ein Betrag zu verstehen, der im Verkaufsfall üblicherweise als Erlös erzielbar ist (Rössler/Troll/Halaczinsky, § 9 BewG Rn 8). § 9 Abs. 1 BewG gilt gem. seinem Wortlaut aber nur, soweit nicht etwas anderes vorgeschrieben ist. Beispielsweise sind börsennotierte Wertpapiere mit dem Kurswert anzusetzen (vgl. § 11 Abs. 1 BewG). Obwohl Kryptowährungen mittlerweile an der Börse gehandelt werden, sind digitale Währungen keine Wertpapiere i.S.v. § 11 BewG, da es an einer Verbriefung fehlt (v. Oertzen/Biermann/Lindermann, 2022, a.a.O., 762, 768). Entscheidend ist daher, welcher Preis für Kryptowährungen zum Stichtag (Erbfall) im gewöhnlichen Geschäftsverkehr zu erzielen wäre. Dies richtet sich nach den Börsen- bzw. Marktkursen zum Bewertungsstichtag (v. Oertzen/Biermann/Lindermann, 2022, a.a.O., 762, 768).
Im Ergebnis ist die Erbschaftsteuer bei Kryptowährungen insbesondere aber aufgrund von Kursschwankungen zu beachten. Bei einem hohen Kurswert zum Stichtag – Erbfall – führt dies zu einer entsprechenden erbschaftsteuerlichen Belastung. Fällt der Kurs nach dem Stichtag, kann dies dazu führen, dass das Erbe ggf. die Erbschaftsteuer nicht abdeckt und zu einer Überschuldung des Nachlasses führt. Der Erbe dürfte in diesen Fällen auch nicht auf Billigkeitsmaßnahmen der Finanzverwaltung hoffen. Diese kommen regelmäßig nur in Betracht, wenn die Anwendung des Stichtagsprinzips im konkreten Einzelfall zu einem gesetzlich ungewollten Überhang und damit zu einer unbilligen und erdrosselnd wirkenden Härte führt (vgl. v. Oertzen/Biermann/Lindermann, 2022, a.a.O., 762, 768). Dies ist bei der bewussten Entscheidung des Erblassers, Vermögenswerte in Kryptowährungen anzulegen, wohl nicht der Fall. Vielmehr muss dem Erben oder einer anderen am Nachlass beteiligten Person frühzeitig die Möglichkeit eingeräumt werden, auf den Handel mit Kryptowährungen zugreifen zu können (s.u. IV. 2. f).